Gralsbotschaft
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IM LICHTE DER WAHRHEIT
NEUE GRALSBOTSCHAFT von ABDRUSCHIN
OSKAR ERNST BERNHARDT
Das Buch aus dem Jahre 1926. Einige Kapitel sind bereits eingetippt worden. Aktuell bis zum Kapitel „Das jüngste Gericht“, 2.9.2016.

Die Binde fällt, und Glaube wird zur Überzeugung. Nur in der Überzeugung liegt Befreiung und Erlösung!
Ich spreche nur zu denen, welche ernsthaft suchen. Sie müssen fähig und gewillt sein, sachlich dieses Sachliche zu prüfen! Religiöse Fanatiker und haltlose Schwärmer mögen ferne davon bleiben; denn sie sind der Wahrheit schädlich.. Böswillige aber und die Unsachlichen sollen in den Worten selbst ihr Urteil finden.
Die Botschaft wird nur solche treffen, die einen Funken Wahrheit offen in sich tragen und die Sehnsucht, wirklich Mensch zu sein. Allen denen wird sie auch zur Leuchte und zum Stab. Ohne Umwege führt sie heraus aus allem Chaos jetziger Verwirrung.
Das nachstehende Wort bringt nicht eine neue Religion, son-dem es soll die Fackel sein für alle ernsten Hörer oder Leser, um damit den rechten Weg zu finden, der sie zur ersehnten Höhe führt.
Nur wer sich selbst bewegt, kann geistig vorwärts kommen. Der Tor, der sich dazu in Form fertiger Anschauungen fremder Hilfsmittel bedient, geht seinen Pfad nur wie auf Krücken, während die gesunden eignen Glieder dafür ausgeschaltet sind.
Sobald er aber alle Fähigkeiten, welche in ihm seines Rufes harrend schlummern, kühn als Rüstzeug zu dem Aufstiege verwendet, nützt er das ihm anvertraute Pfund nach seines Schöpfers Willen, und wird alle Hindernisse spielend überwinden, die ablenkend seinen Weg durchkreuzen wollen.
Deshalb erwacht! Nur in der Überzeugung ruht der rechte Glaube, und Überzeugung kommt allein durch rücksichtsloses Abwägen und Prüfen! Steht als Lebendige in Eures Gottes wundervoller Schöpfung!
Herbst 1926. Abdruschin.

Was sucht Ihr?

Was sucht Ihr? Sagt, was soll das ungestüme Drängen? Wie ein Brausen geht es durch die Welt, und eine Sturmflut Bücher überschüttet alle Völker. Gelehrte graben in den alten Schriften, forschen, grübeln bis zu geistiger Ermattung. Propheten tauchen auf, zu warnen, zu verheißen…. von allen Seiten will man plötzlich wie im Fieber neues Licht verbreiten!
So tobt es zurzeit über die durchwühlte Menschheitsseele hin, nicht labend und erquickend, sondern sengend, zehrend, saugend an der letzten Kraft, die der Zerrissenen in dieser Düsterheit der Gegenwart noch blieb.
Auch regt sich hier und da ein Flüstern, Raunen, von wachsender Erwartung irgend etwas Kommendem. Unruhig ist ein jeder Nerv, gespannt von unbewußtem Sehnen. Es wallt und wogt und über allem lagert düster brütend eine Art Betäubung. Unheilschwanger. Was muß sie gebären? Verwirrung, Kleinmut und Verderben, wenn nicht kraftvoll die dunkle Schicht zerrissen wird, die geistig jetzt den Erdenball umhüllt, die mit der weichen Zähigkeit des schmutzigen Morastes jeden aufsteigenden freien Lichtgedanken aufnimmt und erstickt, bevor er stark geworden ist, die mit dem unheimlichen Schweigen eines Sumpfes jedes gute Wollen schon im Keime unterdrückt, zersetzt, vernichtet, ehe eine Tat daraus erstehen konnte.
Der Schrei der Suchenden nach Licht aber, der Kraft birgt, um den Schlamm zu spalten, er wird abgeleitet, verhallt an einem undurchdringlichen Gewölbe, das gerade die mit Fleiß errichten, die zu helfen wähnen: Sie bieten Steine statt des Brotes!
Seht Euch die unzähligen Bücher an:
Der Menschengeist wird durch sie nur ermüdet, nicht belebt! Und das ist der Beweis der Unfruchtbarkeit alles Dargebotenen. Denn was den Geist ermüdet, ist niemals das rechte.
Geistiges Brot erfrischt unmittelbar, Wahrheit erquickt, und Licht belebt!

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Einfache Menschen müssen doch verzagen, wenn sie sehen, welche Mauern um das Jenseits durch die sogenannte Geisteswissenschaft errichtet werden. Wer von den Einfachen soll die gelehrten Sätze, wer die fremden Ausdrucksweisen fassen? Soll denn das Jenseits nur für Geisteswissenschaftler gelten?
Man spricht dabei von Gott! Soll eine Hochschule errichtet werden, um darin erst die Fähigkeiten zu erlangen, den Begriff der Gottheit zu erkennen? Wohin treibt diese Sucht, die zu dem größten Teile nur im Ehrgeiz wurzelt?
Wie Trunkene taumeln die Leser und die Hörer von der einen Stelle zu der anderen, unsicher, unfrei in sich selbst, einseitig, da sie von dem schlichten Wege abgeleitet wurden.
Hört es, Verzagende! Schaut auf, Ihr ernsthaft Suchenden: Der Weg zum Höchsten liegt bereit vor jedem Menschen! Gelehrsamkeit ist nicht das Tor dazu!
Wählte Christus Jesus, dieses große Vorbild auf dem wahren Weg zum Lichte, seine Jünger unter den gelehrten Pharisäern? Unter Schriftenforschern? Er nahm sie aus der Schlichtheit und der Einfachheit heraus, weil sie nicht anzukämpfen hatten gegen diesen großen Irrtum, daß der Weg zum Licht mühselig zu erlernen ist und schwer sein muß.
Dieser Gedanke ist der größte Feind des Menschen, er ist Lüge!
Deshalb zurück von aller Wissenschaftlerei, dort, wo es um das Heiligste im Menschen geht, das voll erfaßt sein will. Laßt ab, weil Wissenschaft als Machwerk menschlichen Gehirnes Stückwerk ist und Stückwerk bleiben muß.
Bedenkt, wie sollte mühselig erlernte Wissenschaft zur Gottheit führen? Was ist denn Wissen überhaupt? Wissen ist, was das Gehirn begreifen kann. Wie eng begrenzt ist aber das Begriff svermögen des Gehirns, das fest an Raum und Zeit gebunden bleibt. Schon Ewigkeit und den Sinn für Unendlichkeit vermag ein menschliches Gehirn nicht zu erfassen. Gerade das, was mit der Gottheit untrennbar verbunden ist. Still aber stehet das Gehirn vor jener unfaßbaren Kraft, die alles Seiende durchströmt, aus der es selbst sein Wirken schöpft. Die Kraft, die

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alle täglich, stündlich, jeden Augenblick empfinden als etwas Selbstverständliches, die auch die Wissenschaft stets als bestehend anerkannte, und die man doch mit dem Gehirn, also dem Wissen und Verstand vergebens zu erfassen, zu begreifen sucht.
So mangelhaft ist nun die Tätigkeit eines Gehirns, des Grundsteines und Werkzeuges der Wissenschaft, und die Beschränkung zieht sich nun naturgemäß auch durch die Werke, die es baut, also durch alle Wissenschaften selbst. Deshalb ist Wissenschaft wohl gut für Nachfolge, zum besseren Verstehen, Einteilen und Sortieren alles dessen, was sie von der vorangehenden Schöpfungskraft fertig empfängt, doch sie muß unbedingt versagen, wenn sie sich selbst zur Führerschaft oder Kritik aufwerfen will, solange sie sich wie bisher so fest an den Verstand, also an das Begriffsvermögen des Gehirnes bindet.
Aus diesem Grunde bleibt Gelehrsamkeit, und auch die Menschheit, die sich darnach richtet, stets an Einzelheiten hängen, während jeder Mensch das große, unfaßbare Ganze als Geschenk in sich trägt, vollauf befähigt, ohne mühsames Erlernen das Edelste und Höchste zu erreichen!
Deshalb hinweg mit dieser unnötigen Folter einer Geistessklaverei! Der große Meister ruft uns nicht umsonst entgegen: Werdet wie die Kinder!
Wer in sich festes Wollen zu dem Guten trägt und sich bemüht, seinen Gedanken Reinheit zu verleihen, der hat den Weg zum Höchsten schon gefunden! Ihm wird dann alles andere zuteil. Dazu bedarf es weder Bücher noch geistiger Anstrengung, weder einer Askese noch Vereinsamung. Er wird gesund an Körper und an Seele, befreit von allem Druck krankhafter Grübelei; denn jede Übertreibung schadet. Menschen sollt Ihr sein, nicht Treibhauspflanzen, die durch einseitige Ausbildung dem ersten Windhauche erliegen!
Wacht auf! Seht um Euch! Höret in Euch! Das allein vermag den Weg zu öffnen!
Achtet nicht auf Streit der Kirchen. Der große Wahrheitsbringer Christus Jesus, die Verkörperung göttlicher Liebe,

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fragte nicht nach Konfession. Was sind die Konfessionen heute überhaupt? Bindung des freien Menschengeistes, Versklavung des in Euch wohnenden Gottesfunkens; Dogmen, die das Werk des Schöpfers und auch dessen große Liebe einzuengen suchen in von Menschensinn gepreßte Formen, was Herabzerrung des Göttlichen bedeutet, systematische Entwertung. Jeden ernsthaft Suchenden stößt diese Art zurück, da er in sich niemals die große Wirklichkeit dabei erleben kann, wodurch sein Sehnen nach der Wahrheit immer hoffnungsloser wird und er zuletzt an sich und an der Welt verzweifelt. Deshalb wachet auf! Zertrümmert in Euch dogmatische Mauern, reißt die Binde ab, damit das reine Licht des Höchsten unverstümmelt zu Euch dringen kann. Aufjauchzend wird dann Euer Geist sich in die Höhe schwingen, jubelnd all die große Vaterliebe fühlen, die keine Grenzen irdischen Verstandes kennt. Ihr wißt endlich, Ihr seid ein Stück von ihr, erfaßt sie mühelos und ganz, vereint Euch mit ihr und gewinnt so täglich, stündlich neue Kraft als ein Geschenk, das Euch den Aufstieg aus dem Chaos selbstverständlich macht!

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Verantwortung

Diese Frage ist immer eine der ersten, da die weitaus größte Zahl der Menschen zu gern jede Verantwortung von sich abwälzen und auf irgend etwas anderes als auf sich selbst bürden möchten. Daß dies an sich eine Selbstentwertung ist, spielt ihnen dabei keine Rolle. Hierin sind sie wirklich recht demütig und bescheiden, aber nur, um umso lustiger und skrupelloser daraufzuleben zu können.
Es wäre ja so schön, alle seine Wünsche erfüllen und alle seine Gelüste auch anderen Menschen gegenüber ruhig ungesühnt austoben lassen zu dürfen. Die irdischen Gesetze lassen sich im Notfalle leicht umgehen und Konflikte vermeiden. Geschicktere können sogar unter deren Deckmantel ganz erfolgreiche Fischzüge vornehmen und so manches tun, was keiner näheren Prüfung standhalten würde. Sie genießen dabei sogar noch oft den Ruf ganz besonders tüchtiger Menschen. Es ließe sich also mit einiger Klugheit eigentlich recht gemütlich seinen eigenen Ansichten entsprechend leben, wenn… nicht irgendwo irgendetwas wäre, das ein unbehagliches Empfinden weckte, eine zeitweise aufsteigende Unruhe sich zeigte darüber, daß manches doch schließlich etwas anderes sein könne, als das eigene Wünschen es sich formt.Und so ist es auch! Die Wirklichkeit ist ernst und unerbittlich. Die Wünsche der Menschen können in dieser Beziehung keinerlei Abweichung herbeiführen. Ehern bleibt das Gesetz bestehen: „Was der Mensch säet, das wird er vielfach ernten!“
Diese wenigen Worte bergen und sagen viel mehr, als so mancher sich dabei denkt. Haarscharf und genau entsprechen sie dem wirklichen Vorgange der in der Schöpfung ruhenden Wechselwirkung. Es könnte kein treffenderer Ausdruck dafür gefunden werden. Genau wie die Ernte das Vielfache einer Saat ergibt, so trifft den Menschen stets vervielfältigt das wie-

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der, was er in seinen eigenen Empfindungen erweckt und ausschickt, je nach der Art seiner Gedanken.
Der Mensch trägt also geistig die Verantwortung für alles, was er tut. Diese Verantwortung setzt schon bei dem Entschlusse ein, nicht erst bei der vollbrachten Tat, die ja nur eine Folge des Entschlusses ist. Und der Entschluß ist das Erwachen eines ernsten Wollens!
Es gibt keine Trennung zwischen dem Diesseits und dem sogenannten Jenseits, sondern alles ist nur ein einziges großes Sein. Die ganze gewaltige den Menschen sichtbare und unsichtbare Schöpfung greift wie ein erstaunlich-geschickter, nie versagender Mechanismus ineinander, geht nicht nebeneinander. Einheitliche Gesetze tragen das Ganze, die Nervensträngen gleich alles durchdringen, zusammenhalten, und sich gegenseitig in steter Wechselwirkung auswirken!
Wenn die Schulen und Kirchen nun dabei von Himmel und Hölle sprechen, von Gott und dem Teufel, so ist das richtig. Falsch aber ist eine Erklärung von guten und bösen Kräften. Das muß jeden ernsthaft Suchenden sofort in Irrtümer und Zweifel stürzen; denn wo zwei Kräfte sind, müßten logisch auch zwei Herrscher, in diesem Falle also zwei Götter sein, ein guter und ein böser.
Und das ist nicht der Fall!
Es gibt nur einen Schöpfer, einen Gott, und deshalb auch nur eine Kraft, die alles Seiende durchströmt, belebt und fördert!
Diese reine, schöpferische Gotteskraft durchfließt fortwährend die ganze Schöpfung, liegt in ihr, ist untrennbar von ihr. Überall ist sie zu finden: in der Luft, in jedem Wassertropfen, in dem wachsenden Gestein, der strebenden Pflanze, dem Tier, und natürlich auch dem Menschen. Es gibt nichts, wo sie nicht wäre.
Und wie sie alles durchflutet, so durchströmt sie auch ohne Unterlaß den Menschen. Dieser ist nun derart konstruiert, daß er einer Linse gleicht. Wie eine Linse die sie durchströmenden Sonnenstrahlen sammelt und konzentriert weiterleitet, so daß

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die wärmenden Strahlen auf einen Punkt sich vereinigt sengen und zündend Feuer entflammen, so sammelt der Mensch durch seine besondere Beschaffenheit die durch ihn strömende Schöpfungskraft durch seine Empfindung und leitet sie konzentriert weiter durch seine Gedanken.
Je nach der Art dieses Empfindens und der damit zusammenhängenden Gedanken lenkt er also die selbsttätig wirkende schöpferische Gotteskraft zu guter oder zu böser Auswirkung!
Und das ist die Verantwortung, die der Mensch tragen muß!
Ihr, die Ihr oft so krampfhaft sucht, den rechten Weg zu finden, warum macht Ihr es Euch so schwer? Stellt Euch in aller Einfachheit das Bild vor, wie die reine Kraft des Schöpfers durch Euch fließt und Ihr sie lenkt mit Eueren Gedanken nach der guten oder nach der schlechten Richtung. Damit habt Ihr ohne Mühe und ohne Kopfzerbrechen alles! Überlegt, daß es an Euerem einfachen Empfinden und Denken liegt, ob diese gewaltige Kraft nun Gutes oder Übles hervorrufen wird. Welche fördernde oder verderbenbringende Macht ist Euch damit gegeben!
Ihr braucht Euch dabei nicht anzustrengen, daß der Schweiß auf die Stirne tritt, braucht Euch nicht an eine sogenannte okkulte Übung anzukrampfen, um durch alle möglichen und unmöglichen körperlichen und geistigen Verkrümmungen irgendeine für Eueren wahren geistigen Aufschwung völlig nichtssagende Stufe zu erreichen!
Laßt ab von dieser zeitraubenden Spielerei, die schon so oft zur peinigenden Quälerei geworden ist, die nichts anderes bedeutet, als die früheren Selbstgeißelungen und Kasteiungen in den Klöstern. Es ist nur eine andere Form derselben, die Euch ebensowenig Gewinn zu bringen vermag.
Die sogenannten okkulten Meister und Schüler sind moderne Pharisäer! In dem wahrsten Sinne des Wortes. Sie geben das getreue Spiegelbild der Pharisäer zu der Zeit Jesus von Nazareth.
Mit reiner Freude denkt daran, daß Ihr mühelos durch Euer einfaches, gutwollendes Empfinden und Denken die einzige und

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gewaltige Schöpfungskraft zu lenken vermögt. Genau in der Art Eueres Empfindens und Euerer Gedanken wirkt sich die Kraft dann aus. Sie arbeitet allein, Ihr braucht sie nur zu lenken. Und das geschieht in aller Einfachheit und Schlichtheit! Dazu bedarf es keiner Gelehrsamkeit, nicht einmal des Lesens und des Schreibens. Es ist jedem von Euch in gleichem Maße gegeben! Darin besteht kein Unterschied.
Wie ein Kind spielend an dem Schalter einen elektrischen Strom einzuschalten vermag, der ungeheuere Wirkungen ausübt, so ist es Euch geschenkt, durch Euere einfachen Gedanken göttliche Kraft zu lenken. Ihr könnt Euch darüber freuen, könnt darauf stolz sein, sobald Ihr es benützt zum Guten! Aber zittert, wenn Ihr es nutzlos vergeudet oder gar zu Unreinem verwendet!
Denn den in der Schöpfung ruhenden Gesetzen der Wechselwirkung könnt Ihr nicht entgehen. Und hättet Ihr Flügel der Morgenröte, die Hand des Herrn, dessen Kraft Ihr damit mißbrauchet, würde Euch durch diese selbsttätig arbeitende Wechselwirkung treffen, wo Ihr Euch auch verbergen wolltet.
Das Böse wird mit der gleichen reinen, göttlichen Kraft bewirkt wie das Gute!
Und diese Jedem freigestellte Art der Verwendung dieser einheitlichen Gotteskraft birgt die Verantwortung in sich, der niemand zu entgehen vermag. Deshalb rufe ich jedem Suchenden zu: „Halte den Herd Deiner Gedanken rein, Du stiftest damit Frieden und bist glücklich!“
Frohlocket, Ihr Unwissenden und Schwachen; denn Euch ist dieselbe Macht gegeben wie den Starken! Macht es Euch also nicht zu schwer! Vergeßt nicht, daß die reine selbstschaffende Gotteskraft auch durch Euch strömt, und daß auch Ihr als Menschen befähigt seid, dieser Kraft eine bestimmte
Richtung zu geben durch die Art Euerer inneren Empfindungen, also Eueres Wollens, zum Guten wie zum Bösen, verheerend oder aufbauend, Freude oder Leid bringend!
Da es nur diese eine Gotteskraft gibt, klärt sich auch damit das Geheimnis, warum das Dunkel dem Lichte, das Übel dem

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Guten in jedem ernsten Endkampfe weichen muß. Lenkt Ihr die Gotteskraft zum Guten, so bleibt sie in ihrer ursprünglichen Reinheit ungetrübt und entwickelt dadurch eine viel stärkere Kraft, während mit der Trübung ins Unreine gleichzeitig eine Schwächung vor sich geht. So wird in einem Endkampfe die Reinheit der Kraft immer durchschlagend wirken und ausschlaggebend sein.
Was gut ist und was böse, das fühlt ein Jeder bis in die Fingerspitzen, unausgesprochen. Darüber zu grübeln, würde nur verwirren. Dumpfes Grübeln ist Kraftverschwendung, wie ein Sumpf, zäher Morast, der alles Erreichbare lähmend umklammert und erstickt. Frische Fröhlichkeit jedoch zerreißt den Bann des Grübelns, Ihr habt es nicht nötig traurig und gedrückt zu sein! Jeden Augenblick könnt Ihr den Weg zur Höhe beginnen und Vergangenes gutmachen, was es auch sei! Macht weiter nichts, als an den Vorgang der Euch stets durchströmenden reinen Gotteskraft zu denken, dann scheut Ihr selbst davor zurück, diese Reinheit in schmutzige Kanäle übler Gedanken zu leiten, weil Ihr ohne jede Anstrengung auf gleiche Weise das Höchste und Edelste erreichen könnt. Ihr braucht ja nur zu lenken, die Kraft wirkt dann allein in der von Euch gewollten Richtung.
Ihr habt damit das Glück oder das Unglück in eigener Hand. Hebt deshalb stolz das Haupt und frei und kühn die Stirn. Das Übel kann nicht nahen, wenn Ihr es nicht ruft! Wie Ihr es wollt, so wird es Euch geschehen!

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Schicksal

Die Menschen reden von verdientem und unverdientem Schicksal, von Lohn und Strafe, Vergeltung und Karma. Das alles sind nur Teilbezeichnungen eines in der Schöpfung ruhenden Gesetzes: Das Gesetz der Wechselwirkung!
Ein Gesetz, das in der ganzen Schöpfung von Urbeginn an liegt, das in das große, nimmer endende Werden unlösbar hineingewoben wurde als ein notwendiger Teil des Schaffens selbst und der Entwicklung. Wie ein Riesensystem feinster Nervenfäden hält und belebt es das gewaltige All und fördert dauernde Bewegung, ein ewiges Geben und Nehmen!
Einfach und schlicht, und doch so treffend hat es der große Wahrheitsbringer Christus Jesus schon gesagt: „Was der Mensch säet, das wird er ernten!“
Die wenigen Worte geben das Bild des Wirkens und Lebens in der ganzen Schöpfung so glänzend wieder, wie es kaum anders gesagt werden kann. Ehern eingewebt ist der Sinn der Worte in dem Sein. Unverrückbar, unantastbar, unbestechlich in der fortwährenden Auswirkung.
Ihr könnt es sehen, wenn Ihr sehen wollt! Beginnt damit bei der Beobachtung der Euch jetzt sichtbaren Umgebung. Was Ihr Naturgesetze nennt, sind ja die göttlichen Gesetze, sind des Schöpfers Wille. Ihr werdet schnell erkennen, wie unentwegt sie sich in dauernder Betätigung befinden: denn so Ihr Weizen säet, werdet Ihr nicht Roggen ernten, und ’so Ihr Roggen streut, kann Euch nicht Reis erstehen! Das ist jedem Menschen so selbstverständlich, daß er über das eigentliche Geschehen dabei gar nicht nachdenkt. Er wird sich deshalb des darin ruhenden strengen und großen Gesetzes gar nicht bewußt. Und doch steht er dabei vor der Lösung eines Rätsels, das ihm kein Rätsel zu sein braucht.
Das gleiche Gesetz nun, das Ihr hierbei zu beobachten vermögt, wirkt sich mit derselben Sicherheit und Stärke auch in

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den zartesten Dingen aus, die Ihr nur durch Vergrößerungsgläser zu erkennen fähig seid, und noch weitergehend in dem feinstofflichen Teile der ganzen Schöpfung, der der weitaus größere ist. In jedem Geschehen liegt es unabänderlich, auch in der zartesten Entwickelung Euerer Gedanken, die ja auch eine gewisse Stofflichkeit haben, da sie sonst keine Wirkung hervorzubringen vermöchten.
Wie konntet Ihr wähnen, daß es gerade dort anders sein soll, wo Ihr es anders haben möchtet? Euere Zweifel sind in Wirklichkeit weiter nichts als ausgesprochene innere Wünsche! Es ist in dem ganzen Euch sichtbaren und unsichtbaren Sein nicht anders, als daß jede Art die ihr gleiche Art bringt, gleich-viel von welchem Stoffe. Ebenso fortdauernd ist das Wachsen und Werden, Früchte bringen und die gleiche Art gebären. Dieses Geschehen geht einheitlich durch alles, macht keine Unterschiede, läßt keine Lücke, hält nicht vor einem anderen Teile der Schöpfung an, sondern trägt die Wirkungen hindurch wie einen unzerreißbaren Faden, ohne abzusetzen oder abzubrechen. Wenn sich auch der größte Teil der Menschheit in ihrer Beschränkung und Einbildung von dem Weltall isolierten, die göttlichen oder Naturgesetze haben deshalb nicht aufgehört, sie als dazu gehörig zu betrachten, und in unveränderter Art ruhig und gleichmäßig weiter zu arbeiten.
Das Gesetz der Wechselwirkung bedingt aber auch, daß der Mensch alles, was er säet, also dort, wo er die Ursache zu einer Wirkung oder Auswirkung gibt, auch ernten muß!
Der Mensch hat immer nur den freien Entschluß, die freie Entscheidung bei Beginn einer jeden Sache darüber, wohin die ihn durchströmende Allkraft geleitet werden soll, nach welcher Richtung. Die daraus entstehenden Folgen der sich in der von ihm gewollten Richtung betätigten Kraft muß er dann tragen. Trotzdem beharren viele auf der Behauptung, daß der Mensch doch keinen freien Willen habe, wenn er einem Schicksale unterworfen ist! Diese Torheit soll nur den Zweck einer Selbstbetäubung haben, oder ein grollendes Sichfügen in etwas Unvermeidliches

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sein, eine murrende Resignation, hauptsächlich aber eine Selbstentschuldigung; denn jede dieser auf ihn zurückfallenden Auswirkungen hat einen Anfang genommen, und bei diesem Anfange lag die Ursache für die spätere Auswirkung in einem vorausgegangenen freien Entschluß des Menschen. Dieser freie Entschluß ist jeder Wechselwirkung, also jedem Schicksal einmal vorausgegangen! Mit einem ersten Wollen hat der Mensch jedesmal etwas erzeugt, erschaffen, in dem er später, über kurz oder lang, selbst einmal zu leben hat. Wann dies erfolgt, ist aber sehr verschieden. Es kann noch in dem gleichen Erdendasein sein, in dem das erste Wollen den Anfang dazu schuf, ebensogut kann es aber nach Ablegen des grobstofflichen Körpers in der feinstofflichen Welt geschehen, oder aber noch später wieder in einem grobstofflichen Erdendasein. Die Veränderungen spielen dabei keine Rolle, sie befreien den Menschen nicht davon. Dauernd trägt er die Verbindungsfäden mit sich, bis er davon erlöst, das heißt „gelöst“ wird durch die endliche Auswirkung, die durch das Gesetz der Wechselwirkung erfolgt.
Der Erschaffende ist an seine eigene Schöpfung gebunden, wenn er sie auch anderen zugedacht hat!
Wenn also heute ein Mensch den Entschluß faßt, einem Anderen irgend etwas Übles zu tun, sei es nun in Gedanken, Worten oder Werken, so hat er damit etwas „in die Welt gesetzt“, ganz gleichgültig, ob allgemein sichtbar oder nicht, ob also grobstofflich oder feinstofflich, es hat Kraft und somit Leben in sich, das sich in der gewollten Richtung weiter entwickelt und betätigt.
Wie sich die Wirkung nun bei dem auslöst, dem es gelten soll, liegt ganz an der seelischen Beschaffenheit des Betreffenden, dem es dadurch entweder großen oder kleinen, vielleicht auch verändert als wie den gewollten, oder auch gar keinen Schaden bringen kann; denn der seelische Zustand des Betreffenden ist wiederum allein maßgebend für diesen selbst. Es ist also niemand solchen Dingen schutzlos preisgegeben. Anders mit dem, der durch seinen Entschluß und sein Wollen die Ursache zu dieser Bewegung gegeben hat, also der Er-

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zeuger war. Mit diesem bleibt seine Erzeugung unbedingt verbunden, und kommt nach einer kurzen oder langen Wanderung im Weltall wieder zu ihm zurück, verstärkt, wie eine Biene beladen durch die Anziehung der Gleichart. Das Gesetz der Wechselwirkung löst sich dabei aus, indem eine jede Erzeugung bei seiner Bewegung durch das All verschiedene Gleicharten anzieht oder voll solchen selbst angezogen wird, durch deren Zusammenschluß dann eine Kraftquelle entsteht, die verstärkte Kraft der gleichen Art wie von einer Zentrale aus an alle die zurücksenden, die durch ihre Erzeugungen wie an Schnüren mit dem Sammelplatze verbunden werden.
Durch diese Verstärkung tritt auch eine immer größere Verdichtung ein, bis zuletzt ein grobstofflicher Niederschlag davon entsteht, in dem der einstige Erzeuger nun in der damals von ihm gewollten Art sich selbst ausleben muß, um endlich davon befreit zu werden. Das ist das Entstehen und der Werdegang des so gefürchteten und verkannten Schicksals! Es ist gerecht bis in die kleinste und feinste Abstufung, weil es durch die Anziehung nur gleicher Arten in der Rückstrahlung nie anderes bringen kann, als wie es wirklich ursprünglich selbst gewollt war. Ob für einen bestimmten Anderen oder im allgemeinen ist dabei gleichgültig; denn derselbe Werdegang ist natürlich auch, wenn der Mensch sein Wollen nicht unbedingt auf einen anderen Menschen oder auf mehrere richtet, sondern überhaupt in irgendeiner Art Wollen lebt.
Die Art des Wollen, für die er sich entscheidet, ist maßgebend für die Früchte, die er am Ende ernten muß. So hängen zahllose feinstoffliche Fäden an den Menschen, oder er an ihnen, die alle das auf ihn zurückströmen lassen, was immer er einmal ernst gewollt hat. Diese Strömungen geben ein Gebräu, das dauernd stark einwirkt auf die Bildung des Charakters. So sind in der gewaltigen Maschinerie des Weltalls viele Dinge, die mitwirken an dem „Ergehen“
des Menschen, aber es gibt nichts, wozu der Mensch nicht selbst zuerst die Ursache dazu gegeben hat.

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Er liefert die Fäden, aus denen im unermüdlichen Wehbstuhle des Seins der Mantel gefertigt wird, den er zu tragen hat. Christus drückte klar und scharf dasselbe aus, als er sagte: „Was der Mensch säet, das wird er ernten.“ er sagte nicht, „kann“ er ernten, sondern er „wird„. Das ist dasselbe, wie er muß das ernten, was er säet.
Wie oft hört man sonst sehr vernünftige Menschen sagen: „Daß Gott so etwas zuläßt, ist mir unbegreiflich!“ Unbegreiflich aber ist es, daß Menschen so etwas reden können! Wie klein stellen sie sich dieser Äußerung nach Gott vor. Sie geben damit den Beweis, daß sie sich ihn als einen „willkürlich handelnden Gott“ denken.
Aber Gott greift in alle diese kleinen und großen Menschensorgen, Kriege, Elend und was Irdisches noch mehr ist, gar nicht direkt ein! Er hat von Anfang an in die Schöpfung seine vollkommenen Gesetze gewoben, die selbsttätig ihre unbestechliche Arbeit durchführen, so daß sich alles haarscharf erfüllt, ewig gleich sich auslöst, wodurch eine Bevorzugung ebenso ausgeschlossen ist wie eine Benachteiligung, jede Ungerechtigkeit unmöglich bleibt. Gott braucht sich also darum nicht extra zu kümmern, sein Werk ist lückenlos.
Ein Hauptfehler so vieler Menschen ist aber der, daß sie nur nach dein Grobstofflichen urteilen und sich darin als Mittelpunkt sehen, sowie mit einem Erdenleben rechnen, während sie in Wirklichkeit schon mehrere Erdendaseins hinter sich haben. Diese, sowie auch die Zwischenzeiten in der feinstofflichen Welt, gelten als ein einheitliches Sein, durch das die Fäden ohne abzubrechen straff gezogen sind, so daß also in den Auswirkungen eines jeweiligen irdischen Daseins nur ein kleiner Teil dieser Fäden sichtbar wird. Ein großer Irrtum ist demnach, zu glauben, daß mit dem Geborenwerden ein vollkommen neues Leben einsetzt, daß ein Kind also „unschuldig“ ist,*) und daß alle Geschehnisse nur auf das kurze Erdendasein berechnet werden dürfen. Wäre dies wirklich, so müßten selbstverständlich bei bestehender Gerechtigkeit Ursachen, Wirkun-

*) Siehe Vortrag: Geburt.

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gen und Rückwirkungen geschlossen auf die Spanne eines Erdendaseins fallen.
Wendet Euch ab von diesem Irrtum. Ihr werdet dann schnell die jetzt so oft vermißte Logik und Gerechtigkeit in allen Geschehnissen entdecken!
Viele erschrecken dabei und fürchten sich vor dem, was sie nach diesen Gesetzen in der Rückwirkung von früher her noch zu erwarten haben.
Doch das sind unnötige Sorgen für die, denen es ernst ist mit dem guten Wollen; denn in den selbsttätigen Gesetzen liegt auch gleichzeitig die sichere Gewähr für Gnade und Vergebung!
Ganz abgesehen davon, daß mit dem festen Einsetzen des guten Wollens sofort eine Grenze gesetzt wird für den Punkt, wo die Kette der üblen Rückwirkungen ein Ende erreichen muß, tritt noch ein anderer Vorgang in Kraft, der von ungeheuerem Werte ist. Durch das dauernd gute Wollen in allem Denken und Tun fließt ebenfalls rückwirkend aus der gleichartigen Kraftquelle beständige Verstärkung, so daß das Gute fester und fester in dem Menschen selbst wird, aus ihm heraustritt und zunächst die feinstoffliche Umgebung darnach formt, die ihn wie eine Schutzhülle umgibt, so ähnlich, wie die Luftschicht um die Erde dieser Schutz gewährt.
Kommen nun üble Rückwirkungen von früher her zur Auslösung auf diesen Menschen zurück, so gleiten sie an der Reinheit von dessen Umgebung oder Hülle ab und werden so von ihm abgelenkt. Dringen sie aber trotzdem in diese Hülle ein, so werden die üblen Strahlungen entweder sofort zersetzt, oder doch bedeutend abgeschwächt, wodurch die schädliche Auswirkung gar nicht oder nur in ganz geringem Maße stattfinden kann.
Außerdem ist durch die erfolgte Wandlung auch der eigentliche innere Mensch, auf den die Rückstrahlungen eingestellt sind, mit dem andauernden Bestreben zum guten Wollen viel verfeinerter und leichter geworden, so daß er der größeren Dichtheit übler oder niederer Strömungen nicht mehr gleichartig gegenübersteht. Ähnlich wie bei der drahtlosen Telegra-

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phie, wenn der Empfangsapparat nicht auf die Stärke des Sendapparates eingestellt ist.
Die natürliche Folge davon ist, daß die dichteren Strömungen, weil andersartig, nicht festhaken können und ohne Auswirkung schadlos hindurchgehen.
Deshalb ungesäumt ans Werk! Der Schöpfer hat Euch der Schöpfung alles in die Hand gelegt. Nützet die Zeit. Jeder Augenblick birgt für Euch das Verderben oder den Gewinn!

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Die Erschaffung des Menschen

„Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbilde und hauchte ihm seinen Odem ein!“
Das sind zwei Begebenheiten: Das Schaffen und das Beleben!
Beide Vorgänge waren wie alles streng den bestehenden göttlichen Gesetzen unterworfen. Nichts kann außer den Rahmen derselben treten. Kein göttlicher Willensakt wird sich diesen den göttlichen Willen selbst tragenden unverrückbaren Gesetzen gegenüberstellen. Auch jede Offenbarung und Verheißung erfolgt im Hinblick auf diese Gesetze und muß sich in diesen erfüllen, nicht anders!
So auch die Menschwerdung, die ein Fortschritt der gewaltigen Schöpfung war, der Übergang des Grobstofflichen in ein ganz neues, gehobeneres Stadium.
Von der Menschwerdung zu sprechen bedingt das Wissen von der feinstofflichen Welt; denn der Mensch in Fleisch und Blut ist als förderndes Bindeglied geschoben zwischen den feinstofflichen und den grobstofflichen Schöpfungsteil, während seine Wurzel in dem Reingeistigen bleibt.
„Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbilde!“ Dieses Schaffen oder Erschaffen war eine lange Kette der Entwicklung, die sich streng innerhalb der von Gott selbst in die Schöpfung gewobenen Gesetze abspielte. Von dem Höchsten eingesetzt, arbeiten diese Gesetze eisern, unentwegt an der Erfüllung seines Willens, selbsttätig als ein Stück von ihm der Vollendung entgegen.
So auch mit der Erschaffung des Menschen als Krone des ganzen Werkes, in dem sich alle Kräfte vereinigen sollten, die in der Schöpfung lagen. Deshalb wurde in der grobstofflichen Welt, der irdisch sichtbaren Materie, nach und nach in der Fortentwicklung das Gefäß geformt, in das ein Funke aus dem Reingeistigen inkarniert werden konnte, der unsterblich war. Durch das andauernd strebende Formen entstand mit der Zeit das höchstentwickeltste Tier, das denkend sich schon verschie-

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dener Hilfsmittel zum Lebensunterhalte und zur Verteidigung bediente. Wir können auch heute niedere Tiersorten beobachten, die sich einzelner Hilfsmittel zur Erlangung und Aufbewahrung ihrer Lebensbedürfnisse bedienen, und die zur Verteidigung oft verblüffende Schlauheit zeigen. Die vorhin erwähnten höchstentwickelten Tiere, die mit den stattgefundenen Erdumwälzungen hinweggenommen wurden, bezeichnet man heute mit dem Namen „Urmenschen“.
Sie aber Vorfahren der Menschen zu nennen, ist ein großer Irrtum! Mit demselben Rechte könnte man die Kühe als „Teilmütter“ der Menschheit bezeichnen, da die größte Zahl der Kinder in den ersten Monaten ihres Lebens die Milch der Kühe direkt zum Aufbau ihres Körpers brauchen, durch ihre Hilfe also lebensfähig bleiben und wachsen. Viel mehr hat das edle und denkende Tier „Urmensch“ auch nicht mit dem wirklichen Menschen zu tun; denn der grobstoffliche Körper des Menschen ist weiter nichts als das unerläßliche Hilfsmittel, das er braucht, um in dem grobstofflich Irdischen nach jeder Richtung hin wirken zu können und sich verständlich zu machen.
Mit der Behauptung, daß der Mensch vorn Affen abstamme, wird buchstäblich „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet!“ Es ist damit weit über das Ziel hinausgegriffen. Ein Teilvorgang zur alleinigen Volltatsache erhoben. Die Hauptsache fehlt dabei!
Es würde zutreffen, wenn der Körper des Menschen tatsächlich „Der Mensch“ wäre. So aber ist der grobstoffliche Körper nur seine Bekleidung; die er ablegt, sobald er in die Feinstofflichkeit zurückkehrt.
Wie erfolgte nun die erste Menschwerdung?
Nach dem Höhepunkte in der grobstofflichen Welt mit dem vollendetsten Tiere mußte eine Veränderung zur Weiterentwicklung kommen, wenn kein Stillstand eintreten sollte, der mit seinen Gefahren Rückgang werden konnte. Und diese Veränderung war vorgesehen und kam: Als Geistfunken ausgegangen, durch die feinstoffliche Welt alles erneuernd und hebend gezogen, stand an deren Grenze in dem Augenblicke, als das grobstofflich-irdische Gefäß in seiner Entwicklung den Höhepunkt

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erreicht hatte, der feinstofflich-geistige Mensch ebenfalls fertig bereit, sich mit dem Grobstofflichen zu verbinden, um dieses zu fördern und zu heben.
Während also das Gefäß in der Grobstofflichkeit herangereift, erschaffen war, hatte sich die Seele in der Feinstofflichkeit so weit entwickelt, daß sie genügend Kraft besaß, bei Eintritt in das grobstoffliche Gefäß seine Selbständigkeit zu bewahren.
Die Verbindung dieser beiden Teile bedeutete nun eine innigere Vereinigung der grobstofflichen Welt mit der feinstofflichen Welt bis hinauf in das Geistige.
Erst dieser Vorgang war die Geburt des Menschen!
Die Zeugung selbst ist auch heute noch bei den Menschen ein rein tierischer Akt. Höhere oder niedere Empfindungen dabei haben mit dem Akte selbst nichts zu tun, sondern bringen besondere geistige Auslösungen, deren Wirkungen in der Anziehung unbedingter Gleichart von großer Bedeutung werden.
Rein tierischer Art ist auch die Entwicklung des Körpers bis zur Mitte der Schwangerschaft. Rein tierisch ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, sondern ich will es mit rein grobstofflich bezeichnen.
Erst in der Mitte der Schwangerschaft, bei einer bestimmten Reife des werdenden Körpers, wird der für die Geburt vorgesehene Geist inkarniert, der bis dahin sich viel in der Nähe der werdenden Mutter aufhält. Das Eintreten des Geistes löst die ersten Zuckungen des kleinen sich entwickelnden grobstofflichen Körpers aus, also die ersten Kindesbewegungen. Hier entsteht auch das eigenartig beseligte Gefühl des schwangeren Weibes, bei dem von diesem Augenblick an ganz andere Empfindungen eintreten: das Bewußtsein der Nähe des zweiten Geistes in ihr, das Fühlen desselben. Und je nach Art des neuen, zweiten Geistes in ihr werden auch ihre eigenen Empfindungen sein.
So ist der Vorgang bei jeder Menschwerdung. Nun aber zurück zur ersten Menschwerdung.
Es war also der große Abschnitt in der Entwicklung der Schöpfung gekommen: Auf der einen Seite in der grobstoff-

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lichen Welt stand das höchstentwickeltste Tier, das den grobstofflichen Körper als Gefäß für kommenden Menschen liefern sollte, auf der anderen Seite in der feinstofflichen Welt stand die entwickelte Menschenseele, die der Verbindung mit dem grobstofflichen Gefäß entgegenharrte, um damit allem Grobstofflichen einen weiteren Aufschwung zur Durchgeistigung zu geben.
Als nun ein Zeugungsakt zwischen dem edelsten Paare dieser hochentwickelten Tiere erfolgte, wurde zur Stunde der Inkarnierung nicht wie bisher eine Tierseele,*) sondern an dessen Stelle die dafür bereitstehende Menschenseele inkarniert, die den unsterblichen Geistesfunken in sich trug.
Dieser Vorgang gibt keinen Stützpunkt zu der Behauptung, daß der Mensch, der seinen wirklichen Ursprung im Geistigen hat, von dem Tiere „Urmensch“ abstamme, der nur das grobstoffliche Übergangsgefäß dazu liefern konnte. Es würde auch heute den stärksten Materialisten nicht einfallen, sich direkt verwandt mit einem Tiere zu betrachten, und doch ist jetzt wie damals eine enge Körperverwandtschaft, also eine grobstoffliche Gleichart vorhanden, während der wirkliche „lebende“ Mensch, also das eigentliche geistige „Ich“ des Menschen in gar keiner Gleichart oder Ableitung zu dem Tiere steht.
Nach, der Geburt des ersten Menschen stand nun dieser in Wirklichkeit allein, elternlos, da er die Tiere trotz deren hoher Entwicklung nicht als Eltern erkennen konnte und keine Gemeinschaft mit ihnen zu haben vermochte. Er brauchte es auch nicht; denn er war ganz Empfindungsmensch und lebte als solcher mit in der feinstofflichen Welt, die ihm Werte gab, die alles andere ergänzten. Die Abspaltung des Weibes von dem ersten Menschen war eine feinstofflich-geistige. Sie geschah nicht grobstofflich-irdisch, wie ja die Bezeichnungen der Bibel und alten religiösen Niederschriften sich vorwiegend nur auf geistige und feinstoffliche Begebenheiten beziehen. Der Mensch als solcher stand allein und verwendete nun im Wachsen vorwiegend die schrofferen, strengeren Empfindungen bei

*) Vortrag: Mensch und Tier.

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seinem Lebensunterhalt; wodurch die zarteren mehr und mehr zur Seite gedrängt und isoliert wurden, bis sie sich als der zartere Teil des geistigen Menschen ganz abspalteten.
Dieser zweite Teil nun wurde, um nicht unwirksam im Grobstofflichen zu bleiben, wo er zur Hebung unbedingt in erster Linie notwendig war, in ein zweites Gefäß inkarniert, das der Feinheit entsprechend weiblichen Geschlechtes war, während die schrofferen Empfindungen dem grobstofflich stärkeren Manne blieben. Genau den Gesetzen der feinstofflichen Welt entsprechend, in der sich alles sofort formend Zartes und Schwaches in weiblichen Formen zeigt, strenges und starkes in männlichen.
Die Frau sollte und könnte also in Wirklichkeit durch ihre wertvolleren geistigen Eigenschaften vollkommener sein als der Mann, wenn sie sich nur bemüht hätte, die ihr gegebenen Empfindungen mehr und mehr harmonisch abzuklären, wodurch sie eine Macht geworden wäre, die umwälzend und hochfördernd in der ganzen grobstofflichen Schöpfung wirken mußte.
Leider aber hat gerade sie in erster Linie versagt, da sie sich zum Spielball der ihr zugeteilten starken Empfindungskräfte hingab, die sie dazu noch trübte und verunreinigte durch Gefühl und Fantasie. Welch tiefer Sinn liegt in der biblischen Erzählung von dem Naschen von dem Baume der Erkenntnis! Wie das Weib, durch die Schlänge dazu angeregt, dem Manne den Apfel reichte. Besser konnte der Vorgang in der Stofflichkeit bildlich gar nicht ausgedrückt werden.
Das Apfelreichen, von dem Weibe ausgehend, war das Sichbewußtwerden des Weibes ihrer Reize dem Manne gegenüber, und das gewollte Benützen derselben. Das Nehmen und Essen des Mannes aber war dessen Reagieren darauf mit dem erwachenden Drange, die Aufmerksamkeit des Weibes nur auf sich zu lenken, indem er begann, sich durch Ansammeln von Schätzen und Aneignung verschiedener Werte begehrenswert zu machen.
Damit begann das Großziehen des Verstandes, mit seinen

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Nebenerscheinungen der Gewinnsucht, Lüge, Unterdrückung, dem sich die Menschen zuletzt völlig unterwarfen und somit sich freiwillig zu Sklaven ihres Werkzeuges machten. Mit dem Verstande aber als Herrscher ketteten sie sich in unvermeidbarer Folge nach dessen eigener Beschaffenheit auch fest an Raum und Zeit, und verloren damit die Fähigkeit, etwas zu erfassen oder zu erleben, was über Raum und Zeit erhaben ist, wie alles Geistige, Feinstoffliche. Das war die vollständige Abtrennung von dem eigentlichen Paradiese und von der feinstofflichen Welt, die sie sich selbst zuzogen; denn unabwendbar war es nun, daß sie alles Geistigfeinstoffliche, das weder Raum noch Zeit kennt, mit ihrem durch den Verstand fest an Raum und Zeit gebundenen und damit eng begrenzten Horizonte ihres Begriffsvermögens nicht mehr „verstehen“ konnten. So wurden für die Verstandesmenschen die Erlebnisse und das Schauen der Empfindungsmenschen, sowie auch die unverstandenen Überlieferungen zu „Märchen“. Die an Zahl immer mehr zunehmenden Materialisten, also die Menschen, die nur noch die grobe, an Raum und Zeit gebundene Materie anzuerkennen fähig sind, lachten zuletzt spöttelnd über die Idealisten, denen durch ihr viel größeres und erweitertes Innenleben der Weg zu der feinstofflichen Welt noch nicht ganz verschlossen war, und schalten sie Träumer, wenn nicht Narren oder sogar Betrüger.
Doch heute stehen wir endlich dicht vor der Stunde, wo der nächste große Abschnitt in der Schöpfung kommt, der unbedingter Aufschwung ist und das bringt, was schon der erste Abschnitt mit der Menschwerdung bringen sollte: Die Geburt des durchgeistigten Vollmenschen!
Des Menschen, der fördernd und veredelnd auf die ganze grobstoffliche Schöpfung wirkt, wie es der eigentliche Zweck der Menschen auf der Erde ist. Dann ist kein Raum mehr für den niederhaltenden, an Raum und Zeit geketteten Materialisten. Ein Fremder wird er sein in allen Landen, heimatlos. Er wird verdorren und vergehen wie Spreu, die sich vom Weizen scheidet. Habt acht, daß Ihr bei dieser Scheidung nicht zu leicht befunden werdet!

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Der Mensch in der Schöpfung

Der Mensch lebte im Anfang nicht nach den bisherigen Begriffen, sondern er war Empfindungsmensch, stand dadurch in engster Fühlung mit der feinstofflichen Welt, lebte also mit in dem sogenannten Jenseits und gleichzeitig auch in dem grobstofflichen Diesseits. Durch diese Fähigkeiten bildete er ein zur Fortentwicklung der ganzen Schöpfung notwendiges Bindeglied.
Weil er das Feinstoffliche des Jenseits und das Grobstoffliche des Diesseits in sich vereinigte, war es ihm möglich, beides zu überschauen, beides gleichzeitig zu erleben. Dazu stand ihm noch ein Werkzeug zur Verfügung, das ihn an die Spitze der gesamten grobstofflichen Schöpfung stellte: Der Verstand. Mit diesem Werkzeuge vermochte er zu lenken, also zu führen.
Verstand ist das höchste Irdische und soll das Steuer sein durch das Erdenleben, während die treibende Kraft die Empfindung ist, die der geistigen Welt entstammt. Der Boden des Verstandes ist also der Körper, der Boden der Empfindung aber ist der Geist.
Der Verstand ist an Raum und Zeit gebunden, wie alles irdische, demnach nur ein Produkt des Gehirnes, das zum grobstofflichen Körper gehört. Der Verstand wird sich niemals raum- und zeitlos betätigen können, trotzdem er an sich feinstofflicher wie der Körper ist, aber doch noch zu dicht und schwer, um sich über Raum und Zeit zu erheben. Er ist also vollkommen erdgebunden.
Die Empfindung aber (nicht das Gefühl) ist raum- und zeitlos, kommt deshalb aus dem Geistigen.
So, ausgerüstet, konnte der Mensch innig verbunden sein mit dem Feinstofflichsten, ja sogar Fühlung haben mit dem Reingeistigen selbst, und doch inmitten alles Irdischen, Grobstofflichen leben und wirken. Der Mensch allein ist in dieser Weise ausgestattet.

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Er allein sollte und konnte die gesunde, frische Verbindung geben als die einzige Brücke zwischen dem feinstofflichen und lichten Höhen, und dem grobstofflichen Irdischen! Durch ihn allein in seiner Eigenart konnte das reine Leben vom Lichtquell herab in das tiefste Grobstoffliche und von diesem wieder hinauf in hinauf in herrlichster, harmonischer Wechselwirkung pulsieren! Er steht verbindend zwischen beiden Welten, so daß durch ihn diese zu einer Welt geschmiedet sind.
Er füllte jedoch diese Aufgabe nicht. Er trennte diese beiden Welten, anstatt sie fest vereinigt zu erhalten. Und das war nun der Sündenfall! –
Der Mensch war durch die soeben erklärte Eigenart tatsächlich zu einer Art Herr der grobstofflichen Welt gestellt worden, weil die grobstoffliche Welt von seiner Mittlerschaft abhängig ist, insoweit, daß sie je nach seiner Art mitzuleiden gezwungen war, oder durch ihn emporgehoben werden konnte, je nachdem die Strömungen vom Licht- und Lebensquell aus rein durch die Menschheit fließen konnte oder nicht.
Der Mensch aber unterband das für die feinstoffliche und für die grobstoffliche Welt notwendige Fließen dieses Wechselstromes. Wie nun ein guter Blutumlauf den Körper frisch und gesund erhält, so ist es mit dein Wechselstrome in der Schöpfung. Ein Unterbinden muß Verwirrung bringen und Erkrankung, die sich zuletzt in Katastrophen löst.
Dieses schlimme Versagen des Menschen konnte geschehen, weil er den Verstand, der nur vom Grobstofflichen kommt, nicht nur als Werkzeug nützte, sondern sich ihm völlig unterwarf, und ihn zum Herrscher setzte über alles. Er machte sich damit zum Sklaven seines Werkzeuges und wurde nur Verstandesmensch, der sich mit Stolz Materialist zu nennen pflegt!
Indem der Mensch sich ganz nun dem Verstande unterwarf, kettete er sich selbst an alles Grobstoffliche. Wie der Verstand nichts über Raum und Zeit hinaus begreifen kann, vermag es selbstverständlich auch nicht der, der sich ihm völlig unterwarf. Sein Horizont, also Begriffsvermögen, verengte sich mit dem begrenzten Vermögen des Verstandes. Die Verbindung mit

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dem Feinstofflichen war damit gelöst, eine Mauer aufgerichtet, die dicht und immer dichter wurde. Da nun der Lebensquell, das Urlicht, Gott, weit über Raum und Zeit erhaben ist, und noch weit über dem Feinstofflichen steht, muß selbstverständlich durch die Bindung des Verstandes jede Fühlung abgeschnitten sein. Aus diesem Grunde ist es dem Materialisten gar nicht möglich, Gott zu erkennen. Das Essen von dem Baume der Erkenntnis war nichts weiter als das Großziehen des Verstandes. Die damit verbundene Trennung von dem Feinstofflichen war auch das Verschließen des Paradieses als natürliche Folge. Die Menschen schlossen sich selbst aus, indem sie sich durch den Verstand ganz dem Grobstofflichen zuneigten. Sich also erniedrigten und freiwillig oder selbstgewählt in Knechtschaft schmiedeten.
Wohin aber führte das? Die rein materialistischen, also erdgebundenen, tiefstehenden Gedanken des Verstandes mit all ihren Nebenerscheinungen der Erwerbs- und Gewinnsucht, Lüge, Raub und Unterdrückung usw. mußten die unerbittliche Wechselwirkung der Gleichart herbeiführen, die sich erst geistig zeigte, und dann von diesem auch in das Grobstoffliche überging, alles dementsprechend formte, die Menschen trieb, und zuletzt über allem sich entladen wird mit … Vernichtung!
Versteht Ihr nun, daß die Ereignisse der letzten Jahre kommen mußten? Daß es noch weiter gehen wird bis zur Vernichtung? Ein Weltgericht, das den bestehenden karmischen Gesetzen entsprechend nicht zu vermeiden ist. Wie bei einem Gewitter, das sich zusammenzieht und zuletzt Entladung und Vernichtung bringen muß. Gleichzeitig aber auch Reinigung!
Der Mensch diente nicht wie notwendig als Bindeglied zwischen den feinstofflichen und den grobstofflichen Teilen der Schöpfung, ließ den stets erfrischenden, belebenden und fördernden notwendigen Wechselstrom nicht hindurch, sondern trennte die Schöpfung in zwei Welten, indem er sich der Bindung entzog und ganz an das Grobstoffliche kettete, somit mußten beide Weltteile nach und nach erkranken. Der Teil, der den Lichtstrom ganz entbehren mußte, oder durch die we-

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nigen Menschen, die noch Verbindung gaben, zu schwach erhielt, natürlich viel schwerer. Das ist der grobstoffliche Teil, der deshalb einer furchtbaren Krisis entgegentreibt und in kurzer Zeit von gewaltigen Fieberschauern durchrüttelt werden wird, bis alles Kranke darin verzehrt ist und unter neuem, starken Zustrome aus dem Urquell endlich gesunden kann.
Wer aber wird dabei verzehrt?
Die Antwort darauf liegt in dem natürlichen Geschehen selbst: Jeder empfundene Gedanke nimmt sofort durch die in ihm lebende schöpferische Kraft eine dem Inhalt des Gedankens entsprechende feinstoffliche Form an, bleibt stets wie durch eine Schnur mit seinem Erzeuger verbunden, wird aber von ihm ab- und hinausgezogen durch die Anziehungskraft der Gleichart in allem Feinstofflichen, und getrieben durch das Weltall mit den dieses dauernd durchpulsenden Strömungen, die wie alles in der Schöpfung eiförmig sich bewegen. So kommt die Zeit, wo die im Feinstofflichen zu Leben und Wirklichkeit gewordenen Gedanken mit den unterwegs angezogenen Gleicharten auf ihren Ursprung und Ausgangspunkt zurückfallen, da sie trotz ihrer Wanderung mit diesem in Verbindung bleiben, um nun dort sich zu entladen, auszulösen.
Die Vernichtung wird also in erster Linie bei der nun zu erwartenden letzten geschlossenen Auswirkung die treffen, die durch ihr Denken und Empfinden Erzeuger und dauernde Ernährer waren, also die Materialisten. Daß die schädigende zurückfallende Gewalt noch größere Kreise zieht, und streifend auch nur annähernde Gleicharten dieser Menschen packt, ist unausbleiblich.
Dann aber werden die Menschen das erfüllen, was sie in der Schöpfung sollen. Sie werden das Bindeglied sein, durch ihre Befähigung aus dem Geistigen schöpfen, also sich von der gereinigten Empfindung leiten lassen, und diese in das Grobstoffliche, also Irdische übertragen, wobei sie den Verstand und die gesammelten Erfahrungen nur als Werkzeug dazu benutzen, um mit allem Irdischen rechnend diese reinen Empfindungen im grobstofflichen Leben durchzusetzen, wodurch die ganze

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grobstoffliche Schöpfung dauernd gefördert, gereinigt und gehoben wird. Dadurch kann auch in der Wechselwirkung Gesünderes zurückfließen von dem Großstofflichen in das Feinstoffliche, und es wird eine neue, einheitliche und harmonische Welt entstehen. Die Menschen werden aber in richtiger Erfüllung ihrer Tätigkeit die ersehnten Voll- und Edelmenschen sein; denn auch sie erhalten durch die rechte Einstellung in das große Schöpfungswerk ganz andere Kräfte als bisher, die ihnen Zufriedenheit und Glückseligkeit dauernd empfinden lassen.

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Erbsünde
Die Erbsünde ging hervor aus dem ersten Sündenfalle.
Die Sünde, also die falsche Handlung, war das Zugroßziehen des Verstandes, die damit verbundene freiwillige Kettung an Raum und Zeit und die dann eintretenden Nebenwirkungen der strikten Verstandesarbeit, wie Gewinnsucht, Übervorteilung, Unterdrückung usw., die viele andere, im Grunde eigentlich alle Übel in Gefolgschaft haben.
Dieser Vorgang hatte natürlich bei den sich entwickelnden reinen Verstandesmenschen nach und nach immer stärkeren Einfluß auf die Bildung des grobstofflichen Körpers. Das den Verstand erzeugende vordere Gehirn wurde durch die andauernden Bemühungen einseitig größer und größer, und es war ganz selbstverständlich, daß bei Zeugungen diese sich verändernden Formen in der Fortpflanzung des irdischen Körpers zum Ausdruck kamen und die Kinder bei den Geburten ein immer mehr entwickelteres, stärkeres Vordergehirn mitbrachten.
Darin lag aber und liegt auch heute noch die Anlage oder Veranlagung zu einer über allen anderen Dingen herrschenden Verstandeskraft, die die Gefahr in sich birgt, bei voller Erweckung den Träger des Gehirnes nicht nur fest an Raum und Zeit zu ketten, also an alles irdisch Grobstoffliche, so daß er unfähig wird, Feinstoffliches und Reingeistiges zu erfassen, sondern ihn auch noch in alles Übel verwickelt, das bei Oberherrschaft des Verstandes unabwendbar bleibt.
Das Mitbringen dieses freiwillig großgezüchteten Vordergehirnes, in dem die Gefahr der reinen Verstandesherrschaft liegt, mit den dann unvermeidlichen üblen Nebenerscheinungen, ist die Erbsünde!
Also die körperliche Vererbung des jetzt durch seine künstlich gesteigerte Entfaltung mit Großgehirn bezeichneten Teiles, wodurch der Mensch bei der Geburt eine Gefahr mitbringt, die ihn sehr leicht in Übel verstricken kann.

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Doch das entzieht ihn nicht etwa einer Verantwortung. Diese bleibt ihm; denn er ererbt nur die Gefahr, nicht die Sünde selbst. Es ist durchaus nicht notwendig, daß er bedingungslos den Verstand herrschen läßt und sich ihm dadurch unterwirft. Er kann im Gegenteile die große Kraft seines Verstandes wie ein scharfes Schwert benutzen und sich in dem irdischen Getriebe damit den Weg freimachen, den ihm seine Empfindung zeigt, die auch die innere Stimme genannt wird.
Wird aber nun bei einem Kinde durch Erziehung und Schulung der Verstand zu absoluter Herrschaft gehoben, so fällt ein Teil der Schuld oder besser der durch das Gesetz der Wechselwirkung erfolgenden Rückwirkung von dem Kinde ab, da dieser Teil den Erzieher oder Lehrer trifft, der solchen verursachte. Er ist von diesem Augenblicke an das Kind gebunden, bis dieses von dem Irrtume und den Folgen desselben befreit ist, und wenn dies Jahrhunderte oder Jahrtausende währen sollte.
Was aber ein derartig erzogenes Kind dann tut, nachdem ihm ernste Gelegenheit zu einer Ein- und Umkehr geboten wurde, trifft es in der Rückwirkung ganz allein. Derartige Gelegenheiten kommen durch gesprochenes oder geschriebenes Wort, durch Erschütterungen im Leben oder ähnliche Vorkommnisse, die einen Augenblick tiefen Empfindens erzwingen.
Sie bleiben nie aus. —
Zwecklos würde es sein, noch weiter darüber zu sprechen, es könnten in allen Streiflichtern nur dauernde Wiederholungen sein, die sich alle in dem einen Punkte treffen müssen. Wer darüber nachdenkt, dem ist bald ein Schleier von den Augen weggezogen, viele Fragen hat er in sich selbst dabei gelöst.

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Gottessohn und Menschensohn

Ein großer Irrtum läuft schon durch Jahrtausende: die Annahme, daß Jesus von Nazareth Gottessohn und auch gleichzeitig der oftgenannte Menschensohn war, ist falsch! In Jesus von Nazareth war ein Stück der Gottheit inkarniert, um die Brücke über die Kluft von der Gottheit zur Menschheit zu schlagen, die die Menschheit selbst gerissen hatte durch das Großziehen des an Raum und Zeit gebundenen Verstandes. Somit war Jesus Gottes Sohn, als ein Stück von ihm, der unter der Menschheit seine Mission erfüllte, was er nur in Fleisch und Blut durchführen konnte. Er blieb auch in der Inkarnierung Gottes Sohn, das ja rein geistiger Natur war, die sich nicht veränderte.
War er aber Gottessohn, so konnte er nicht Menschensohn sein; denn das ist zweierlei. Und er war und ist noch Gottessohn! Wer ist also der Menschensohn ?*)
Den Jüngern fiel es schon auf, daß Jesus in der dritten Person sprach, wenn er von dem Menschensohn redete, und sie befragten ihn darüber. Die Überlieferungen sind von den Schreibern in der eigenen Voraussetzung geschrieben, daß Jesus, der Gottessohn, und der Menschensohn ein und dieselbe Person sein soll. Darauf haben alle ihre Berichte von vornherein eingestellt, und damit ohne es zu wollen oder zu wissen Irrtümer verbreitet.
Wenn Jesus von dem Menschensohn sprach, so sprach er vorausschonend von dessen Kommen. Er kündete es selbst an, da das Kommen des Menschensohnes mit dem Wirken des Gottessohnes in engstem Zusammenhange steht. Er sprach: „Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird …“ usw. Es ist ein Kreislauf, wie überall in der Schöpfung. Die Gottheit kam durch Jesus herab zur Menschheit, um die Wahrheit zu bringen auszusäen. Die Saat ging auf, die Früchte reifen

*) Vortrag: Menschensohn.

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der Ernte entgegen, und nun soll die Menschheit im Kreislaufe durch die von dem Gottessohne gebrachte Wahrheit reif hinaufschäumen zur Gottheit in des Menschen Sohn, und sich durch diesen wieder mit Gott eng verbinden.
Das ist nicht nur rein symbolisch gedacht, wie so viele wähnen, sondern das Wort wird sich buchstäblich erfüllen durch eine Person, wie es auch bei Jesus war. Zwischen den beiden Personen Jesus, dem Gottessohne, und dem Menschensohne liegt das gewaltige Menschheitskarma.
Jesus ging zum Osterfeste nach Jerusalem, wo viele Völker der Erde vertreten waren. Die Menschen schickten Boten aus nach Gethsemane, um Jesus zu holen. Das war die Zeit, da die Menschen haßerfüllt, mit irdischer Roheit durch ihre Boten den Gottgesandten suchen ließen. Nun achtet auf den Augenblick, da er aus dem Garten trat, sie mit Waffen und Fackeln vor ihm standen, mit Gedanken der Vernichtung.
Als der Gottessohn die Worte sprach: „Ich bin’s!“ und sich damit der Menschheit auslieferte, setzte das gewaltige Karma ein, das die Menschheit auf sich lud. Von dem Augenblicke an lastete es auf der Menschheit, diese nach den unerbittlichen Gesetzen des Weltalls tiefer und tiefer zur Erde zwingend, bis die Endauflösung naht. Wir stehen dicht davor!
Es wird sich schließen wie ein eiförmiger Kreis. Die Auslösung kommt durch des Menschen Sohn! Wenn die Menschen durch schwere Ereignisse verzagt, verzweifelt und zermürbt sein werden, klein, ganz klein, dann ist die Stunde da, in der sie sich nach dem verheißenen Gottgesandten sehnen und ihn suchen werden! Und wenn sie wissen, wo er ist, werden von ihnen wie einst Boten ausgeschickt. Doch nicht Gedanken der Vernichtung und des Hasses tragen diese dann in sich, sondern in ihnen kommt die Menschheit diesmal zermürbt, demütig, bittend und vertrauensvoll zu dem, der von dem höchsten Lenker aller Welten ausersehen ist, sie von dem Bann zu lösen, der ihnen Hilfe und Befreiung bringt aus geistiger, wie auch aus irdischer Not.
Auch diese Boten werden fragen. Und wie der Gottessohn

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einst in Gethsemane die Worte sprach: „Ich bin’s!“, wodurch das Menschheitskarma seinen Anfang nahm, so wird diesmal der Gottgesandte mit denselben Worten antworten: „Ich bin’s!“, und damit löst sich dann das schwere Menschheitskarma. Die gleichen Worte, die die Schuld auf die damals haßerfüllte Menschheit wälzte, werden sie von der nun wieder mit derselben Frage, bangend und doch vertrauend und bittend kommenden Menschheit nehmen.
Gewaltig ist der Kreislauf dieses Karmas und doch so sicher und genau geführt, daß sich darin die Prophezeihungen erfüllen. Und von der Stunde an, da dieses Wort das zweite Mal durch einen Gottesgesandten der Menschheit gegenüber ausgesprochen wird, geht es aufwärts. Erst dann setzt nach des Höchsten Willen das Reich des Friedens ein, nicht bevor!
Ihr seht auf einer Seite die Boten der hassenden Menschheit sich dem Gottessohne nahen, ihn binden und mißhandeln, scheinbar triumphierend über ihn. Dann folgt darauf der damit selbst herbeigeführte dauernde Niedergang in unausbleiblicher Wechselwirkung. Dabei aber auch gleichzeitig das Erstarken und Reifen einer von Jesus ausgestreuten Saat. Nun naht der von Jesus selbst angekündigte Menschensohn, als Gottgesandter, der im Dienste des Gottessohnes dessen Werk fortführt und vollendet, die Ernte bringt und dabei nach göttlicher Gerechtigkeit Spreu von dem Weizen scheidet.
Jesus, der Gottessohn, kam aus Liebe unter die Menschen, um die Verbindung wieder herzustellen, die die Menschheit zerrissen hatte. Der Menschensohn ist der Mensch, der in Gott ist, und die Verbindung in dem Kreislaufe schließt, so daß die reine Harmonie wieder durch die ganze Schöpfung fließen kann.

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Gott

Warum gehen die Menschen so scheu um dieses Wort herum, das ihnen doch vertrauter sein sollte als alles andere? Was ist es, das sie davon abhält, tief darüber nachzudenken, sich hineinzufühlen, um es richtig zu erfassen?
Ist es Ehrfurcht? Nein. Ist dieses sonderbare „Sichnicht-getrauen“ überhaupt etwas Großes, Anerkennenswertes oder Tiefes? Nimmermehr; denn überlegt Euch doch: Ihr betet zu Gott, und könnt Euch bei dem Gebet nicht einmal eine rechte Vorstellung von dem machen, zu dem Ihr betet, seid im Gegenteil verwirrt, weil Euch darüber niemals, weder von der Schule noch der Kirche klare Auskunft wurde, die Eueren inneren Drang nach Wahrheit stillte. Die wirkliche Dreifaltigkeit blieb Euch im Grunde noch ein Rätsel, mit dem Ihr Euch zuletzt nach besten Kräften abzufinden suchtet. Kann unter diesen Umständen das Gebet so innig, so vertrauensvoll erfolgen, wie es sein soll? Es ist unmöglich. Wenn Ihr aber Eueren Gott kennt, er Euch dadurch vertrauter wird, ist das Gebet dann nicht von tieferen Empfindungen begleitet, viel direkter, inniger?
Und näher kommen sollt und müßt Ihr Euerem Gott! Ihr dürft nicht nur von ferne stehen bleiben. Wie töricht ist es doch, zu sagen, es könne Unrecht sein, wenn man sich so ausführlich mit Gott befaßt. Die Trägheit und Bequemlichkeit behauptet sogar, es sei Frevel! Ich aber sage Euch: Gott will es! Die Bedingung der Annäherung liegt in der ganzen Schöpfung. Deshalb hat der nicht Demut, der sich davon drückt, sondern im Gegenteile grenzenlose Anmaßung! Verlangt er doch damit, daß Gott sich ihm nähere, damit er ihn erfassen kann, anstatt daß er sich Gott zu nähern versucht, um ihn zu erkennen. Heuchelei, Bequemlichkeit, wohin man blickt, wohin man hört, und alles in dem Mantel falscher Demut!
Ihr aber, die Ihr nicht mehr schlafen wollt, die Ihr mit Inbrunst sucht und nach der Wahrheit strebt, nehmt auf die Kunde, sucht das Rechte zu erfassen:

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Was ist Dein Gott? Du weißt, er sprach: „Ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst nicht andere Götter haben neben mir!“ Es gibt nur einen Gott, nur eine Kraft. Was ist aber nun die der Dreifaltigkeit? Dreieinigkeit? Gottvater, Gottsohn und Gott, die Heilige Geist?
Als sich die Menschheit selbst das Paradies verschloß, indem sie sich nicht mehr von der Empfindung leiten ließ, die rein geistig ist und demnach Gott nahesteht, sondern selbstwählerisch sich irdischen Verstand großzog und sich ihm unterwarf, sich somit also zu dem Sklaven seines eigenen Werkzeuges machte, das ihm zur Benutzung mitgegeben war, entfernte sie sich ganz naturgemäß auch mehr und mehr von Gott. Die Spaltung war damit vollzogen, indem die Menschheit sich vorwiegend nur dem Irdischen zuneigte, das unbedingt an Raum und Zeit gebunden ist, was Gott in seiner Wesenheit nicht kennt, womit er deshalb auch nie zu erfassen ist. Mit jeder Generation wurde die Kluft größer, die Menschen ketteten sich immer mehr nur an die Erde. Sie wurden zu den erdgebundenen Verstandesmenschen, die sich Materialisten nennen, sogar mit Stolz so nennen, weil sie ihre Ketten gar nicht ahnen, da mit dem fest an Raum und Zeit Gebundensein auch gleichzeitig naturgemäß ihr Horizont verengte. Wie sollte davon aus der Weg zu Gott zurückgefunden werden? Nie!
Es war unmöglich, wenn die Hilfe nicht von Gott ausging. Von ihm aus mußte deshalb eine Brücke neu geschlagen werden, wenn geholfen werden sollte. Und er erbarmte sich. Gott selbst in seiner Reinheit konnte sich den niederen Verstandesmenschen nicht mehr offenbaren, weil diese durch ihre Verstandesarbeit nicht mehr fähig waren, seine Boten zu fühlen, sehen oder zu hören, und die wenigen, die es noch vermochten, wurden verlacht, weil der verengte, nur an Raum und Zeit gebundene Horizont der Materialisten jeden Gedanken an eine darüber hinaus bestehende Erweiterung als unmöglich, weil für ihn nicht begreifbar, ablehnte. Deshalb genügten auch die Propheten nicht mehr, deren Kraft nicht durchzudringen vermochte, weil zuletzt auch sogar die Grundgedanken aller reli-

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giösen Bestrebungen rein materialistisch geworden waren. Es mußte also ein Mittler kommen zwischen der Gottheit und der verirrten Menschheit, der mehr Kraft besaß, als bisher alle anderen, damit er durchzudringen vermochte. Soll man sagen: Um der Wenigen willen, die unter dem krassesten Materialismus noch nach Gott verlangten? Es wäre richtig, würde aber von Gegnern lieber als Anmaßung der Gläubigen bezeichnet werden, anstatt darin die gewaltige Gottesliebe und doch auch strenge Gerechtigkeit zu erkennen, die in Lohn und Strafe gleichmäßig Erlösung bietet.
Der Mittler aber, der die Kraft besaß, in dem Wirrwarr durchzudringen, mußte selbst göttlich sein, da das Niedere schon so weit um sich gegriffen hatte, daß auch die Propheten als Boten versagten. Deshalb trennte Gott in seiner Liebe durch einen Willensakt ein Stück von sich selbst ab und inkarnierte es in Fleisch und Blut, in einen Menschenkörper männlichen Geschlechtes: Jesus von Nazareth, als nunmehr fleischgewordenes Wort, fleischgewordene Gottesliebe, Gottes Sohn!
Das so abgetrennte und trotzdem geistig eng verbunden bleibende Stück war dadurch persönlich geworden. Es blieb auch nach Ablegung des irdischen Körpers bei engster Wiedervereinigung mit Gottvater weiterhin persönlich durch seine Menschwerdung.
Gottvater und Gottsohn sind also zwei und in Wirklichkeit nur eins! Und der „Heilige Geist?“ Christus selbst sagte von ihm, daß wohl Sünden gegen Gottvater und Gottsohn vergeben werden könnten, nie aber die Sünden gegen den „Heiligen Geist!“
Ist der „Heilige Geist“ nun höher oder mehr als Gottvater und Gottsohn? Diese Frage hat schon so manches Gemüt bedrückt und beschäftigt, so manches Kind verwirrt gemacht.
Der „Heilige Geist“ ist Geist vom Vater, der abgetrennt von ihm gesondert in der ganzen Schöpfung wirkt, und der wie auch der Sohn trotzdem noch eng mit ihm verbunden, eins mit ihm geblieben ist. Die ehernen Gesetze in der Schöpfung, die gleich Nervensträngen durch das ganze Weltall gehen und die

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unbedingte Wechselwirkung bringen, des Menschen Schicksal, oder sein Karma, ist… der „Heilige Geist!“*)
Deshalb sagte der Heiland, daß niemand sich ungestraft gegen den Heiligen Geist zu versündigen vermag, weil in der unerbittlichen und unverrückbaren Wechselwirkung die Vergeltung auf den Urheber zurückkommt, auf den Ausgangspunkt, sei es nun Gutes oder Böses. Und wie Gottsohn vom Vater ist, so ist auch der Heilige Geist von ihm, schon während der Schöpfung in diese als ein Stück von ihm eingewoben. Beide also Teile von ihm selbst, ganz zu ihm gehörend, untrennbar, da sonst ein Stück zu ihm fehlen würde. Wie die Arme eines Körpers, die selbständige Handlungen vornehmen und doch zu ihm gehören, wenn der Körper ganz sein soll; und die auch nur selbständige Handlungen vornehmen können in Verbindung mit dem Ganzen, also unbedingt eins mit ihm sind.
So ist Gottvater in seiner Allmacht und Weisheit, zur Rechten als ein Stück von ihm Gottsohn, die Liebe, und zur Linken, Gott der Heilige Geist, die Gerechtigkeit. Beide von Gottvater ausgegangen und als einheitlich dazu gehörend. Das ist die Dreifaltigkeit des einen Gottes.
Vor der Schöpfung war Gott eins! Während der Schöpfung gab er einen Teil seines Willens als in der Schöpfung selbständig wirkend von sich ab und wurde dadurch zweifältig. Als es sich nötig machte, der verirrten Menschheit einen Mittler zu geben, weil die Reinheit Gottes keine direkte Verbindung mit der sich selbst geketteten Menschheit zuließ ohne Menschwerdung, spaltete er dazu aus Liebe ein Stück von sich selbst zur vorübergehenden Menschwerdung ab, um sich der Menschheit wieder verständlich machen zu können, und wurde mit der Geburt Christi dreifältig!
Was Gottvater und Gottsohn ist, war schon vielen klar, aber der „Heilige Geist“ verblieb ein verworrener Begriff. Er ist die ausübende Gerechtigkeit, die ewigen, unverrückbaren und unbestechlichen Gesetze, die das Weltall durchpulsen und bisher habe nur ahnend genannt wurden: Schicksal! … Karma! Der göttliche Wille !

*) Vortrag: Schöpfungsentwicklung

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Die innere Stimme
Die sogenannte „innere Stimme“, das Geistige im Menschen, auf das er hören kann, ist die Empfindung!
Nicht umsonst sagt der Volksmund: „Der erste Eindruck ist immer der rechte.“ Wie in allen diesen und ähnlichen Redensarten und Sprüchen tiefe Wahrheit liegt, so auch hier. Unter Eindruck versteht man durchweg das Empfinden. Was ein Mensch zum Beispiel bei einer ersten Begegnung mit einem ihm bisher Fremden empfindet, ist entweder eine Art Warnung zur Vorsicht bis zum vollständigen Abgestoßensein, oder etwas Angenehmes bis zur vollen Sympathie, in manchen Fällen auch Gleichgültigkeit. Wenn nun dieser Eindruck im Laufe des Gespräches und des weiteren Verkehres durch das Urteil des Verstandes verschoben oder ganz verwischt wird, so daß der Gedanke auftaucht, die ursprüngliche Empfindung sei falsch gewesen, so ergibt sich fast immer am Schlusse solcher Bekanntschaften die Richtigkeit der allerersten Empfindung. Oft zum herben Schmerze derer, die sich durch den Verstand infolge des von anderen vorgetäuschten Wesens hatten irreführen lassen.
Die Empfindung, die nicht an Raum und Zeit gebunden ist und mit dem Gleichartigen in Verbindung steht, dem Geistigen, Ewigen, erkannte in dem anderen sofort die rechte Art, ließ sich nicht täuschen durch die Gewandtheit des Verstandes.
Irrung ist bei der Empfindung völlig ausgeschlossen.
So oft es vorkommt, daß Menschen irregeführt werden, sind es zwei Gründe, die die Irrungen herbeiführen: entweder der Verstand oder das Gefühl!
Wie oft hört man auch sagen: „Bei dieser oder jener Sache habe ich mich einmal von meinem Gefühle leiten lassen, und bin hineingefallen. Man soll doch nur auf den Verstand bauen!“
Solche begingen den Fehler, das Gefühl für die innere Stimme
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zu halten. Sie predigen dem Verstande ein Lob und ahnen nicht, daß gerade dieser bei dem Gefühle eine große Rolle spielt.
Darum wachet! Gefühl ist nicht Empfindung! Gefühl geht von dem grobstofflichen Körper aus. Dieser erzeugt Triebe, welche vom Verstand gelenkt Gefühl entstehen lassen. Ein großer Unterschied mit der Empfindung. Die gemeinsame Arbeit des Gefühles und Verstandes aber gebiert die Phantasie.
Wir haben also auf der geistigen Seite nur die über Raum und Zeit erhabene Empfindung. Auf der irdischen Seite in erster Linie den an Raum und Zeit gebundenen grobstofflichen Körper. Von diesem Körper nun gehen Triebe aus, die sich durch Mitarbeit des Verstandes in Gefühl auslösen.
Der Verstand, ein Produkt des an Raum und Zeit gebundenen Gehirnes, vermag nun wieder als feinstes und höchstes der Materie unter Mitwirkung des Gefühles die Phantasie zu erzeugen. Phantasie ist also das Ergebnis der Zusammenarbeit des Gefühles mit dem Verstande. Sie ist feinstofflich, aber ohne geistige, also göttliche Kraft. Deshalb vermag die Phantasie nur rückwirkend zu sein. Sie vermag immer nur das Gefühl des eigenen Erzeugers zu beeinflussen, niemals aus sich heraus eine Kraftquelle auf andere zu senden. Sie wirkt also nur rückwärts auf das Gefühl dessen, dessen Phantasie sie ist, kann nur zu eigener Begeisterung entflammen, nie auf die Umgebung wir-ken. Damit ist der Stempel der niederen Stufe deutlich erkennbar. Anders mit der Empfindung. Diese trägt geistige Kraft in sich, schöpferische und belebende, und wirkt damit ausströmend auf andere, diese mitreißend und überzeugend.
Wir haben also auf der einen Seite die Empfindung, auf der anderen Seite Körper-Triebe-Verstand-Gefühl-Phantasie.
Die Empfindung ist reingeistig, steht über Raum und Zeit.
Das Gefühl ist feinstofflich, aber von den Trieben und dem Verstande abhängig, also auf niederer Stufe.
Trotz dieser Feinstofflichkeit des Gefühles kann aber eine Vermischung mit der geistigen Empfindung nie erfolgen, also auch keinerlei Trübung der Empfindung. Die Empfindung wird immer rein und klar bleiben, weil sie geistig ist. Sie wird auch

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immer von den Menschen klar empfunden oder „gehört“, wenn … es wirklich die Empfindung ist, die spricht! Die größte Zahl der Menschen haben sich aber von dieser Empfindung abgeschlossen, indem sie das Gefühl vorlagerten wie eine dichte Hülle, eine Wand, und halten dann irrtümlich das Gefühl für ihre innere Stimme, wodurch sie viel Enttäuschungen erleben und sich dann um so mehr nur auf den Verstand verlassen, nicht ahnend, daß sie gerade durch die Mitwirkung des Verstandes getäuscht werden konnten. Aus diesem Irrtume heraus verwerfen sie vorschnell alles Geistige, mit dem ihre Erfahrungen absolut nichts zu tun hatten, und schließen sich noch mehr an das Minderwertige an.
Das Grundübel ist wie in vielem anderen auch hierbei immer wieder die freiwillige Unterwerfung dieser Menschen unter den an Raum und Zeit gebundenen Verstand!
Der Mensch, der sich seinem Verstande völlig unterwirft, unterwirft sich damit auch vollkommen den Beschränkungen des Verstandes, der als Produkt des grobstofflichen Gehirnes fest an Raum und Zeit gebunden ist. Somit kettet sich der Mensch dann ganz nur an das Grobstoffliche.
Alles, was der Mensch tut, geschieht von seiner Seite aus und freiwillig. So wird er nicht etwa gekettet, sondern er kettet sich selbst! Er läßt sich vom Verstand beherrschen (denn wenn er nicht selbst wollte, so könnte es nie geschehen), der ihn nach seiner Eigenart auch mit an Raum und Zeit bindet, ihn Raum- und Zeitloses nicht mehr erkennen läßt, nicht mehr verstehen. Deshalb legt sich dabei über die raum- und zeitlose Empfindung durch das beengte Begriffsvermögen eine fest an Raum und Zeit gebundene Hülle, eine Grenze, und der Mensch vermag dadurch entweder gar nichts mehr zu hören, seine reine, innere Stimme“ ist verhallt, oder er ist nur noch fähig, das mit dem Verstand zusammenhängende Gefühl zu „hören“ an Stelle der Empfindung.
Es erzeugt einen falschen Begriff, zu sagen: Das Gefühl unterdrückt die reine Empfindung; denn nichts ist stärker als die Empfindung, sie ist die höchste Kraft des Menschen, kann
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nie von etwas anderem unterdrückt oder nur beeinträchtigt werden. Richtiger ist zu sagen: Der Mensch macht sich unfähig dazu, die Empfindung zu erkennen.
Das Versagen liegt immer nur an dem Menschen selbst, nie an Stärke oder Schwäche einzelner Gaben; denn gerade die Grundgabe, die eigentliche Kraft, das Stärkste von allem im Menschen, das alles Leben in sich trägt und unsterblich ist, ist einem jeden Einzelnen gleich gegeben!Damit hat niemand dem anderen etwas voraus. Alle Unterschiede liegen lediglich an der Verwendung!
Auch kann diese Grundgabe der unsterbliche Funke, nie getrübt oder beschmutzt werden! Rein bleibt er auch im größten Schlamme. Nur die Hülle müßt Ihr sprengen, die Ihr Euch selbst durch die freiwillige Begrenzung des Begriffsvermögens auferlegtet. Dann wird er ohne Übergang ebenso rein und klar emporlodern, wie er im Anfang war, sich frisch und stark entfalten und mit dem Licht, dem Geistigen, verbinden! Freut Euch dieses Schatzes, der unantastbar in Euch liegt! Gleichviel, ob Ihr von Eueren Nebenmenschen als wertvoll angesehen werdet oder nicht! Ein jeder Schmutz kann abgeworfen werden, der sich wie ein Damm um diesen Geistesfunken angesammelt hat, durch ehrlich gutes Wollen. Habt Ihr die Arbeit dann getan und den Schatz wieder freigelegt, so seid Ihr ebensoviel wert wie jeder, der ihn nie vergrub!
Doch wehe, wer sich dauernd aus Bequemlichkeit dem Wollen zu dem Guten streng verschließt! Ihm wird zur Stunde des Gerichtes dieser Schatz genommen, und er hört damit auf zu sein.
Deshalb wacht auf, die Ihr Euch abgeschlossen haltet, die Ihr die Decke des Verstandes über Euere Empfindung legtet d mit der Begrenzung des Begriffsvermögens! Habt acht und höret auf die Rufe, die Euch treffen! Sei es nun ein gewaltiger Schmerz, starke seelische Erschütterung, großes Leid, oder hohe, reine Freude, das die verdunkelnde Decke niederen Gefühles zu sprengen vermag, laßt nichts derartiges nutzlos an Euch vorübergehen. Es sind Hilfen, die Euch den Weg zeigen!

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Besser ist es, wenn Ihr nicht erst darauf wartet, sondern mit ernstem Wollen zu allem Guten und zum geistigen Aufstieg einsetzt. Dadurch wird die trennende Schicht bald wieder dünner und leichter werden, bis sie zuletzt zerflattert und der noch immer reine, unbefleckte Funke zu lodernder Flamme emporbricht. Doch dieser erste Schritt kann und muß nur von dem Menschen selbst ausgehen, sonst ist ihm nicht zu helfen.
Dabei müßt Ihr streng unterscheiden zwischen Wünschen und dem Wollen. Mit dem Wünschen ist noch nichts getan, es reicht zu keinem Fortschritt aus. Das Wollen muß es sein, hie das auch die Tat bedingt, diese schon in sich trägt. Mit dem ernsten Wollen setzt die Tat schon ein.
Wenn auch so mancher dabei viele Nebenwege gehen muß, weil er sich bisher nur an den Verstand gebunden hatte, so scheue er doch nicht davor zurück. Auch er gewinnt! Für ihn gilt es, seinen Verstand zu klären, in dem einzelnen Durchleben aller Nebenwege langsam alles Hemmende abzuschälen und zu lösen.
Deshalb unverzagt voran. Mit ernstem Wollen führt zuletzt ein jeder Weg zum Ziele!
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Die Religion der Liebe
Die Religion der Liebe ist falsch erfaßt durch vielseitige Verzerrungen und Entstellungen des Begriffes Liebe; denn der wahren Liebe größter Teil ist Strenge! Das, was jetzt Liebe genannt wird, ist alles andere mehr als Liebe. Wenn allen sogenannten Lieben unerbittlich auf den Grund gegangen wird, so bleibt dort weiter nichts als Selbstsucht, Eitelkeit, Schwachheit, Bequemlichkeit, Einbildung oder Triebe.
Wahrhafte Liebe wird nicht darauf sehen, was dem anderen gefällt, was diesem angenehm ist und Freude bereitet, sondern sie wird sich nur darnach richten, was dem anderen nützt!
Gleichviel, ob es dem anderen Freude bereitet oder nicht. Das ist wahres Lieben und Dienen.
Wenn also geschrieben steht: „Liebet Euere Feinde!“ So heißt das: „Tut das, was ihnen nützt! Züchtigt sie also auch, wenn sie nicht anders zur Erkenntnis kommen können!“ Das ist ihnen dienen. Nur muß Gerechtigkeit dabei walten; denn Liebe läßt sich von Gerechtigkeit nicht trennen, sie sind eins! Unangebrachte Nachgiebigkeit hieße die Fehler der Feinde noch größer ziehen und sie dadurch weiter auf abschüssige Bahn gleiten lassen. Wäre das Liebe? Man würde sich im Gegenteil damit eine Schuld aufbürden!
Die Religion der Liebe ist nur aus ausgesprochenen Wünschen der Menschen heraus zu einer Religion der Schlaffheit gemacht worden, wie auch die Person des Wahrheitsbringers Christus Jesus zu einer Weichlichkeit und Nachgiebigkeit herabgezerrt wurde, die er nie besaß. Er war gerade durch Allliebe herb und ernst unter den Verstandesmenschen. Seine Traurigkeit, die ihn oft befiel, war im Hinblick auf seine hohe Mission und dem dieser gegenüberstehenden Menschheitsmateriale nur selbstverständlich. Sie hatte mit Weichheit absolut nichts zu tun.
Die Religion der Liebe wird nach Ablegung aller Entstellungen und dogmatischen Beengungen eine Lehre strengster Konsequenz sein, in der keine Schwachheit und unlogische Nachgiebigkeit zu finden ist.

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Der Erlöser
Der Heiland am Kreuze! Zu Tausenden sind diese Kreuze aufgestellt, als Wahrzeichen dafür, daß Christus um der Menschheit willen litt und starb. Sie rufen den Gläubigen von allen Seiten zu: „Denket daran!“ Auf einsamer Flur, in den belebten Großstadtstraßen, in stiller Kammer, in den Kirchen, an Gräbern und zu Hochzeitsfeiern, überall dient es zum Trost, zur Stärkung und zur Mahnung. Denket daran! Um Euerer Sünden willen ist es geschehen, daß der Gottessohn, der Euch das Heil zur Erde brachte, an dem Kreuze litt und starb.
Mit innigem Erschauern tritt der Gläubige herzu, in tiefer Ehrfurcht und voll Dankbarkeit. Mit Frohgefühl verläßt er dann die Stätte in dem Bewußtsein, durch den Opfertod auch seiner Sünden ledig geworden zu sein.
Du ernsthaft Suchender jedoch, geh‘ hin, tritt vor das Wahrzeichen heiligen Ernstes und bemühe Dich, Deinen Erlöser zu verstehen! Wirf ab den weichen Mantel der Bequemlichkeit, der Dich so angenehm erwärmt und Wohlgefühl behaglichen Geborgenseins erzeugt, das Dich hindämmern läßt bis zu der letzten Erdenstunde, wo Du dann jäh aus Deinem Halbschlummer gerissen wirst, Dich loslöst von der irdischen Befangenheit und plötzlich ungetrübter Wahrheit gegenüberstehst. Dann ist Dein Traum schnell ausgeträumt, an den Du Dich geklammert hast, mit dem Du Dich in Tatenlosigkeit versenktest.
Deshalb erwache, Deine Erdenzeit ist kostbar! Um unserer Sünden willen kam der Heiland, das ist unantastbar und buchstäblich richtig. Auch daß er um der Schuld der Menschheit willen starb.
Doch dadurch werden Deine Sünden nicht von Dir genommen! Das Erlösungswerk des Heilands war, den Kampf mit dem Dunkel aufzunehmen, um der Menschheit Licht zu bringen, ihr den Weg zu öffnen zur Vergebung aller Sünden. Wandern muß ein jeder diesen Weg allein, nach des Schöpfers un-
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umstößlichen Gesetzen. Auch Christus kam nicht, die Gesetze umzustoßen, sondern zu erfüllen. Verkenne doch nicht den, der Dir Dein bester Freund sein soll. Nimm für die wahren Worte nicht irrtümlichen Sinn.
Wenn es ganz richtig heißt: Um der Menschenheit Sünden willen geschah dies alles, so ist damit gesagt, daß Jesu Kommen nur deshalb notwendig wurde, weil sich die Menschheit nicht mehr allein aus dem selbstgeschaffenen Dunkel herauszufinden und von dessen Klammern zu befreien vermochte. Christus mußte diesen Weg neu bahnen und ihn der Menschheit zeigen. Hätte sich diese nicht so tief in ihre Sünden verstrickt, das heißt, wäre die Menschheit nicht den falschen Weg gegangen, so würde das Kommen Jesu nicht notwendig geworden sein, ihm wäre der Kampf- und Leidensweg erspart geblieben. Deshalb ist es ganz richtig, daß er nur um der Sünden der Menschheit willen kommen mußte, wenn diese nicht auf dem falschen Wege ganz in den Abgrund, in das Dunkel gleiten sollte.
Das sagt aber nicht, daß damit jedem Einzelmenschen im Handumdrehen auch seine persönliche Schuld quittiert werden soll, sobald er nur wirklich an die Worte Jesu glaubt und danach lebt. Lebt er aber nach den Worten Jesu, so werden ihm seine Sünden vergeben werden. Allerdings erst nach und nach zu einer Zeit, sobald die Auslösung durch die Gegenarbeit des guten Wollens nach den Worten Jesu in der Wechselwirkung erfolgt. Nicht anders. Zum Unterschiede dafür ist bei denen, die nicht nach den Worten Jesu leben, eine Vergebung überhaupt nicht möglich.
Das besagt nun aber nicht, daß nur Angehörige der christlichen Kirche Vergebung der Sünden erlangen können.
Jesus verkündete die Wahrheit. Seine Worte müssen deshalb auch alle Wahrheiten anderer Religionen mitenthalten. Er wollte nicht eine Kirche gründen, sondern der Menschheit den wahren Weg zeigen, der ebensogut auch durch die Wahrheiten anderer Religionen führen kann. Deshalb finden sich in seinen Worten auch so viele Anklänge an damals schon bestehende Religionen. Jesus hat diese nicht daraus entnommen, sondern,
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da er die Wahrheit brachte, mußte sich darin auch alles das wiederfinden, was in anderen Religionen schon von Wahrheit vorhanden war.
Auch wer die Worte Jesu selbst nicht kennt und ernsthaft nach der Wahrheit und Veredelung strebt, lebt oft schon ganz im Sinne dieser Worte und geht deshalb mit Sicherheit auch einem reinen Glauben und der Vergebung seiner Sünden zu. Hüte Dich deshalb vor einseitiger Anschauung. Es ist Entwertung des Erlöserwerkes, Herabzerrung des göttlichen Geistes.
Wer ernsthaft nach der Wahrheit, nach der Reinheit strebt, dem fehlt auch nicht die Liebe. Er wird, wenn auch manchmal durch harte Zweifel und Kämpfe, geistig von Stufe zu Stufe emporgeführt und, gleichviel, welcher Religion er angehört, schon hier oder auch erst in der feinstofflichen Welt dem Christusgeiste begegnen, der ihn dann letzten Endes weiterführt bis zu dem Vater, worin sich auch das Wort erfüllt: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“.
Das „letzte Ende“ beginnt aber nicht mit den letzten irdischen Stunden, sondern auf einer gewissen Stufe in der Entwicklung des geistigen Menschen, für den das Hinübergehen aus der grobstofflichen in die feinstoffliche Welt nur eine Wandlung bedeutet.
Nun zu dem Geschehen des großen Erlösungswerkes selbst: Die Menschheit irrte in geistiger Dunkelheit. Sie hatte sich diese selbst geschaffen, indem sie sich mehr und mehr nur dem Verstande unterwarf, den sie erst mühsam großgezogen hatte. Damit zogen sie auch die Grenzen des Begriffsvermögens immer enger, bis sie gleich dem Gehirn bedingungslos an Raum und Zeit gebunden waren und den Weg zu Göttlichem, Unendlichem und Ewigem nicht mehr erfassen konnten. So wurden sie ganz erdgebunden, beschränkt auf Raum und Zeit. Jede Verbindung mit dem Licht, dem Reinen, Geistigen war damit abgeschnitten. Das Wollen der Menschen vermochte sich nur noch auf Irdisches zu richten bis auf wenige, die als Propheten nicht die Macht besaßen, durchzudringen, freie Bahn zu schaffen zu dem Licht.
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Durch diesen Zustand waren dem Übel alle Tore geöffnet. Geistiges Dunkel quoll herauf und strömte unheilbringend über die Erde. Das konnte nur ein Ende bringen: Geistigen Tod.
Das Furchtbarste, das den Menschen treffen kann.
Die Schuld an allem diesen Elend aber trugen die Menschen selbst! Sie hatten es herbeigeführt, da sie freiwillig diese Richtung wählten. Sie hatten es gewollt und großgezogen, waren sogar noch stolz auf die Errungenschaft in ihrer maßlosen Verblendung, ohne in der sich mühevoll selbst aufgezwungenen Beschränktheit des Begreifens die Furchtbarkeit der Folgen zu erkennen. Von dieser Menschheit aus war kein Weg zu dem Licht zu schaffen. Die freiwillige Einengung war schon zu groß.
Wenn Rettung überhaupt noch möglich werden sollte, mußte von dem Licht aus Hilfe kommen. Sonst war der Untergang der Menschheit in das Dunkel nicht mehr aufzuhalten.
Das Dunkel selbst hat durch die Unreinheit eine größere Dichtheit, die geistige Schwere mit sich bringt. Wegen dieser Schwere vermag es von sich aus nur bis zu einer bestimmten Gewichtsgrenze emporzudringen, wenn ihm nicht von anderer Seite her eine Anziehungskraft zu Hilfe kommt. Das Licht aber besitzt eine seiner Reinheit entsprechende Leichtheit, die es ihm unmöglich macht, sich bis zu diesem Dunkel hinabzusenken.
Es ist dadurch zwischen beiden Teilen eine unüberbrückbare Kluft, in der der Mensch mit seiner Erde steht!
In der Menschen Hand nun liegt es, je nach Art ihres Wollens und Wünschens dem Lichte oder dem Dunkel entgegenzukommen, die Tore zu öffnen und die Wege zu ebnen, damit entweder das Licht oder das Dunkel die Erde überflutet. Sie selbst bilden dabei das Postament, durch dessen Wollenskraft Licht oder Dunkel festen Halt bekommt und von da aus mehr oder weniger kraftvoll wirken kann. Je mehr das Licht oder das Dunkel dadurch auf Erden Macht gewinnt, desto mehr überschüttet es die Menschheit mit dem, was es zu geben hat, mit Gutem oder Bösem, Heil oder Unheil, Glück oder Unglück , Paradiesesfrieden oder Höllenqual.
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Der Menschen reines Wollen war zu schwach geworden, um in dem schon überhand genommenen schweren, alles erstickenden Dunkel auf Erden dem Lichte einen Punkt zu bieten, an dem es sich halten konnte, mit dem es sich zu verbinden vermochte, derart, daß es in ungetrübter Reinheit und dadurch ungeschmälerter Kraft das Dunkel spaltete und die Menschheit erlöste, die sich dann an der dadurch angeschlagenen Quelle Kraft holen und den Weg aufwärts finden konnte zu den lichten Höhen.
Dem Lichte selbst aber war es nicht möglich, sich so weit herabzusenken in den Schmutz, ohne daß ein starker Halt dazu geboten wurde. Deshalb mußte ein Mittler kommen. Nur ein Gesandter aus geistigen Höhen konnte durch Menschwerdung die durch der Menschen Wollen gebildete dunkle Mauer sprengen und unter allem Bösen das grobstoffliche Postament für das göttliche Licht bilden, das fest mitten in dem schweren Dunkel steht. Von dieser Verankerung aus vermochten dann die reinen Strahlen des Lichtes die dunklen Massen zu spalten und zu zerstreuen, damit die Menschheit nicht vollständig im Dunkel versank und erstickte.
So kam Jesus um der Menschheit, der Sünde willen!
Die so geschaffene neue Verbindung mit dem Licht konnte bei der Reinheit und Stärke des Lichtgesandten nicht vom Dunkel abgeschnitten werden. Damit war für die Menschen ein neuer Weg zu den geistigen Höhen gebahnt. Von Jesus, diesem durch Menschwerdung entstandenen irdischen Postament des Lichtes, gingen nun dessen Strahlen in das Dunkel durch das lebendige Wort, das die Wahrheit brachte. Er konnte diese Wahrheit unverfälscht übermitteln, da seine Verbindung mit dem Licht durch die Stärke derselben rein war und von dem Dunkel nicht getrübt zu werden vermochte. Die Menschen wurden nun aus ihrem Dämmerzustand aufgerüttelt durch die gleichzeitig geschehenden Wunder. Diesen nachgehend stießen sie auf das Wort. Mit dem Hören der von Jesus gebrachten Wahrheit aber und dem Nachdenken darüber erwachte nach und nach in Hunderttausenden der Wunsch,
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dieser Wahrheit nachzugehen, mehr davon zu wissen. Und damit strebten sie dem Lichte langsam entgegen. Durch den Wunsch wurde das sie umgebende Dunkel gelockert, ein Lichtstrahl nach dem anderen drang sieghaft ein, indem die Menschen über die Worte nachdachten und sie für richtig fanden. Es wurde heller und heller um sie, das Dunkel fand keinen festen Halt mehr an solchen und fiel zuletzt von ihnen abgleitend zurück, womit es mehr und mehr an Boden verlor. So wirkte das Wort der Wahrheit in dem Dunkel wie ein keimendes Senfkorn und wie Sauerteig im Brote.
Und das war das Erlöserwerk des Gottessohnes Jesu, des Licht- und Wahrheitsbringers.
Das Dunkel, das die Herrschaft über die gesamte Menschheit schon zu haben wähnte, bäumte sich dagegen auf in wildem Kampfe, um das Erlöserwerk unmöglich zu machen. An Jesus selbst konnte es nicht heran, es glitt an seiner reinen Empfindung ab. Da war es selbstverständlich, daß es sich seiner willigen Werkzeuge bediente, die es zum Kampfe zur Verfügung hatte.
Dies waren die Menschen, die sich ganz richtig „Verstandesmenschen“ nannten, also sich dem Verstande fügten und somit wie dieser fest an Raum und Zeit gebunden waren, wodurch sie höhere, geistige Begriffe, weit über Raum und Zeit stehend, nicht mehr erfassen konnten. Es wurde ihnen deshalb auch unmöglich, der Lehre der Wahrheit zu folgen. Sie alle standen ihrer eigenen Überzeugung nach auf zu „realem“ Boden, wie auch heute noch so viele. Realer Boden aber heißt in Wirklichkeit ein arg beschränkter Boden. Und alle diese Menschen waren gerade die Mehrzahl derer, die die Macht vertraten, also obrigkeitliche und religiöse Gewalt in den Händen hatten.
So peitschte das Dunkel in tobender Gegenwehr diese Menschen auf bis zu den groben Übergriffen, die sie gegen Jesus mit der in ihren Händen liegenden irdischen Gewalt ausübten.
Das Dunkel hoffte, dadurch Jesus wankend zu machen und noch im letzten Augenblicke das Erlöserwerk zerstören zu können. Daß es diese Macht auf Erden überhaupt ausüben konnte,
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war lediglich Schuld der Menschheit, die durch ihre selbstgewählte falsche Einstellung ihren Begriffshorizont verengt und somit dem Dunkel Oberhand gegeben hatte.
Diese Schuld allein war die Sünde der Menschheit, die alle anderen Übel nach sich zog.
Und um dieser Sünde der Menschheit willen mußte Jesus leiden! Das Dunkel peitschte weiter bis zum äußersten: Jesus verwirkte den Kreuzestod, wenn er bei seinen Behauptungen blieb, der Wahrheit- und Lichtbringer zu sein. Es galt die letzte Entscheidung. Eine Flucht, ein sich vollkommen Zurückziehen von allem konnte ihn von dem Kreuzestod retten. Das aber würde einen Sieg des Dunkels im letzten Augenblicke bedeutet haben, weil dann das ganze Wirken Jesu wieder langsam im Sande verlaufen wäre und das Dunkel sich wieder siegreich über alles schließen konnte. Jesus hätte seine Mission nicht erfüllt, das begonnene Erlösungswerk wäre unvollendet geblieben.
Der innere Kampf in Gethsemane war hart, aber kurz. Jesus scheute den irdischen Tod nicht, sondern blieb standhaft und ging für die von ihm gebrachte Wahrheit ruhig in den irdischen Tod. Mit seinem Blute am Kreuze drückte er das Siegel auf alles das, was er gesagt und gelebt hatte.
Durch diese Tat überwand er das Dunkel völlig, das den letzten Trumpf damit ausgespielt hatte. Jesus siegte. Aus Liebe zum Vater, der Wahrheit, aus Liebe zur Menschheit, der dadurch der Weg zur Freiheit in das Licht blieb, weil sie durch diesen Sieg an der Wahrheit seiner Worte bestärkt wurde.
Ein Entziehen durch die Flucht und das damit verbundene Aufgeben seiner Arbeit hätte ihnen Zweifel bringen müssen.
Jesus starb also um der Menschheit Sünde willen! War die Sünde der Menschheit nicht, durch Abwendung von Gott in Einengung mit dem Verstand, so konnte sich Jesus sein Kommen ersparen, ebenso seinen Leidensweg und seinen Kreuzestod. Deshalb ist es ganz richtig, wenn es lautet: Um unserer Sünde willen kam Jesus, litt und starb den Kreuzestod!
Darin liegt aber nicht, daß Du Deine eigenen Sünden nicht selbst zu lösen hättest!
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Du kannst es nur jetzt leicht, weil Jesus Dir den Weg durch Überbringung der Wahrheit in seinen Worten gezeigt hat. So vermag auch der Kreuzestod Jesu nicht einfach Deine eigenen Sünden wegzuwaschen. Sollte derartiges geschehen, so müßten vorher die ganzen Gesetze des Weltalls gestürzt werden. Das geschieht aber nicht. Jesus selbst beruft sich oft genug auf alles das, „was geschrieben steht“, also auf das alte. Das neue Evangelium der Liebe hat auch nicht die Absicht, das alte der Gerechtigkeit zu stürzen oder abzustoßen, sondern zu ergänzen. Es will damit verbunden sein.
Vergiß deshalb nicht die Gerechtigkeit des großen Schöpfers die aller Dinge, die sich nicht um ein Haar verrücken läßt, die ehern steht von Anbeginn der Welt und bis zu deren Ende! Sie würde gar nicht zulassen können, daß jemand die Schuld eines anderen auf sich nimmt, um sie zu sühnen.
Jesus konnte um Anderer Schuld willen, also wegen der Schuld Anderer, kommen, leiden, sterben, als Kämpfer auftreten für die Wahrheit, aber er selbst blieb unberührt und rein von dieser Schuld, deshalb vermochte er sie auch nicht persönlich auf sich zu nehmen.
Das Erlöserwerk ist deshalb nicht geringer, sondern ein Opfer, wie es größer nicht sein kann. Jesus kam aus der lichten Höhe für Dich in den Schmutz, er kämpfte um Dich, litt und starb für Dich, um Dir Licht zu bringen zu dem rechten Weg aufwärts, damit Du nicht im Dunkel Dich verlierst und untergehst!
So steht Dein Erlöser vor Dir. Das war sein gewaltiges Liebeswerk. Gottes Gerechtigkeit blieb in den Weltgesetzen ernst und streng bestehen; denn was der Mensch säet, das wird er ernten, sagt auch Jesus selbst in seiner Botschaft. Kein Heller kann ihm nachgelassen werden auf Grund der göttlichen Gerechtigkeit!
Daran denke, wenn Du vor dem Wahrzeichen heiligen Ernstes stehst. Danke innig dafür, daß Dir der Erlöser mit seinem Wort den Wen neu eröffnete zur Vergebung Deiner Sünden,
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und verlasse die Stätten mit dem ernsten Vorsatze, diesen Dir gezeigten Weg zu gehen, damit Dir Vergebung werden kann. Den Weg gehen aber heißt nicht etwa nur, das Wort zu lernen und daran zu glauben, sondern dieses Wort zu leben! Daran zu glauben, es für richtig zu halten und nicht in allem auch darnach zu handeln, würde Dir gar nichts nützen. Im Gegenteil, Du bist schlimmer daran als solche, die gar nichts von dem Worte wissen.
Deshalb wache auf, die Erdenzeit ist für Dich kostbar!
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Das Geheimnis der Geburt

Wenn die Menschen sagen, daß in der Art der Verteilung der Geburten eine große Ungerechtigkeit liegt, so wissen sie nicht, was sie damit tun!
Mit großer Beharrlichkeit behauptet der eine: „Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, wie darf ein Kind dann mit einer erblichen Krankheit belastet geboren werden! Das unschuldige Kind muß die Sünden der Eltern mittragen.“
Der andere: „Das eine Kind wird in Reichtum, das andere in bitterer Armut und Not geboren. Dabei kann kein Glaube an Gerechtigkeit aufkommen.“
Oder: „Angenommen, den Eltern soll eine Strafe werden, so ist es nicht richtig, daß dies durch Krankheit und Tod eines Kindes geschieht. Das Kind muß doch dabei unschuldig leiden.“
Diese und ähnliche Reden schwirren zu Tausenden unter der Menschheit. Selbst ernsthaft Suchende zerbrechen sich manchmal den Kopf darüber.
Mit der einfachen Erklärung der „unerforschlichen Wege Gottes, die alles zum Besten führen“, ist der Drang nach dem „Warum“ nicht aus der Welt geschafft. Wer damit zufrieden sein soll, muß sich stumpf darein ergeben, oder jeden fragenden Gedanken sofort als Unrecht unterdrücken.
So ist es nicht gewollt! Durch Fragen findet man den rechten Weg. Stumpfsinn oder gewaltsames Zurückdrängen erinnert nur an Sklaventum. Gott aber will nicht Sklaven! Er will nicht das stumpfsinnige Sichfügen, sondern freies, bewußtes Aufwärtsschauen. Seine herrlichen, weisen Einrichtungen brauchen nicht in mystisches Dunkel gehüllt zu sein, sondern gewinnen an ihrer erhabenen, unantastbaren Größe und Vollkommenheit, wenn sie frei vor uns liegen! Unwandelbar und unbestechlich, in gleichmäßiger Ruhe und Sicherheit verrichten sie unaufhaltsam ihr ewiges Wirken. Sie kümmern sich
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nicht um Groll oder Anerkennung der Menschen, nicht um ihre Unwissenheit, sondern sie geben jedem Einzelnen bis auf das Allerfeinste abgetönt in reifen Früchten das zurück, was er als Saat ausstreute.
„Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher“, heißt es in dem Volksmunde so treffend über dieses Weben unbedingter Wechselwirkung in der ganzen Schöpfung, deren unverrückbare Gesetze die Gerechtigkeit Gottes in sich tragen und auswirken. Es rieselt, fließt und strömt, und ergießt sich über alle Menschen, gleichviel, ob diese es nun wünschen oder nicht, ob sie sich hingeben oder dagegen sträuben, sie müssen es empfangen als gerechte Strafe und Vergebung, oder Lohn in der Erhebung.
Wenn ein Murrender oder Zweifelnder nur ein einziges Mal einen Blick werfen könnte in das feinstoffliche, von straffem Geist durchzogene und getragene Wogen und Weben, das die ganze Schöpfung durchdringt, umfaßt, in dem sie ruht, das selbst ein Stück der Schöpfung ist, lebendig als ein ewig treibender Webstuhl Gottes, er würde sofort verschämt verstummen und bestürzt die Anmaßung erkennen, die in seinen Worten liegt. Die ruhige Erhabenheit und Sicherheit, die er erschaut, zwingt ihn abbittend in den Staub. Wie klein hat er doch seinen Gott gedacht? Und welche ungeheuere Größe findet er in dessen Werken. Er sieht dann ein, daß er in seinen höchsten irdischen Begriffen nur versuchen konnte, Gott herabzuzerren, die Vollkommenheit des großen Werkes zu schmälern mit dem vergeblichen Bemühen, es hineinzuzwängen in kleinliche Enge, die Verstandeszucht erschuf, die sich nie über Raum und Zeit erheben kann. Der Mensch darf nicht vergessen, daß er in dem Werke Gottes steht, selbst ein Stück des Werkes ist, und somit unbedingt auch den Gesetzen dieses Werkes unterworfen bleibt.
Das Werk aber umfaßt nicht nur irdischen Augen sichtbare Dinge, sondern auch die feinstoffliche Welt, die den größten Teil des eigentlichen Menschenseins und Menschenwirkens in sich trägt. Die jeweiligen Erdenleben sind nur kleine Teile da-von, aber immer große Wendepunkte.
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Die irdische Geburt bildet stets nur den Beginn eines besonderen Abschnittes in dem ganzen Sein eines Menschen, nicht aber dessen Anfang überhaupt.
Beginnt der Mensch als solcher seinen Lauf in der Schöpfung, so steht er frei, ohne Schicksalsfäden, die hinausziehen in die feinstoffliche Welt, durch Anziehungskraft der Gleichart unterwegs immer stärker werden, sich mit anderen kreuzen, ineinanderweben und zurückwirken auf den Urheber, mit dem sie verbunden blieben, so das Schicksal oder Karma mit sich führend. Die Auswirkungen gleichzeitig zurückströmender Fäden fließen dann ineinander, wodurch ursprünglich scharf ausgeprägte Farben andere Abtönungen erhalten und neue, kombinierte Bilder bringen.*) Die einzelnen Fäden bilden den Weg der Rückwirkungen so lange, bis der Urheber in seinem Innen-wesen keinen Anhaltspunkt mehr für die gleiche Art bietet, diesen Weg also von sich aus nicht mehr pflegt und frisch hält, wodurch sich diese Fäden nicht mehr festhalten können, nicht mehr einzuhaken vermögen und verdorrend von ihm abfallen müssen, gleichviel, ob es nun übles oder Gutes ist.
Jeder Schicksalsfaden wird also durch den Willensakt bei dem Entschluß zu einer Handlung feinstofflich geformt, zieht hinaus, bleibt aber trotzdem in dem Urheber verankert und bildet so den sicheren Weg zu gleichen Arten, diese stärkend, gleichzeitig aber auch wieder von diesen Stärke erhaltend, die den Weg zurückläuft zu dem Ausgangspunkte. In diesem Vorgange liegt die Hilfe, die den nach Gutem Strebenden kommt, wie es verheißen ist, oder aber der Umstand, daß „Böses fortzeugend Böses muß gebären“.**)
Jedem Menschen bringen nun die Rückwirkungen dieser laufenden Fäden, zu denen er täglich neue knüpft, sein Schicksal, das er sich selbst geschaffen hat und dem er unterworfen ist. Jede Willkür ist dabei ausgeschlossen, also auch jede Ungerechtigkeit. Das Karma, das ein Mensch mit sich trägt und das wie eine einseitige Vorausbestimmung erscheint, ist in Wirk-
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*) Vortrag: Schicksal.
**) Vortrag: Der Mensch und sein freier Wille.
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lichkeit nur die unbedingte Folge seiner Vergangenheit, soweit diese sich in der Wechselwirkung noch nicht ausgelöst hat.
Der wirkliche Anfang des Seins eines Menschen ist immer gut, und bei vielen auch das Ende, mit Ausnahme derer, die durch sich selbst verloren gehen, indem sie zuerst von sich aus durch ihre Entschlüsse dem Übel die Hand reichten, das sie dann ganz ins Verderben zog. Die Wechselfälle liegen immer nur in der Zwischenzeit, die Zeit des inneren Werdens und Reifens.
Der Mensch formt sich also stets sein zukünftiges Leben selbst. Er liefert die Fäden und bestimmt somit die Farbe und das Muster des Gewandes, das der Webstuhl Gottes durch das Gesetz der Wechselwirkung für ihn webt.
Weit zurück liegen oft die Ursachen, die bestimmend wirken für die Verhältnisse, in die eine Seele hineingeboren wird, ebenso für die Zeit, unter deren Einflüssen das Kind in die irdische Welt tritt, damit diese dann während seines Erdenwallens dauernd einwirkt und das erzielt, was zum Auslösen, Abschleifen, Abstoßen und Weiterbilden gerade dieser Seele notwendig ist.
Aber auch das geschieht nicht einseitig nur für das Kind, sondern die Fäden spinnen sich selbsttätig so, daß in dem irdischen auch eine Wechselwirkung liegt. Die Eltern geben dem Kinde gerade das, was es zu seiner Fortentwickelung braucht, ebenso umgekehrt das Kind den Eltern, sei es nun Gutes oder Übles; denn zur Fortentwicklung und zum Aufschwunge gehört natürlich auch das Freiwerden von einem Übel durch Ausleben desselben, wodurch es als solches erkannt und abgestoßen wird. Und die Gelegenheiten dazu bringt stets die Wechselwirkung. Ohne diese würde der Mensch nie wirklich frei werden können von Geschehenem. Also liegt in den Gesetzen der Wechselwirkung als großes Gnadengeschenk der Weg zur Freiheit oder zum Aufstiege. Es kann daher von einer Strafe überhaupt nicht gesprochen werden. Strafe ist ein falscher Ausdruck, da ja gerade darin die gewaltigste Liebe liegt, die dargereichte Hand des Schöpfers zur Vergebung und Befreiung.
Das irdische Kommen des Menschen setzt sich zusammen
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aus Zeugung, Inkarnation und Gebären. Die Inkarnation ist der eigentliche Eintritt des Menschen in das irdische Sein.*)
Tausendfältig sind nun die Fäden, die mitwirken zur Bestimmung einer Inkarnation. Immer aber ist es auch in diesen Geschehnissen der Schöpfung eine bis zum allerfeinsten abgetönte Gerechtigkeit, die sich auswirkt und zu einer Förderung aller dabei Beteiligten treibt.
Dadurch wird die Geburt eines Kindes zu noch viel Heiligerem, Wichtigerem und Wertvollerem, als es im allgemeinen angenommen ist. Geschieht doch damit gleichzeitig dem Kinde, den Eltern und auch sogar eventuellen Geschwistern und anderen mit dem Kinde in Berührung kommenden Menschen mit dessen Eintreten in die irdische Welt eine neue, besondere Gnade des Schöpfers, indem sie damit alle Gelegenheit erhalten, in irgendeiner Weise weiter zu kommen. Den Eltern kann durch notwendig werdende Krankenpflege, schwere Sorge oder Kummer die Gelegenheit zu geistigem Gewinn gegeben sein, sei es nun als Arznei, als einfaches Mittel zum Zweck, oder auch als wirkliche Ablösung einer alten Schuld, vielleicht sogar als Vorablösung eines drohenden Karmas. Denn es geschieht sehr oft, daß bei schon eingesetztem guten Wollen eines Menschen dessen eigene schwere Krankheit, die ihn selbst nach dem Gesetz der Wechselwirkung als Karma treffen soll, aus Gnade in Folge seines guten Wollens vorabgelöst wird durch aus freiem Entschlusse heraus erfolgende aufopfernde Pflege eines anderen oder eines eigenen Kindes. Eine wirkliche Ablösung kann ja nur in der Empfindung erfolgen, in dem vollen Erleben. Bei Ausübung einer echt liebenden Pflege nun ist das Erleben oft noch größer als bei eigener Krankheit. Es ist tiefer in dem Bangen, dem Schmerze während der Krankheit des Kindes oder eines Andere; den man wirklich als seinen lieben Nächsten betrachtet. Ebenso tief auch die Freude bei dessen Genesen. Und dieses starke Erleben allein drückt seine Spuren fest in die Empfindung, in den geistigen Menschen, formt ihn damit anders und schneidet mit dieser Umformung Schicksalsfäden
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*) Vortrag : Erschaffung des Menschen.
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ab, die ihn sonst noch getroffen hätten. Durch dieses Abschneiden oder Fallenlassen schnellen die Fäden wie gespannter Gummi nach der Gegenseite zurück, den gleichartigen feinstofflichen Zentralen, von deren Anziehungskraft nunmehr einseitig gezogen. Damit ist jede weitere Wirkung auf den umgeformten Menschen ausgeschlossen, da der Verbindungsweg dazu fehlt.
So gibt es tausende Arten von Ablösungen in dieser Form, wenn ein Mensch freiwillig und gern irgendeine Pflicht anderen gegenüber auf sich nimmt, aus Liebe oder aus der Liebe verwandtem Mitleid heraus.
Jesus hat darin in seinen Gleichnissen die besten Vorbilder gezeigt. Ebenso in seiner Bergpredigt und allen anderen Reden ganz deutlich auf die guten Erfolge derartiger Ausübungen hingewiesen. Er sprach dabei immer von dem „Nächsten“ und zeigte damit den besten Weg zur Ablösung der Karmas und zum Aufstiege in schlichtester, lebenswahrster Form. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, mahnte er und gab damit den Schlüssel zu dem Tore alles Aufsteigens. Es muß sich dabei nicht immer um Krankheit handeln. Die Kinder, ihre notwendige Pflege und Erziehung, geben auf die natürlichste Art so viele Gelegenheiten, daß sie alles in sich bergen, was überhaupt nur zu Ablösungen in Betracht kommen kann. Und deshalb bringen Kinder Segen, gleichviel, wie sie geboren und entwickelt sind!
Das, was den Eltern gilt, gilt auch Geschwistern und allen, die viel mit Kindern in Berührung kommen. Auch diese haben Gelegenheiten, durch den neuen Erdenbürger zu gewinnen, indem sie sich bemühen, sei es auch nur durch Ablegung übler Eigenschaften oder ähnlichen Dingen, in Geduld, in sorgsamen Hilfeleistungen verschiedenster Art.

Dem Kinde selbst aber ist nicht weniger geholfen. Jeder ist durch die Geburt vor die Möglichkeit gestellt, ein gewaltiges Stück Weg aufwärts zu kommen! Wo es nicht geschieht, ist der Betreffende selbst schuld daran. Dann hat er nicht gewollt. Deshalb ist jede Geburt als ein gütiges Gottesgeschenk zu betrachten, das gleichmäßig zur ‚Verteilung kommt. Auch wer
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nun selbst keine Kinder hat, und nimmt ein fremdes Kind zu sich, dem ist der Sägen nicht verkürzt, sondern nur noch größer durch die Tat der Annahme, wenn diese um des Kindes willen erfolgt und nicht zur eigenen Befriedigung.
Bei einer gewöhnlichen Inkarnierung nun spielt die Anziehung der geistigen Gleichart als mitwirkend bei der Wechselwirkung eine führende Rolle. Eigenschaften, die als ererbt angesehen werden, sind in Wirklichkeit nicht vererbt, sondern lediglich auf diese Anziehungskraft zurückzuführen. Es ist nichts geistig von Mutter oder Vater Ererbtes dabei, da das Kind ein ebenso abgeschlossener Mensch für sich ist, wie diese selbst, nur gleiche Arten in sich trägt, durch die er sich angezogen fühlte.
Doch nicht allein diese Anziehungskraft der Gleichart ist es, die bei der Inkarnierung ausschlaggebend wirkt, sondern es sprechen auch noch andere laufende Schicksalsfäden mit, an die die zu inkarnierende Seele gebunden ist und die vielleicht in irgendeiner Weise mit einem Angehörigen der Familie verknüpft sind, in die sie geführt wird. Alles das wirkt mit, zieht und führt zuletzt die Inkarnation herbei.
Anders aber ist es, wenn eine Seele eine freiwillige Mission auf sich nimmt, um entweder bestimmten irdischen Menschen zu helfen oder an einem Hilfswerke für die ganze Menschheit mitzuwirken. Dann nimmt eine Seele auch alles vorher gewollt auf sich, was sie auf Erden trifft, wodurch ebensowenig von Ungerechtigkeit gesprochen werden kann. Und der Lohn muß ihr ja in der Folge der Wechselwirkung dafür werden, wenn alles in aufopfernder Liebe geschieht, die aber wiederum nicht nach dem Lohne fragt. In Familien, in denen erbliche Krankheiten sind, kommen Seelen zur Inkarnation, die diese Krankheiten durch Wechselwirkung zur Ablösung, Läuterung oder zum Vorwärtskommen brauchen.
Die führend und haltenden Fäden lassen eine falsche, also ungerechte Inkarnation gar nicht zu. Sie schließen jeden Irrtum darin aus. Es wäre der Versuch des Schwimmens gegen einen Strom, der mit eiserner, unverrückbarer Gewalt seine
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geordneten Bahnen fließt und jeden Widerstand von vornherein ausschließt, so daß es gar nicht einmal zu einem Versuche kommen kann. Unter genauer Beachtung seiner Eigenschaften aber spendet er nur Segen.
Und Beachtung findet alles auch bei freiwilligen Inkarnationen, bei denen die Krankheiten freiwillig zur Erreichung eines bestimmten Zweckes übernommen werden. Wenn vielleicht der Vater oder die Mutter durch eine Schuld die Krankheit auf sich lud, sei es auch nur durch Nichtbeachtung der natürlichen Gesetze, die eine unbedingte Rücksichtnahme auf Gesunderhaltung des anvertrauten Körpers fordern, so wird der Schmerz darüber, diese Krankheit auch wieder an dem Kinde zu sehen, schon eine Sühne in sich tragen, die zur Läuterung hinführt, sobald der Schmerz echt empfunden wird.
Besondere Beispiele anzuführen hat wenig Zweck, da jede einzelne Geburt durch die vielverschlungenen Schicksalsfäden ein neues Bild ergeben würde, abweichend von den anderen, und sogar jede Gleichart sich durch die feinen Abtönungen der Wechselwirkungen in ihren Mischungen in tausendfältigen Variationen zeigen muß.
Nur ein einfaches Beispiel sei gebracht: Eine Mutter liebt ihren Sohn derart, daß sie ihn mit allen Mitteln verhindert, durch eine Heirat von ihr zu gehen. Sie fesselt ihn dauernd an sich. Diese Liebe ist falsch, rein egoistisch, selbstsüchtig, auch wenn die Mutter nach ihrer Meinung alles bietet, um dem Sohne das Erdenleben so schön wie möglich zu machen. Sie hat mit ihrer selbstsüchtigen Liebe zu Unrecht in das Leben ihres Sohnes eingegriffen. Die wahre Liebe denkt nie an sich selbst, sondern immer nur zugunsten des geliebten Anderen und handelt darnach, auch wenn es mit eigener Entsagung verknüpft ist. Die Stunde der Mutter kommt, da sie abgerufen wird. Der Sohn steht nun allein. Es ist für ihn zu spät geworden, um noch den freudigen Schwung zur Erfüllung seiner eigenen Wünsche aufzubringen, den die Jugend verleiht. Trotz allem hat er dabei noch etwas gewonnen; denn er löst durch die herbeigeführte Entsagung irgendetwas aus. Sei es nun eine Gleichart aus sei-
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nem früheren Sein, womit er gleichzeitig der inneren Vereinsamung in einer Ehe ausgewichen ist, die ihn sonst bei Verheiratung hätte treffen müssen, oder irgendetwas anderes. Es gibt in solchen Dingen nur Gewinn für ihn. Die Mutter aber hat ihre selbstsüchtige Liebe mit hinübergenommen. Die Anziehungskraft geistiger Gleichart zieht sie deshalb unwiderstehlich zu Menschen hin mit gleichen Eigenschaften, da sie in deren Nähe die Möglichkeit findet, in dem Empfindungsleben solcher Menschen einen kleinen Teil ihrer eigenen Leidenschaft mitempfinden zu können, wenn diese ihre selbstsüchtige Liebe anderen gegenüber ausüben. Dadurch bleibt sie erdgebunden. Wenn nun bei den Menschen, in deren Nähe sie sich dauernd befindet, eine Zeugung erfolgt, kommt sie durch diese Bindung des sich geistig Aneinanderkettens zur Inkarnation. Dann wendet sich das Blatt. Sie muß nun als Kind unter der gleichen Eigenschaft des Vaters oder der Mutter dasselbe erleiden, was sie einst ihren Kind erleiden ließ. Sie kann sich nicht lösen von ihrem Elternhause trotz ihres Verlangens und der sich bietenden Gelegenheiten. Damit wird ihre Schuld getilgt, indem sie durch das Erleben an sich selbst derartige Eigenschaften als Unrecht erkennt und damit davon befreit wird.
Durch die Verbindung mit dem grobstofflichen Körper, also der Inkarnation, wird jedem Menschen eine Binde vorgelegt, die ihn hindert, sein rückwärtiges Sein zu überschauen. Auch das ist, wie alles Geschehen in der Schöpfung, nur zu dem Vorteile des Betreffenden. Es liegt darin wieder die Weisheit und die Liebe des Schöpfers. Würde sich ein jeder auf das frühere Sein genau besinnen, so bliebe er in seinem neuen Erdenleben nur ruhiger Beobachter, danebenstehend, in dem Bewußtsein, einen Fortschritt damit zu gewinnen oder etwas abzulösen, worin ebenfalls nur Fortschritt liegt. Es würde aber gerade dadurch für ihn kein Vorwärtskommen werden, sondern vielmehr eine große Gefahr des Abwärtsgleitens bringen. Das Erdenleben soll wirklich erlebt werden, wenn es Zweck haben soll. Nur was innerlich mit allen Höhen und Tiefen durchlebt, also durchempfunden wird, hat man sich zu Eigen gemacht. Wenn
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ein Mensch von vornherein die genaue Richtung stets klar wüßte, die ihm nützlich ist, so gäbe es für ihn kein Erwägen kein Entscheiden. Dadurch könnte er wiederum keine Kraft und keine Selbständigkeit gewinnen, die er unbedingt notwendig hat. So aber nimmt er jede Situation seines Erdenlebens wirklicher. Jedes wirklich Erlebte prägt Eindrücke fest in die Empfindung ein, in das Unvergängliche, das der Mensch mit hinübernimmt bei seiner Wandlung als sein eigen, als ein Stück von ihm selbst, neu nach den Eindrücken geformt. Aber auch nur das wirklich Erlebte, alles andere erlischt mit dem irdischen Tode. Das Erlebte aber bleibt als abgeklärter Extrakt des Erdendaseins sein Gewinn! Zu dem Erlebten gehört nicht alles Erlernte. Sondern von dem Erlernten nur das, was man sich davon durch Erleben zu eigen machte. Der ganze übrige Wust des Erlernten, wofür so mancher Mensch sein ganzes Erdendasein opfert, bleibt als Spreu zurück. Deshalb kann jeder Augenblick des Lebens nie ernst genug genommen werden, damit durch die Gedanken, Worte und Werke starke Lebenswärme pulsiert, sie nicht zu leeren Gewohnheiten herabsinken.
Das neugeborene Kind erscheint nun durch die bei der Inkarnierung vorgelegte Binde als vollkommen unwissend und wird deshalb irrtümlich auch für unschuldig angesehen. Dabei bringt es oft ein gewaltiges Karma mit, das ihm Gelegenheiten bietet, frühere Irrwege auszulösen in dem Ausleben. Karma ist in der Vorausbestimmung nur die notwendige Folge des Geschehenen. Bei Missionen eine freiwillige Übernahme, um damit das irdische Verständnis und die irdische Reife zur Erfüllung der Mission zu erlangen, soweit es nicht zur Mission selbst gehört.
Deshalb sollte der Mensch nicht mehr murren über Ungerechtigkeit bei den Geburten, sondern dankbar zu dem Schöpfer blicken, der mit jeder einzelnen Geburt nur neue Gnaden spendet!
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Ist okkulte Schulung anzuraten?

Diese Frage muß mit einem absoluten „Nein“ beantwortet werden. Okkulte Schulung, zu der im allgemeinen die Übungen zur Erlangung von Hellsehen, Hellhören usw. zählen, ist ein Hemmnis zur inneren freien Entwicung und zum wirklichen geistigen Aufschwunge. Was damit großgezogen werden kann, darunter verstand man in der Vorzeit die sogenannten Magier, sobald die Schulung einigermaßen günstig verlaufen war.
Es ist ein einseitiges Vorwärtstasten von unten nach oben, wobei der sogenannte Erdenbann nie überschritten werden kann. Es wird sich bei allen diesen eventuell zu erreichenden Vorkommnissen immer nur um Dinge niederer und niederster Art handeln, die die Menschen an sich innerlich nicht höher zu bringen vermögen, wohl aber irre führen können.
Der Mensch vermag damit nur in die ihm zunächst liegende feinstofflichere Umgebung zu dringen, deren Intelligenzen oft noch unwissender sind als die Erdenmenschen selbst. Alles, was er damit erreicht, ist, daß er sich ihm unbekannten Gefahren öffnet, vor denen er gerade durch Nichtöffnen geschützt bleibt.
Ein durch Schulung hellsehend oder hellhörend Gewordener wird in dieser niederen Umgebung oft auch Dinge sehen oder hören, die den Anschein des Hohen und Reinen haben, und doch weit davon entfernt sind. Dazu kommt noch die eigene, durch Übungen noch mehr gereizte Phantasie, die ebenfalls eine Umgebung erzeugt, die der Schüler dann tatsächlich sieht und hört, und die Verwirrung ist da. So ein durch künstliche Schulung auf unsicheren Füßen stehender Mensch kann nicht unterscheiden, kann mit dem besten Willen keine scharfe Grenze ziehen zwischen Wahrheit und Täuschung, sowie der tausendfältigen Gestaltungskraft im feinstofflichen Leben. Zuletzt kommen noch die niederen, für ihn unbedingt schädlichen Einflüsse dazu, denen er sich selbst freiwillig mit vieler Mühe geöffnet
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hat, denen er nicht eine fertige, höhere Kraft entgegenstellen kann, und so wird er bald ein steuerloses Wrack auf unbekannter See, das für alles, was mit ihm zusammentrifft, gefährlich werden kann.
Es ist genau so, als wenn ein Mensch nicht schwimmen kann. Er ist vollkommen fähig, in einem Kahne ganz geborgen durch das ihm nicht vertraute Element zu fahren. Dem irdischen Leben vergleichbar. Zieht er aber während der Fahrt aus dem ihn schützenden Kahne eine Planke fort, so reißt er in den Schutz eine Lücke, durch die das Wasser eindringt, ihn seines Schutzes beraubt und hinabzieht. Dieser Mensch, des Schwimmens unkundig, wird dadurch nur ein Opfer des ihm unvertrauten Elementes.
So ist der Vorgang der okkulten Schulung. Der Mensch zieht damit nur eine Planke seines ihn schützenden Schiffes fort, lernt aber nicht schwimmen!
Es gibt aber auch Schwimmer, die sich Meister nennen. Schwimmer auf diesem Gebiete sind solche, die eine schon fertige Veranlagung in sich tragen und dieser durch einige Schulung die Hand reichten, um sie zur Geltung zu bringen, sie auch immer mehr zu erweitern suchen. In solchen Fällen wird sich also eine mehr oder weniger fertige Veranlagung mit künstlicher Schulung verbinden. Doch auch dem besten Schwimmer sind stets ziemlich enge Grenzen gesetzt. Wagt er sich zu weit hinaus, so erlahmen ihm die Kräfte und er ist zuletzt ebenso verloren wie ein Nichtschwimmer, wenn … ihm, wie auch dem Nichtschwimmer, nicht Hilfe kommt.
Solche Hilfe kann aber in der feinstofflichen Welt nur aus der lichten Höhe kommen, aus dem reinen Geistigen. Und diese Hilfe wiederum kann nur dann heran, wenn der in Gefahr Befindliche in seiner seelischen Entwicklung eine bestimmte Stufe der Reinheit erreicht hat, mit der sie sich zu einem Halt verbinden kann. Und solche Reinheit wird nicht durch okkulte Schulung für Experimente erreicht, sondern kann nur kommen durch Hebung der inneren echten Moral in dauerndem Aufblick zu der Reinheit des Lichtes.

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Ist ein Mensch nun diesem Wege gefolgt, der ihn mit der Zeit zu einem gewissen Grade innere Reinheit bringt, die sich naturgemäß dann auch in seinen Gedanken, Worten und Werken wiederspiegelt, so erhält er nach und nach Verbindung mit den reineren Höhen und von dort in Wechselwirkung auch verstärkte Kraft. Er hat damit eine Verbindung durch alle Zwischenstufen hindurch, die ihn hält und an die er sich halten kann. Es währt dann nicht lange, so wird ihm alles das ohne eigene Mühe gegeben, was die Schwimmer vergebens zu erreichen strebten. Aber mit einer Sorgfalt und Vorsicht, die in den straffen Gesetzen der Wechselwirkung liegt, daß er immer gerade nur so viel davon bekommt, wie er in mindestens gleicher Stärke Gegenkraft zu geben vermag, womit jede Gefahr von vornherein beseitigt ist. Zuletzt wird die trennende Schranke, die mit den Planken eines Kahnes zu vergleichen ist, dünner und dünner und fällt schließlich ganz. Das ist dann aber auch der Augenblick, wo er wie der Fisch im Wasser sich in der feinstofflichen Welt bis hinauf zu lichten Höhen ganz zu Hause fühlt. Dies ist der einzig richtige Weg. Alles durch künstliche Schulung Verfrühte ist dabei verfehlt. Nur dem Fisch im Wasser ist das Wasser wirklich ungefährlich, weil es „sein Element“ ist, für das er jede Ausrüstung in sich trägt, – die auch ein geschulter Schwimmer nie erreichen kann.
Nimmt ein Mensch die Schulung vor, so geht dem Anfang ein freiwilliger Entschluß voraus, dessen Folgen er dann unterworfen ist. Deshalb kann er auch nicht damit rechnen, daß ihm Hilfe werden muß. Er hatte vorher seinen freien Willensentschluß.
Ein Mensch aber, der zu solchen Schulungen andere veranlaßt, die dann dadurch Gefahren verschiedenster Art preisgegeben sind, hat einen großen Teil der Folgen als Schuld von jedem einzelnen auf sich zu nehmen. Er wird an alle feinstofflich gekettet. Unwiderruflich muß er nach seinem irdischen Ableben hinab zu den Vorausgegangenen, die den Gefahren unterlagen, bis zu dem, der dabei am tiefsten sank. Nicht eher vermag er selbst emporzusteigen, als bis er jedem einzelnen von

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denen wieder hinaufgeholfen hat, der Irrweg ausgelöscht und außerdem auch das dadurch Versäumte nachgeholt ist. Das ist der Ausgleich in der Wechselwirkung und gleichzeitig der Gnadenweg für ihn, das Unrecht gutzumachen und emporzukommen.
Hat ein solcher Mensch nun darin nicht nur durch das Wort, sondern auch durch die Schrift gewirkt, so trifft es ihn noch schwerer, weil diese Schrift auch nach seinem eigenen irdischen Ableben weiterhin Unheil anrichtet. Er muß dann im feinstofflichen Leben abwarten, bis keiner mehr hinüberkommt, der durch die Schrift sich irreführen ließ, dem er deshalb wieder aufzuhelfen hat. Jahrhunderte können dabei vergehen.
Damit ist aber nicht gemeint, daß das Gebiet der feinstofflichen Welt im irdischen Leben unberührt und unerschlossen bleiben soll!
Innerlich Gereiften wird es stets zu rechter Stunde zufallen, daß sie sich zu Hause fühlen, was für andere Gefahren birgt. Sie dürfen die Wahrheit schauen und sie weitergeben. Aber dabei werden sie auch die Gefahren klar überblicken, die denen drohen, die durch okkulte Schulung einseitig hineinreichen wollen in die Niederungen ihnen unbekannten Landes. Sie werden niemals zu okkulten Schulungen Veranlassungen geben.

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Spiritismus
Spiritismus! Mediumschaft! Heftig brennt der Streit dafür und auch dagegen. Es ist nicht meine Aufgabe, über die Gegner und deren Eifer der Verneinung etwas zu sagen. Das Würde Zeitverschwendung sein; denn jeder logisch denkende Mensch braucht nur die Art der sogenannten Prüfungen oder Forschungen zu lesen, um selbst zu erkennen, daß diese völlige Unkenntnis und entschiedenes Unvermögen der „Prüfenden“ zeigen. Warum? Wenn ich das Erdreich erforschen will, muß ich mich nach der Erde richten und deren Beschaffenheit. Will ich dagegen das Meer ergründen, bleibt mir weiter nichts anderes übrig, als mich dabei nach der Beschaffenheit des Wassers zu richten und mich der Beschaffenheit des Wassers entsprechender Hilfsmittel zu bedienen. Dem Wasser mit Spaten und Schaufel oder mit Bohrmaschinen zu Leibe zu gehen, würde mich in meinen Forschungen wohl nicht weit führen. Oder soll ich etwa das Wasser verneinen, weil ich im Gegensatz zu der mir gewohnteren, festeren Erde mit dem Spaten glatt hindurchfahre? Oder weil ich nicht ebenso, wie auf fester Erde gewöhnt, mit den Füßen darauf wandern kann? Gegner werden sagen: Das ist ein Unterschied; denn das Dasein des Wassers sehe ich und fühle ich, das kann also niemand ableugnen!
Wie lange ist es her, daß man die Millionen buntfarbiger Lebewesen in einem Wassertropfen sehr energisch ableugnete, von deren Bestehen jetzt ein jedes Kind schon weiß? Und weshalb leugnete man? Nur weil man sie nicht sah! Erst, nachdem man ein Instrument erfand, das auf ihre Beschaffenheit eingestellt war, konnte man die neue Welt erkennen, sehen und beobachten.
Also auch mit der außerstofflichen Welt, dem sogenannten Jenseits! Werdet doch sehend! Und dann erlaubt Euch ein Urteil! Es liegt an Euch, nicht an der „anderen Welt“. Ihr habt außer Euerem grobstofflichen Körper auch noch den Stoff der anderen Welt in Euch, während die Jenseitigen Euer Grobstoffliches nicht mehr besitzen. Ihr verlangt und erwartet, daß sich

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Euch die Jenseitigen nähern (Zeichen geben usw.), die über Ihr keinerlei Grobstofflichkeit mehr verfügen. Ihr wartet darauf, daß sie ihr Bestehen Euch nachweisen, während Ihr selbst, die Ihr außer dem Grobstofflichen auch ebenso über den Stoff der Jenseitigen verfügt, abwartend sitzt mit den Gesten eines Richters.
Schlagt Ihr doch die Brücke, die Ihr schlagen könnt, arbeitet endlich mit dem gleichen Stoff, der auch Euch zu Gebote steht, und werdet dadurch sehend! Oder schweigt, wenn Ihr es nicht versteht, und mästet weiter nur das Grobstoffliche, das das Feinstoffliche immer mehr beschwert. Einst kommt der Tag, wo sich das Feinstoffliche von dem Grobstofflichen trennen muß und dann ermattet liegen bleibt, weil es des Fluges ganz entwöhnt wurde; denn auch das ist alles den irdischen Gesetzen unterworfen wie der irdische Körper. Nur Bewegung bringt Kraft! Ihr braucht nicht Medien, um Feinstoffliches zu erkennen. Beobachtet nur das Leben, das Euer eigenes Feinstoffliche in Euch führt. Gebt ihm durch Eueren Willen, was es bedarf, um zu erstarken. Oder wollt Ihr das Bestehen Eueres Willens auch bestreiten, da Ihr ihn nicht seht und nicht betasten könnt?
Wie oft fühlt Ihr die Auswirkungen Eueres Willens in Euch selbst. Ihr fühlt diese wohl, könnt sie aber weder sehen noch anfassen. Sei es nun Erhebung, Freude oder Leid, Zorn oder Neid. Sobald der Wille Wirkung hat, muß er auch Kraft besitzen, die einen Druck erzeugt; denn ohne Druck kann keine Wirkung sein, kein Fühlen. Und wo ein Druck ist, muß ein Körper wirken, etwas Festes von dem glichen Stoff, sonst kann kein Druck entstehen.
Es müssen also feste Formen sein von einem Stoff, den Ihr mit Eurem grobstofflichen Körper weder sehen noch tasten könnt. Und so ist die Stofflichkeit des Jenseits, die Ihr nur mit der auch Euch innewohnenden Gleichart zu erkennen vermögt.
Sonderbar ist der Streit über das Für und Wider eines Lebens nach dem irdischen Tode, eigentlich oft bis zur Lächerlichkeit. Wer ruhig, vorurteilsfrei und wunschlos zu denken und beobachten vermag, wird bald finden, daß tatsächlich alles, aber
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auch alles für die Wahrscheinlichkeit einer bestehenden andersstofflichen Welt spricht, die der jetzige Durchschnittsmensch nicht zu sehen vermag. Es sind so viele Vorgänge, die daran immer und immer wieder mahnen und die nicht einfach als nichtbestehend achtlos zur Seite geschoben werden können. Dagegen ist für ein unbedingtes Aufhören nach dem irdischen Ableben weiter nichts vorhanden als der Wunsch vieler, die sich damit gern jeder geistigen Verantwortung entziehen möchten, bei der Klugheit und Geschicklichkeit nicht in die Wagschale fällt, sondern nur das wirkliche Empfinden. –
Doch nun zu den Anhängern des Spiritismus, Spiritualismus, und so weiter, wie sie es auch nennen mögen, es kommt zuletzt auf eins heraus, auf große Irrtümer!
Die Anhänger sind oft der Wahrheit viel gefährlicher als Gegner, viel schadenbringender!
Von den Millionen sind nur wenige, die sich die Wahrheit sagen lassen wollen. Die meisten sind in einem Riesenkranze kleiner Irrtümer verstrickt, die sie den Weg daraus zu schlichter Wahrheit nicht mehr finden lassen. Woran liegt die Schuld? Etwa am Jenseitigen? Nein! Oder an Medien? Auch nicht! Nur an dem Einzelmenschen selbst! Er ist nicht ernst und scharf genug gegen sich selbst, will vorgefaßte Meinungen nicht stürzen, scheut sich, ein selbstgebautes Bild vorn Jenseits zu zertrümmern, das ihm in seiner Phantasie geraume Zeit heilige Schauer und gewisses Wohlbehagen gab. Und wehe dem, der daran rührt! Ein jeder Anhänger hat schon den Stein zum Wurf auf ihn bereit! Er klammert sich daran fest und ist bereit, viel eher Jenseitige Lügen- oder Neckgeister zu nennen, oder Medien der Mangelhaftigkeit zu zeihen, bevor er ruhig prüfend an sich selbst geht, überlegt, ob sein Begriff nicht etwa falsch gewesen ist.
Wo sollte ich da anfangen, das viele Unkraut auszurotten? Es würde eine Arbeit ohne Ende sein. Deshalb sei das, was ich hier sage, nur für die, die wirklich ernsthaft suchen; denn nur solche sollen finden.
Ein Beispiel: Ein Mensch besucht ein Medium, sei dies nun
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bedeutend oder nicht! Es sind noch andere mit ihm. Eine „Sitzung“ beginnt. Das Medium „versagt“. Es wird nichts. Die Folge? Es gibt Leute, die, sagen darauf: Das Medium taugt , nichts. Andere: Der ganze Spiritismus ist nichts. Prüfende werfen sich in die Brust und verkünden: Die oft erprobten medialen Eigenschaften des Mediums waren Schwindel; denn sobald wir kommen, wagt das Medium nichts. Und die „Geister“ schweigen! Gläubige und Überzeugte aber gehen bedrückt fort. Der Ruf des Mediums leidet und kann bei mehrmaligem „Versagen“ ganz verschwinden. Ist nun gar eine Art Manager für das Medium vorhanden, und sind Geldeinnahmen damit verbunden, so wird der Manager nervös das Medium drängen, daß es sich doch Mühe geben soll, wenn die Leute dafür Geld ausgeben usw. Kurz: Es gibt Zweifel, Spott, Unzufriedenheit, und das Medium wird bei einem neuen Versuche sich krampfhaft in medialen Zustand zu wühlen suchen, dabei in einer Art nervöser Selbstbetörung vielleicht unbewußt etwas sagen, das es zu hören vermeint, oder aber zum direkten Betruge greifen, der z. B. einem Sprechmedium nicht sehr schwer wird. Urteil: Schwindel, Verneinung des ganzen Spiritismus, weil vielleicht einige der Medien unter genannten Umständen zum Betruge griffen, um zunehmender Feindschaft auszuweichen. Dazu einige Fragen:
1. In welcher Menschenklasse, wie sie auch sei, gibt es keine Schwindler? Verurteilt man wegen einiger Schwindler auch bei anderen Dingen gleich das Können der ehrlich Arbeitenden?
2. Warum gerade hierin und tatsächlich nirgends anderswo?
Diese Fragen kann sich jeder selbst leicht beantworten.
Wer aber trägt nun die Hauptschuld an solchen unwürdigen Zuständen? Das Medium nicht, wohl aber die Menschen selbst! Durch ihre etwas sehr einseitigen Anschauungen, vor allem aber durch ihre totale Unwissenheit zwingen sie das Medium, zu wählen zwischen ungerechten Anfeindungen oder Täuschungen.
Einen Mittelweg lassen die Menschen einem Medium nicht so leicht.
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Ich spreche hierbei nur von einem ernstzunehmenden Medium, nicht von den zahlreichen medial Angehauchten, ,die ihre geringen Fähigkeiten in Vordergrund zu drängen suchen. Es liegt mir auch fern, für die großen Gefolgschaften der Medien in irgendeiner Weise einzutreten; denn eigentlicher Wert solcher sich um Medien scharender Spiritisten ist in den seltensten Fällen vorhanden, mit Ausnahme der ernsten Forscher, die sich diesem Neuland lernend, nicht aber unwissend richtend gegenüberstellen. Für die größte Zahl der sogenannten Gläubigen bringen diese Besuche oder „Sitzungen“ keinen Fortschritt, sondern Stillstand oder Rückgang. Sie werden so unselbständig, daß sie sich selbst über nichts mehr entscheiden können, sondern immer den Rat „Jenseitiger“ dazu einholen wollen. Oft in den lächerlichsten Dingen, und meistens für irdische Kleinigkeiten.
Ein ernster Forscher oder ehrlich suchender Mensch wird sich dabei immer empören über die unsagbare Beschränktheit gerade solcher, die sich bei Medien seit Jahren als ständige Besucher „heimisch“ fühlen. Mit außerordentlich kluger und überlegener Miene reden sie den größten Unsinn und sitzen dann mit heuchlerischer Andacht da, um den angenehmen Nervenkitzel über sich ergehen zu lassen, den der Verkehr mit unsichtbaren Kräften in der Einbildung bringt. Viele Medien sonnen sich dabei in den schmeichlerischen Reden solcher alter Besucher, die in Wirklichkeit nur das eigensüchtige Verlangen damit kundtun, daß sie selbst recht viel „erleben“ möchten. Das „Erleben“ aber ist für sie gleichbedeutend nur mit Hören oder Sehen, also Unterhaltenwerden. Zum „Erleben“ wird nie etwas in ihnen.
Was soll ein ernster Mensch nun bei solchen Vorkommnissen bedenken?
1. Daß ein Medium überhaupt nichts zu einem „Gelingen“ beitragen kann, außer sich innerlich zu öffnen, also hinzugeben, und im übrigen abzuwarten; denn es ist ein Werkzeug, das benützt wird, ein Instrument, das allein keinen Klang hervorzubringen vermag, wenn es nicht gespielt wird. Ein sogenann-
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tes Versagen kann es also deshalb gar nicht geben. Wer davon spricht, zeigt eigene Beschränktheit, er soll die Hände davon lassen und auch keine Meinungen äußern, da er ja kein Urteil haben kann. Genau wie jeder, dem das Lernen schwer fällt, auch die Universität vermeiden sollte. Ein Medium ist also einfach eine Brücke, oder ein Mittel zum Zweck.
2. Daß dabei aber die Besucher eine große Rolle spielen! Nicht in ihrem Äußeren oder gar weltlichen Stande, sondern mit ihrem Innenleben! Das Innenleben ist, wie auch den größten Spöttern bekannt, eine Welt für sich. Es kann natürlich kein „Nichts“ sein mit seinen Empfindungen, mit seinen zeugenden und nährenden Gedanken, sondern es müssen logischerweise feinstoffliche Körper oder Dinge sein, die durch Druck oder Einwirkung Empfindungen erwecken, weil sonst keine solchen entstehen könnten. Ebensowenig können im Geiste Bilder gesehen werden, wenn nichts da ist. Gerade eine derartige Auffassung würde ja das größte Loch bedeuten in den Gesetzen exakter Wissenschaften. Also es muß etwas da sein, und es ist auch etwas da; denn der zeugende Gedanke schafft in der feinstofflichen, also jenseitigen Welt sofort entsprechende Formen, deren Dichtheit und Lebensfähigkeit von der Empfindungskraft der betreffenden zeugenden Gedanken abhängig ist. So entsteht also mit dem, was „Innenleben“ eines Menschen genannt wird, auch eine entsprechende feinstofflich gleichgeformte Umgebung um diesen.
Und diese Umgebung ist es, die ein Medium, das stärker auf die feinstoffliche Welt eingestellt ist, wohltuend oder unangenehm, sogar auch schmerzhaft berühren muß. Dadurch kann es vorkommen, daß wirkliche Kundgebungen aus der feinstofflichen Welt nicht so rein wiedergegeben werden, wenn das Medium durch Gegenwart von Menschen mit feinstofflich oder geistig unreinem Innenleben beengt, bedrückt oder verwirrt wird. Aber es geht noch weiter. Diese Unreinheit bildet eine Mauer für reinere Feinstofflichkeit, auch wenn diese von einem persönlichen Geiste, einem auch im Jenseits freien Willen geleitet wird, so daß eine Kundgebung aus diesem Grunde gar
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nicht erfolgen kann, oder nur von gleich unrein-feinstofflicher Art.
Bei Besuchern mit reinen Innenleben ist natürlich Verbindung mit entsprechender reiner feinstofflicher Umgebung möglich. Jeder Unterschied aber bildet eine unüberbrückbare Kluft! Daher die Unterschiede bei sogenannten Sitzungen, daher oft völliges Versagen oder eintretende Verworrenheit. Das alles besteht unverrückbaren, rein physikalischen Gesetzen, die im Jenseits genau so wirken wie im Diesseits.
Somit kommen die abfälligen Berichte von „Prüfenden“ in ein anderes Licht. Und wer die feinstofflichen Vorgänge zu beobachten imstande ist, muß lächeln, da sich so mancher Prüfende mit seinem Berichte sein eigenes Urteil spricht, sein eigenes Innenleben preisgibt, nur seinen Seelenzustand kritisiert.
Ein zweites Beispiel: Ein Mensch besucht ein Medium. Es geschieht ihm, daß ein hinübergegangener Verwandter durch das Medium zu ihm spricht. Er fragt ihn dabei um Rat über eine vielleicht ganz wichtige irdische Angelegenheit. Der Hinübergegangene gibt ihm darüber einige Anweisungen, die der Besucher wie ein Evangelium, eine Offenbarung aus dem Jenseits entgegennimmt, sich dann genau dann genau darnach richtet und dadurch … hineinfällt, oft schweren Schaden erleidet.
Die Folge? Der Besucher wird in erster Linie an dem Medium zweifeln, in seiner Enttäuschung und aus dem Ärger des Schadens heraus vielleicht gegen das Medium arbeiten, in manchen Fällen sogar sich verpflichtet fühlen, öffentliche Angriffe zu führen, um andere vor dem gleichen Schaden und Hereinfalle zu bewahren. (Hier müßte ich nun anschließend das jenseitige Leben erklären, wie ein solcher Mensch sich dadurch ähnlichen jenseitigen Strömungen öffnet durch die Anziehungskraft der geistigen Gleichart, und wie er dann als Werkzeug solcher Gegenströmungen zum Eiferer zu werden vermag in dem stolzen Bewußtsein, für die Wahrheit einzutreten und der Menschheit damit einen großen Dienst zu erweisen, während er sich in Wirklichkeit zu einem Sklaven der Unreinheit macht und sich ein Karma aufbürdet, zu dessen Lösung er ein Menschenalter
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und noch mehr benötigt, aus dem dann immer wieder nette und dann Fäden ausgehen, ausgehen, so daß ein Netz entsteht, in das er sich verstrickt, er zuletzt überhaupt nicht mehr ein noch aus weiß, und dann feindlich um so wütender eifert.)
Oder der enttäuschte Besucher wird, wenn er das Medium nicht als Schwindel betrachtet, mindestens sehr zweifelnd dem ganzen Jenseitigen gegenüberstehen oder den üblichen bequemen Weg einschlagen, den Tausende gehen, und sich sagen: „Was geht mich schließlich das Jenseits an. Darüber mögen sieh andere den Kopf zerbrechen. Ich habe besseres zu tun.“ Das „Bessere“ aber ist, durch Gelderwerben nur dem Körper zu dienen und sich damit noch mehr von dem Feinstofflichen zu entfernen. Woran aber liegt nun eigentlich die Schuld? Nur wieder an ihm selbst! Er hatte sich ein falsches Bild gemacht, indem er das Gesagte wie ein Evangelium hinnahm. Das war sein Fehler ganz allein und kein Verschulden anderer. Weil er annahm, daß ein Hinübergegangener durch seine Feinstofflichkeit gleichzeitig auch zum Teil allwissend oder doch wenigstens mehrwissend wurde. Darin liegt der Irrtum vieler Hunderttausende. Alles, was ein Hinübergegangener mehr weiß durch seine Wandlung, ist, daß er wirklich mit dem sogenannten Sterben nicht aufgehört hat zu sein.
Das ist aber auch alles, solange er nicht die Gelegenheit wahrnimmt, in der feinstofflichen Welt weiterzukommen, was auch dort von seinem eigenen freien Entschlusse abhängig ist. Er wird also bei Befragung um irdische Dinge in dem guten Wollen, den Wunsch zu erfüllen, seine Meinung kund tun, auch in der Überzeugung, daß er damit das Beste gibt; aber er ist selbst unbewußt gar nicht in der Lage, irdische Dinge und Verhältnisse so klar zu beurteilen, wie ein noch darin lebender Mensch in Fleisch und Blut, da ihm die Grobstofflichkeit abgeht, die er zu richtiger Beurteilung unbedingt benötigt. Sein Standpunkt muß also ein ganz anderer sein. Doch er gibt das, was er vermag, und gibt damit im besten Wollen auch das Beste. Es ist also weder ihm noch dem Medium ein Vorwurf zu machen. Er ist deshalb auch kein Lügengeist, wie wir über-
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haupt nur wissende und unwissende Geister unterscheiden sollten; denn sobald ein Geist sinkt, also unreiner und schwerer wird, verengt sich gleichzeitig auch ganz naturgemäß sein Horizont. Er gibt und wirkt stets das, was er selbst fühlt: Und er lebt nur der Empfindung, nicht dem berechnenden Verstande, den er nicht mehr hat, da dieser an das irdische Gehirn gebunden war, und damit auch an Raum und Zeit. Sobald das mit dem Sterben wegfiel, gab es für ihn kein Denken und kein Überlegen mehr, sondern nur ein Empfinden, ein unmittelbares, dauerndes Erleben!
Der Fehler liegt an denen, die um Irdisches, an Raum Zeit Gebundenes noch Rat einholen wollen von denen, die die Einengung nicht mehr haben und deshalb auch nicht begreifen können.
Die Jenseitigen sind wohl in der Lage, zu erkennen, welche Richtung in irgendeiner Sache die richtige und welche die falsche ist, aber dann muß der Mensch mit seinen irdischen Hilfsmitteln, also dem Verstande und seiner Erfahrung abwägen, wie er die rechte Richtung zu gehen vermag. Er muß es in Einklang mit allen irdischen Möglichkeiten bringen! Das ist seine Arbeit.
Auch wenn ein tiefgesunkener Geist Gelegenheit zum Einfluß und Sprechen erlangt, so kann niemand sagen, daß er lügt oder falsch zu führen versucht, sondern er gibt das wieder, was er lebt, und sucht auch andere davon zu überzeugen. Er kann nichts anderes geben.
So sind zahllose Irrtümer in der Auffassung der Spiritisten.
Der „Spiritismus“ ist sehr anrüchig geworden, doch nicht aus sich selbst, sondern durch die größte Zahl der Anhänger, die schon nach wenigen und oft sehr kärglichen Erlebnissen begeistert wähnen, daß der Schleier für sie weggezogen sei, und die dann eifrig andere beglücken wollen mit einer Vorstellung vorn feinstofflichen Leben, die sie sich selbst erdachten, die eine zügellose Phantasie erschuf und die vor allen Dingen ihre eigenen Wünsche völlig deckt. Selten aber stehen solche Bilder ganz im Einklang mit der Wahrheit!
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Erdgebunden

Das Wort wird viel gebraucht. Doch wer versteht dabei auch wirklich, was er damit sagt? „Erdgebunden“ klingt wie eine fürchterliche Strafe. Die meisten Menschen fühlen ein gelindes Grauen, fürchten sich vor denen, die noch erdgebunden sind. Dabei ist die Bedeutung dieses Wortes nicht so schlimm. Gewiß, es gibt so manches düstere, das diesen oder jenen erdgebunden werden läßt. Vorwiegend sind es aber ganz einfache Dinge, die zum Erdgebundensein hinführen müssen.
Nehmen wir z. B. einen Fall: Die Sünden der Väter rächen sich bis ins dritte und vierte Glied!
Ein Kind stellt in der Familie irgendeine Frage über das Jenseits oder über Gott, was es in der Schule oder Kirche gehört hat. Der Vater weist es kurz ab mit dem Bemerken: „Ach gehe mit dem dummen Zeug! Wenn ich gestorben bin, ist alles aus.“ Das Kind stutzt, wird zweifelnd. Die wegwerfenden Äußerungen des Vaters oder der Mutter wiederholen sich, es hört dasselbe auch von anderen, und zuletzt nimmt es deren Ansicht auf.
Nun kommt die Stunde, daß der Vater hinübergehen muß. Er erkennt dabei zu seinem Erschrecken, daß er damit nicht aufgehört hat zu sein. Nun wird der heiße Wunsch in ihm erwachen, sein Kind diese Erkenntnis wissen zu lassen. Dieser Wunsch bindet ihn an das Kind. Das Kind aber hört ihn nicht und fühlt nicht seine Nähe; denn es lebt nun in der Überzeugung, daß der Vater nicht mehr ist, und das steht wie eine feste, undurchdringliche Mauer zwischen ihm und den Bemühungen seines Vaters. Die Qual des Vaters aber, beobachten zu müssen, daß das Kind durch seinen Anstoß nun den falschen Weg verfolgt, der es immer weiter ab von der Wahrheit treibt, die Angst, daß das Kind auf diesem falschen Wege den Gefahren tieferen Sinkens nicht auszuweichen vermag und vor
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allen Dingen viel leichter ausgesetzt ist, wirkt nun gleichzeitig als sogenannte Strafe für ihn, dafür, daß er das Kind auf diesen Weg leitete. Selten gelingt es ihm, diesem die Erkenntnis auf irgendeine Art beizubringen. Er muß sehen, wie sich die falsche Idee von seinem Kinde weiter auf dessen Kinder überträgt, und so fort, alles als Mitfolge seiner eigenen Verfehlung. Er kommt nicht los, bis einer der Kindeskinder den rechten Weg erkennt, geht, und auch Einfluß auf die anderen mit ausübt, wodurch er nach und nach gelöst wird und an seinen eigenen Aufstieg denken kann.
Ein anderer Fall: Ein Gewohnheitsraucher nimmt den starken Drang zum Rauchen mit hinüber; denn es ist Empfindung, also geistig. Dieser Drang wird zum brennenden Wunsche, und der Gedanke zur Befriedigung des Dranges hält ihn dort, wo er Befriedigung erreichen kann … auf Erden. Er findet sie, indem er Rauchern nachläuft und mit diesen in deren Empfindung auch genießt. Wenn derartige kein schweres Karma an andere Stelle bindet, fühlen sie sich ganz wohl, sie werden sich einer eigentlichen Strafe sehr selten bewußt. Nur wer das ganze Sein überschaut, erkennt die Strafe in der unausbleiblichen Wechselwirkung, die dahin geht, daß der Betreffende nicht höher kommen kann, solange ihn der dauernd in „Erleben“ schwingende Wunsch zur Befriedigung an andere noch in Fleisch und Blut lebende Menschen auf Erden bindet, durch deren Empfindung allein er Mitbefriedigung erlangen kann.
So ist es auch mit sexueller Befriedigung, mit Trinken, ja sogar mit besonderer Vorliebe zum Essen. Auch da sind viele durch diese Vorliebe daran gebunden, in Küchen und Kellern herumzustöbern, um dann bei dem Genießen der Speisen durch andere mit dabei sein und wenigstens einen kleinen Teil des Genusses nachempfinden zu können. Ernst genommen ist es natürlich „Strafe“. Aber der dringende Wunsch der „Erdgebundenen“ läßt sie es nicht empfinden, sondern übertönt alles andere, und deshalb kann die Sehnsucht nach Edlerem, Höherem nicht so stark werden, daß es zum Haupterleben wird, ihn dadurch von dem anderen befreit und hebt. Was sie eigent-
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lich damit versäumen, wird ihnen garnicht bewußt, bis dieser Wunsch der Befriedigung, die ja immer nur eine kleine Teilbefriedigung durch andere werden kann, gerade dadurch wie eine langsame Entwöhnung nachläßt und erblaßt, so daß andere noch in ihm ruhende Empfindungen mit weniger starker Wunschkraft nach und nach an gleiche und dann an erste Stelle kommen, wodurch sie sofort zum Erleben und damit zur Kraft der Wirklichkeit gelangen. Die Art der zum Leben gelangten Empfindungen bringt ihn dann dorthin, wo die Gleichart ist, entweder höher oder tiefer, bis auch diese wie die erste nach und nach sich auslöst durch Entwöhnung, und die nächste zur Geltung kommt, die noch vorhanden ist. So kommt mit der Zeit die Reinigung von all den vielen Schlacken, die er mit hinübernahm. Bleibt er da nicht bei einer letzten Empfindung einmal irgendwo stehen? Oder verarmt an Empfindungskraft? Nein! Denn wenn endlich die niederen Empfindungen nach und nach abgelebt, oder abgelegt sind, und es höher geht, erwacht die Dauersehnsucht nach immer Höherem und Reinerem, und diese treibt stetig aufwärts. So ist ein normaler Gang! Nun gibt es aber tausend Zwischenfälle. Die Gefahr des Sturzes oder Hängenbleibens ist viel größer, als in Fleisch und Blut auf Erden. Bist Du schon höher und gibst Dich einer niederen Empfindung hin, nur einen Augenblick, so wird dieses Empfinden unmittelbar Erleben und dadurch zur Wirklichkeit. Du bist verdichtet und wirst schwerer, sinkst hinab in gleichartige Regionen. Dein Horizont verengt sich damit und Du mußt Dich langsam wieder hocharbeiten, wenn es Dir nicht geschieht, daß Du noch tiefer, immer tiefer sinkst. „Wachet und betet!“ ist deshalb kein leeres Wort. Jetzt ist das Feinstoffliche in Dir noch geschützt durch Deinen Körper wie durch einen festen Anker. Kommt aber dann die Loslösung im sogenannten Sterben und Zerfall des Körpers, so bist Du ohne diesen Schutz und wirst als feinstofflich unwiderstehlich von der Gleichart angezogen, ob tief, ob hoch, Du kannst dem nicht entfliehen. Nur eine große Triebkraft kann Dir aufwärts helfen, Dein starkes Wollen zu dem Guten, Hohen, das zur Sehnsucht
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und Empfindung wird, und damit auch zu dem Erleben und zur Wirklichkeit nach dem Gesetz der feinstofflichen Welt, die nur Empfindung kennt. Darum rüste Dich, schon jetzt mit diesem Wollen zu beginnen, daß es nicht bei der Wandlung, die Dich jede Stunde treffen kann, übertönt wird durch ein zu starkes irdisches Begehren! Wahre Dich, Mensch, und halte Wacht!
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Ist sexuelle Enthaltsamkeit notwendig oder anzuraten?

Wenn sich die Menschen erst von dem Irrturne der Vorzüge sexueller Enthaltsamkeit werden losgerungen haben, wird auch viel Unglück weniger sein. Erzwungene Enthaltsamkeit ist ein Übergriff, der sich bitter rächen kann. Die Gesetze in der ganzen Schöpfung zeigen doch deutlich genug den Weg, wohin man auch blickt. Unterdrückung ist widernatürlich. Alles Widernatürliche aber ist ein Aufbäumen gegen die natürlichen, also die göttlichen Gesetze, das wie in allen Dingen auch hierin keine guten Folgen bringen kann. Es wird nicht gerade in diesem einen Punkte eine Ausnahme gemacht. Nur darf sich der Mensch nicht von der sexuellen Regung beherrschen lassen, darf sich nicht zum Sklaven seiner Triebe machen, sonst zieht er diese zur Leidenschaft groß, wodurch das Natürliche, Gesunde zum krankhaften Laster wird.
Der Mensch soll darüber stehen, das heißt: nicht etwa Enthaltsamkeit erzwingen, sondern mit innerer, reiner Moral eine Kontrolle ausüben, damit anderen dadurch nicht übel widerfahre.
Wenn mancher Mensch wähnt, durch Enthaltsamkeit geistig höher zu kommen, so kann es ihm leicht geschehen, daß er damit gerade das Gegenteil erreicht. Je nach seiner Veranlagung wird er mehr oder weniger dauernd im Kampfe mit den natürlichen Trieben stehen. Dieser Kampf nimmt einen großen Teil seiner geistigen Kräfte in Anspruch, hält sie also im Bann, so daß sie anderweit sich nicht betätigen können. Somit ist eine freie Entfaltung der geistigen Kräfte gehindert. Ein solcher Mensch leidet zu Zeiten an einer drückenden Gemütsschwere, die ihn an einem inneren, frohen Aufschwunge hindert.
Der Körper ist ein vom Schöpfer anvertrautes Gut, das der Mensch zu pflegen verpflichtet ist. Ebenso wie er sich dem Verlangen des Körpers nach Essen, Trinken, Ruhe und Schlaf,
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Blasen- und Darmentleerung nicht ungestraft enthalten kann, wie Mangel an frischer Luft und geringe Bewegung sich bald unangenehm fühlbar macht, so wird er auch nicht an dem gesunden Verlangen eines reifen Körpers zu sexueller Betätigung herumkünsteln können, ohne sich irgendein Schaden damit zuzufügen.
Erfüllung des natürlichen Verlangens des Körpers kann das Innere des Menschen, also die Entwicklung des Geistigen, nur fördern, niemals hemmen, sonst würde es der Schöpfer nicht hineingelegt haben. Aber wie überall, so schadet auch hierin jede Übertreibung. Es muß scharf darauf geachtet werden, daß das Verlangen nicht etwa nur die Folge einer durch Lesen oder andere Ursache künstlich angeregten Phantasie, eines geschwächten Körpers oder überreizter Nerven ist. Es muß sich wirklich nur um die Forderung eines gesunden Körpers handeln, die durchaus nicht sehr oft an den Menschen herantritt.
Das wird nur geschehen, wenn vorher zwischen beiden Geschlechtern bereits eine vollkommene geistige Harmonie eingesetzt hat, die zum Schluß manchmal auch einer körperlichen Vereinigung zustrebt.
Alle anderen Ursachen sind für beide Teile entehrend und unrein, unsittlich, auch in der Ehe. Dort, wo die geistige Harmonie nicht vorhanden ist, wird die Fortsetzung einer Ehe zur absoluten Unsittlichkeit.
Wenn die gesellschaftliche Ordnung hierin noch keinen rechten Weg fand, so vermag dieser Mangel nichts an den Naturgesetzen zu ändern, die sich nach menschlichen Anordnungen und falsch erzogenen Begriffen niemals richten werden. Den Menschen dagegen wird nichts weiter übrig bleiben, als ihre staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen zuletzt den Naturgesetzen, also den göttlichen Gesetzen, anzupassen, wenn sie wirklich inneren Frieden haben und gesunden wollen.
Die sexuelle Enthaltsamkeit hat auch mit Keuschheit nichts zu tun. Enthaltsamkeit könnte höchstens in den Begriff „Züchtigkeit“ eingereiht werden, von Zucht, Erziehung oder Selbstzucht abgeleitet.
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Unter wahrer Keuschheit ist die Reinheit der Gedanken zu verstehen, aber in allen Dingen, bis hinab zu den beruflichen Gedanken. Keuschheit ist eine rein geistige Qualität, keine körperliche. Auch in der Erfüllung des Sexualtriebes kann die Keuschheit voll bewahrt werden durch gegenseitige Reinheit der Gedanken.
Außerdem aber hat die körperliche Vereinigung nicht nur den Zeugungszweck, sondern es soll dabei der nicht minder wertvolle und notwendige Vorgang einer innigen Verschmelzung und Austausch gegenseitiger Fluide zu höherer Kraftentfaltung erfolgen.
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Das jüngste Gericht

Die Welt! Wenn der Mensch dieses Wort benutzt, spricht er es oft gedankenlos dahin, ohne sich ein Bild davon zu machen, wie diese von ihm genannte Welt eigentlich ist. Viele aber, die versuchen, sich etwas Bestimmtes dabei vorzustellen, sehen im Geiste zahllose Weltenkörper verschiedenster Beschaffenheit und Größe in Sonnensysteme geordnet im Weltall ihre Bahnen ziehen. Sie wissen, daß immer neue und mehr Weltenkörper zu sehen sind, je schärfer und weitreichender die Instrumente geschaffen werden. Der Durchschnittsmensch findet sich dann mit dem Worte „Unendlichkeit“ ab, womit bei ihm der Irrtum einer falschen Vorstellung einsetzt.
Die Welt ist nicht unendlich. Sie ist die Schöpfung, also das Werk des Schöpfers. Dieses Werk steht wie jedes Werk neben dem Schöpfer und ist als solches begrenzt.
Sogenannte Fortgeschrittene sind oft stolz darauf, die Erkenntnis zu haben, daß Gott in der ganzen Schöpfung ruht, in jeder Blume, jedem Gestein, daß die treibenden Naturkräfte Gott ist, also alles das Unerforschliche, was sich fühlbar macht, aber nicht wirklich erfaßt zu werden vermag. Eine dauernd wirkende Urkraft, die ewig sich selbst neu entwickelnde Energiequelle, das wesenlose Urlicht. Sie dünken sich gewaltig vorgeschritten in dem Bewußtsein, Gott als eine immer auf das eine Ziel der Fortentwicklung zur Vollkommenheit hinwirkende, alles durchdringende Triebkraft überall zu finden, ihm überall zu begegnen.
Das ist aber nur in einem gewissen Sinne richtig. Wir begegnen in der ganzen Schöpfung nur seinem Willen, und damit, seinem Geiste, seiner Kraft. Er selbst steht weit über der Schöpfung. Die Schöpfung als sein Werk, als der Ausdruck seines Wollens, wurde schon mit dem Entstehen an die unabänderlichen Gesetze des Werdens und Zerfallens gebunden; denn das, was wir Naturgesetze nennen, ist der Schöpfungswille Gottes, der sich auswirkend andauernd Welten formt und auf-
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löst. Dieser Schöpfungswille ist einheitlich in der ganzen Schöpfung, zu der die feinstoffliche und die grobstoffliche Welt als eins gehört. Und diese gesamte Schöpfung ist als ein Werk nicht nur unbegrenzt wie jedes Werk, sondern auch vergänglich! Die unbedingte und unverrückbare Einheitlichkeit der Urgesetze, also des Urwillens, bringt es mit sich, daß sich in dem kleinsten Vorgange der grobstofflichen Erde stets genau das abspielt, wie es bei jedem Geschehen, also auch in den gewaltigsten Ereignissen der ganzen Schöpfung vor sich gehen muß, und wie in dem Erschaffen selbst.
Die straffe Form des Urwillens ist schlicht und einfach. Wir finden sie, einmal erkannt, in allem leicht heraus. Die Komplizierung und Unbegreiflichkeit so mancher Vorgänge liegt nur in dem vielfachen Ineinandergreifen der durch der Menschen verschiedenes Wollen gebildeten Um- und Nebenwege.
Das Werk Gottes, die Welt, ist also als Schöpfung den sich allem gleichbleibenden und vollkommenen göttlichen Gesetzen unterworfen, auch daraus entstanden, und somit begrenzt.
Der Künstler ist z. B. auch in seinem Werke, geht in diesem auf, und steht doch persönlich neben ihm. Das Werk ist begrenzt und vergänglich, das Können des Künstlers deshalb noch nicht. Der Künstler, also der Schöpfer des Werkes, kann sein Werk vernichten, in dem sein Wollen liegt, ohne daß er selbst davon berührt wird. Er wird trotzdem immer noch der Künstler bleiben. Wir erkennen und finden den Künstler in seinem Werke, und er wird uns vertraut, ohne daß wir ihn persönlich gesehen zu haben brauchen. Wir haben seine Werke, sein Wollen liegt darin und wirkt auf uns, er tritt uns darin entgegen, und kann doch selbst weit von uns für sich leben.
Der selbstschöpferische Künstler und sein Werk gibt einen matten Abglanz wieder von dem Verhältnisse der Schöpfung zu dem Schöpfer.
Ewig und ohne Ende, also unendlich ist nur der Kreislauf der Schöpfung in dem dauernden Werden, Vergehen und sich wieder Neubilden.
In diesem Geschehen erfüllen sich auch alle Offenbarungen
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und Verheißungen. Zuletzt wird sich darin für die Erde auch das „Jüngste Gericht“ erfüllen!
Das jüngste, das heißt, letzte Gericht kommt einmal für jeden Weltkörper aber es geschieht nicht gleichzeitig in der ganzen Schöpfung.
Es ist ein notwendiger Vorgang in jenem jeweiligen Teile der Schöpfung, der in seinem Kreislaufe den Punkt erreicht, an dem seine Auflösung beginnen muß, um auf dem weiteren Wege wieder neu sich bilden zu können.
Mit diesem ewigen Kreislaufe ist nicht der Lauf der Erde und anderer Sterne um ihre Sonnen gemeint, sondern der große, gewaltigere Kreis, den wiederum alle Sonnensysteme gehen müssen, während sie in sich extra noch ihre eigenen Bewegungen ausführen.
Der Punkt, an dem die Auflösung eines jeden Weltenkörpers zu beginnen hat, ist genau festgesetzt, auch wieder auf Grund der Folgerichtigkeit natürlicher Gesetze. Ein ganz bestimmter Platz, an dem der Vorgang der Zersetzung sich entwickeln muß, unabhängig von dem Zustande des betreffenden Weltenkörpers und seiner Bewohner. Unaufhaltsam treibt der Kreislauf jeden Weltenkörper darauf zu, ohne Aufschub wird die Stunde des Zerfallens sich erfüllen, das wie bei allein in der Schöpfung in Wirklichkeit nur eine Wandlung, die Gelegenheit zu einer Fortentwicklung bedeutet. Dann ist die Stunde des „Entweder-Oders“ da für jeden Menschen. Entweder er wird hochgehoben dem Lichte zu, wenn er dem Geistigen zustrebt, oder er bleibt an die Materie gekettet, an der er hängt, wenn er aus Überzeugung nur Materielles für Wertvolles erklärt. In solchem Falle kann er sich in der gesetzmäßigen Folge seines eigenen Wollens nicht von der Materie erheben und wird mit ihr dann auf der letzten Strecke Weges in die Auflösung gezogen. Das ist dann der geistige Tod! Gleichbedeutend mit dem Auslöschen aus dem Buche des Lebens. Dieser an sich ganz natürliche Vorgang wird auch mit der ewigen Verdammnis bezeichnet, weil der so in die Zersetzung mit Hineingezogene „aufhören muß zu sein“, er wird zerstäubt und in den Ursamen gemischt, diesen noch nach der
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Auflösung mit geistigen Kräften tränkend. Nie wird er wieder „persönlich“ werden können. Das Furchtbarste, was den Menschen treffen kann. Er gilt als „verworfener Stein“, der zu einem geistigen Bau nicht zu gebrauchen ist und deshalb zermahlen werden muß.
Diese auch auf Grund ganz natürlicher Vorgänge und Gesetze an erfolgende Scheidung des Geistes von der Materie ist das sogenannte „jüngste Gericht“, das mit großen Umwälzungen und Wandlungen verbunden ist.
Daß diese Auflösung nicht an einem Erdentage erfolgt, ist wohl für jeden leicht verständlich; denn in dem Weltgeschehen sind tausend Jahre wie ein Tag.
Aber wir sind mitten in dem Anfange dieser Periode. Die Erde kommt jetzt an den Punkt, an dem sie abweicht von der bisherigen Bahn, was sich auch grobstofflich sehr fühlbar machen muß. Dann setzt die Scheidung unter allen Menschen schärfer ein, die in der letzten Zeit schon vorbereitet wurde, sich aber bisher nur in „Meinungen und Überzeugungen“ kundgab.
Jede Stunde eines Erdenseins ist deshalb kostbar, mehr wie je. Wer ernsthaft sucht und lernen will, der reiße sich mit aller Anstrengung heraus aus niederen Gedanken, die ihn an das Irdische ketten müssen. Er läuft sonst Gefahr, an der Materie hängen zu bleiben und mit ihr der vollständigen Auflösung entgegengezogen zu werden. Nach dem Lichte Strebende aber werden von der Materie nach und nach gelockert und zuletzt emporgehoben zu der Heimat alles Geistigen.
Dann ist die Spaltung zwischen Licht und Dunkel endgültig vollbracht und das Gericht erfüllt.
„Die Welt“, also die ganze Schöpfung, geht dabei nicht zugrunde, sondern die Weltenkörper werden erst dann in den Auflösungsprozeß hineingezogen, sobald ihr Lauf den Punkt erreicht, an dem die Auflösung und damit auch die vorherige Scheidung einzusetzen hat. Der Anfang dazu ist für die Erde schon in Betätigung, alles wird nun bald mit Riesenschritten vorwärts rollen.
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Die Vollziehung bricht hervor durch naturgemäße Auswirkung der göttlichen Gesetze, die von Urbeginn der Schöpfung in ihr ruhten, die die Schöpfung selbst bewirkten und auch heute und in Zukunft unentwegt den Willen des Schöpfers tragen. In ewigem Kreislaufe ist es ein dauerndes Erschaffen, Säen, Reifen, Ernten und Zergehen, um in dem Wechsel der Verbindung frisch gestärkt wieder andere Formen anzunehmen, die einem nächsten Kreislaufe entgegen eilen.
Bei diesem Kreislaufe der Schöpfung kann man sich einen Riesentrichter oder eine Riesenhöhle feinstofflicher Art vorstellen, aus der in unaufhaltsamen Strome dauernd der ebenfalls feinstoffliche Ursamen herausquillt, der in kreisenden Bewegungen neuer Bindung und Entwicklung zustrebt. Genau so, wie es die Wissenschaft, schon kennt und richtig aufgezeichnet hat. Dichte, grobstofflich werdende Nebel formen sich durch Reibung und Zusammenschluß, aus diesen wieder Weltenkörper, die sich durch unverrückbare Gesetze in sicherer Folgerichtigkeit zu Sonnensystemen gruppieren und, in sich selbst kreisend, geschlossen dem großen Kreislaufe folgen müssen, der der ewige ist. Wie in dem dem irdischen Auge sichtbaren Geschehen aus dem Samen die Entwicklung, das Formen, die Reife und Ernte oder Verfall folgt, was ein Verwandeln, ein Zersetzen zur weiteren Entwicklung nach sich zieht, bei Pflanzen-, Tier- und Menschenkörpern, genau so ist es auch in dem großen Weltgeschehen. Die grobstofflich sichtbaren Weltenkörper, die eine weitaus größere, feinstofflichere, also dem irdischen Auge nicht sichtbare Umgebung mit sich führen, sind demselben Geschehen in ihrem ewigen Umlauf unterworfen, weil dieselben Gesetze in ihnen tätig sind.
Das Bestehen des Ursamens vermag selbst der fanatischste Skeptiker nicht abzuleugnen, und doch kann er von keinem irdischen Auge geschaut werden, weil er andersstofflich ist, „jenseitig“. Nennen wir es ruhig wieder feinstofflich.
Es ist auch nicht schwer zu verstehen, daß naturgemäß die sich zuerst davon bildende Welt ebenso feinstofflich und mit den irdischen Augen nicht erkennbar ist. Erst der dann später
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sich daraus weiter ergebende gröbste Niederschlag formt, ausgehend und abhängig von der feinstofflichen Welt, nach und nach die grobstoffliche Welt mit ihren grobstofflichen Körpern, und das erst ist aus den kleinsten Anfängen heraus mit den irdischen Augen und allen dazukommenden grobstofflichen Hilfsmitteln zu beobachten. Ob es sich nun um Molekülen, Elektronen oder anderes handelt, immer nur wird es zu den gröbsten Niederschlägen der feinstofflichen Welt gehören, die lange vorher schon ihre fertigen Formen und ihr Leben hatte.
Nicht anders ist es mit der Umhüllung des eigentlichen Menschen in seiner geistigen Art, auf den selbst ich noch zu sprechen komme. Bei seinen Wanderungen durch die verschiedenartigen Welten muß sein Gewand, Mantel, Schale, Körper oder Werkzeug, gleichviel, wie man die Umhüllung nennen will, stets von der gleichen Stoffart der jeweiligen Umgebung werden, in die er tritt, um sich deren als Schutz und als notwendiges Hilfsmittel zu bedienen, wenn er die Möglichkeit haben will, sich direkt wirksam darin zu betätigen. Da nun die grobstoffliche Welt ausgehend und abhängig von der feinstofflichen Welt ist, folgt daraus auch das Rückwirken alles Geschehens in der grobstofflichen Welt nach der feinstofflichen Welt.
Diese große feinstoffliche Umgebung ist aus dem Ursamen mit erschaffen worden, läuft den ewigen Kreislauf mit und wird zuletzt auch mit in die Rückseite des schon erwähnten Riesentrichters saugend getrieben, wo die Zersetzung vor sich geht, um an der anderen Seite als Ursamen wieder zu neuem Kreislaufe ausgestoßen zu werden. Wie bei der Tätigkeit des Herzens und des Blutumlaufes, so ist der Trichter wie das Herz der Schöpfung. Der Zersetzungsprozeß trifft also die gesamte Schöpfung, auch den feinstofflichen Teil, da alles sich wieder in Ursamen auflöst, um sich neu zu bilden. Nirgends ist eine Willkür dabei zu finden, sondern alles entwickelt sich aus selbstverständlicher Folgerichtigkeit der Urgesetze, die einen anderen Weg nicht zulassen. An einem gewissen Punkte des großen Kreislaufes kommt daher für alles Erschaffene, grob- oder feinstofflich, der Augenblick, wo der Zersetzungsprozeß
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aus dem Erschaffenen heraus sich selbständig vorbereitet und zuletzt hervorbricht.
Diese feinstoffliche Welt nun ist der Durchgangsaufenthalt irdisch Abgeschiedener, das sogenannte Jenseits. Es ist innig mit der grobstofflichen Welt verbunden, die zu ihr gehört, eins mit ihr ist. In dem Augenblick des Abscheidens tritt der Mensch mit seinem feinstofflichen Körper, den er mit dem grobstofflichen Körper trägt, in die gleichartig feinstoffliche Umgebung der grobstofflichen Welt, während er den grobstofflichen Körper auf dieser zurückläßt. Diese feinstoffliche Welt nun, das Jenseits, zur Schöpfung gehörend, ist den gleichen Gesetzen der dauernden Entwicklung und des Zersetzens unterworfen. Mit dem Einsetzen des Zerfalles erfolgt nun ebenfalls wieder auf ganz natürlichem Wege eine Scheidung des Geistigen von dem Stofflichen. Je nach dem geistigen Zustande des Menschen in der grobstofflichen wie auch in der feinstofflichen Welt muß sich der geistige Mensch, das eigentliche „Ich“, entweder nach oben zu bewegen, oder an der Materie gekettet bleiben. Der ernste Drang nach Wahrheit und Licht wird jeden, durch seine damit verbundene Veränderung geistig reiner und damit lichter machen, so daß dieser Umstand ihn naturgemäß von der dichten Materie mehr und mehr lockern und seiner Reinheit und Leichtigkeit entsprechend in die Höhe treiben muß. Der aber nur an die Materie Glaubende hält sich selbst durch seine Überzeugung an die Materie gebunden und bleibt daran gekettet, wodurch er nicht aufwärts getrieben werden kann. Durch selbstgewollten Entschluß jedes einzelnen nun erfolgt eine Scheidung zwischen den nach dem Lichte Strebenden und den dem Dunkel Verbundenen, nach den bestehenden natürlichen Gesetzen der geistigen Schwere.
Diese Scheidung ist das jüngste Gericht!
Es wird somit klar, daß es auch für die Entwicklungsmöglichkeit irdisch Abgeschiedener in dem Läuterungsprozesse des sogenannten Jenseits einmal ein wirkliches Ende gibt. Eine letzte Entscheidung! Die Menschen in beiden Welten sind entweder soweit veredelt, daß sie emporgehoben werden können
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zu den Regionen des Lichtes, oder sie bleiben in ihrer niederen Art nach eigenem Wollen gebunden, und werden dadurch zuletzt hinabgestürzt in die „ewige Verdammnis“, d.h., sie werden mit der Materie, von der sie nicht los können, der Zersetzung entgegen gerissen, erleiden die Zersetzung selbst schmerzhaft mit und hören damit auf, persönlich zu sein. Sie werden wie Spreu im Winde zerflattert, zerstäubt, und damit aus dem goldenen Buche des Lebens gestrichen!
Dieses sogenannte jüngste Gericht, d. h., das letzte Gericht, ist also ebenfalls ein Vorgang, der sich in Auswirkung der die Schöpfung tragenden Gesetze auf ganz natürliche Weise vollzieht, derart, daß es nicht anders kommen könnte. Der Mensch erhält auch hierbei immer nur die Früchte dessen, was er selbst gewollt hat, was er also durch seine Überzeugung herbeiführt.
Das Wissen, das alles in der Schöpfung Vor-sich-gehende in strengster Folgerichtigkeit sich selbst auswirkt, der Leitfaden für der Menschen Schicksale immer nur von diesen selbst gegeben wird durch ihr Wünschen und Wollen, daß der Schöpfer nicht beobachtend eingreift, um zu lohnen oder zu strafen, verkleinert die Größe des Schöpfers nicht, sondern kann nur Anlaß dazu geben, ihn noch weit erhabener zu denken. Die Größe liegt in der Vollkommenheit seines Werkes, und diese zwingt zu ehrfurchtsvollem Aufblick, da die größte Liebe und unbestechlichste Gerechtigkeit in dem Gewaltigsten, wie in dem kleinsten Geschehen ohne Unterschied liegen muß. Groß ist auch der Mensch, als solcher in die Schöpfung hineingestellt, als Herr seines eigenen Schicksales! Er vermag sich durch seinen Willen heraus zu heben aus dem Werke, dabei zu dessen höherer Entfaltung beizutragen; oder aber es herabzuzerren und sich darin zu verstricken, so daß er nicht mehr loskommt und mit ihm der Auflösung entgegen geht, sei es nun in der grobstofflichen oder in der feinstofflichen Welt. Darum ringt Euch frei von allen Banden niederen Gefühls; denn es ist hohe Zeit! Die Stunde naht, wo die Frist dazu abgelaufen ist! Erweckt in Euch das Sehnen nach dem Reinen, Wahren, Edlen! –
Weit über dem ewigen Kreislaufe der Schöpfung schwebt wie
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eine Krone in der Mitte eine „Blaue Insel“, die Gefilde der Seligen, der gereinigten Geister, die schon in den Regionen des Lichtes weilen dürfen! Diese Insel ist von der Schöpfung, der Welt, getrennt. Sie macht den Kreislauf deshalb auch nicht mit, sondern bildet trotz ihrer Höhe über der kreisenden Schöpfung den Halt und den Zentralpunkt der ausgehenden geistigen Kräfte. Es ist das Eiland, das auf seiner Höhe die viel gerühmte Stadt der goldenen Gassen, das himmlische Jerusalem trägt. Hier ist nichts mehr der Veränderung unterworfen. Kein jüngstes Gericht mehr zu befürchten. Die dort weilen können, sind in der „Heimat“. Als letztes aber, auf dieser blauen Insel, als höchstes dann, steht, unnahbar den Schritten Unberufener, die …. Gralsburg, die in Dichtungen so viel genannt!
Sagenumwoben, als Sehnsucht Ungezählter, steht sie dort im Lichte der größten Herrlichkeit und birgt das heilige Gefäß, das Symbol der reinen Liebe des Allmächtigen, den Gral!
Als Hüter sind der Geister Reinste bestellt, die dem Throne des Höchsten am nächsten stehen. Sie sind die Träger der göttlichen Liebe in ihrer reinsten Form, die wesentlich anders aussieht, als sie von den Menschen auf Erden gedacht ist, trotzdem diese sie täglich und stündlich erleben. Diese Burg bildet die Pforte zu den Stufen des Thrones des Allerhöchsten. Niemand vermag zu den Stufen zu kommen, ohne die Gralsburg durchschritten zu haben. Streng ist die Wacht vor dem goldenen Tore, scharf und unerbittlich, damit die Reinheit des Grales gewahrt bleibt, wodurch er den Segen über alle Suchenden ergießen kann.
Durch Offenbarungen kam die Kunde von der Burg in vielen Staffeln den weiten Weg herab von der blauen Insel durch die feinstoffliche Welt, bis sie zuletzt in vertiefter Inspiration durch einige Dichter auch unter die Menschen der grobstofflichen Erde drang. Von Stufe zu Stufe weiter abwärts gegeben, erlitt dabei das Wahre auch ungewollt verschiedene Entstellungen, so daß die letzte Wiedergabe nur ein mehrfach getrübter Abglanz bleiben konnte, der zu vielen Irrungen Anlaß wurde.
Steigt nun aus einem Teil der großen Schöpfung in arger
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Bedrängnis Leid und heißes Flehen zu dem Schöpfer auf, so wird ein Diener des Gefäßes ausgesandt, um als ein Träger dieser Liebe helfend einzugreifen in die geistige Not. Was nur als Sage und Legende in dem Schöpfungswerke schwebt, tritt dann lebendig in die Schöpfung ein! Solche Sendungen geschehen aber nicht oft. Jedesmal sind sie begleitet von einschneidenden Veränderungen, großen Umwälzungen. Jahrtausende liegen zumeist dazwischen. Die so Gesandten bringen Licht und Wahrheit den Verirrten, Frieden den Verzweifelnden, reichen mit ihrer Botschaft allen Suchenden die Hand, sammeln alle Gläubigen, um ihnen neuen Mut und neue Kraft zu bieten und sie durch alle Dunkelheit hinaufzuführen zu dem Licht.
Sie kommen nur für die, die Hilfe aus dein Licht ersehnen, nicht aber für die Spötter und Selbstgerechten. Das nächste Kommen eines solchen Gralsgesandten sei allen Suchenden ein Zeichen, sich gewaltsam aufzuraffen zu dem Guten, Edeln; denn es gemahnt an das unausbleibliche Gericht, das als das jüngste Gericht eines Tages kommen muß. Wohl dem, der dann nicht mehr durch den beschränkten Sinn an die Materie gebunden bleibt, damit er aufgehoben werden kann zum Licht!
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Der Kampf

Von einem scharfen Gegenüberstehen zweier Weltanschauungen konnte bisher noch keine Rede sein. Kampf ist also ein schlecht gewählter Ausdruck für das eigentliche Geschehen zwischen den Verstandesmenschen und den ernsten Wahrheitssuchern. Alles, was bisher erfolgte, bestand in einseitigen Angriffen der Verstandesmenschen, die für jeden ruhigen Beobachter auffallend unbegründet und oft lächerlich erscheinen müssen. Gegen alle, die sich rein geistig höher zu entwickeln suchen, liegt Verhöhnung, Anfeindung und sogar Verfolgung ernstester Art bereit, auch wenn sie stille Zurückhaltung bewahren. Es gibt immer einige, die versuchen, solche Aufwärtsstrebende mit Spott oder Gewalt zurückzureißen und herabzuzerren in das stumpfe Dahindämmern oder die Heuchelei der Massen. Viele mußten dabei zu tatsächlichen Märtyrern werden, weil nicht nur die große Menge, sondern damit auch die irdische Gewalt auf der Seite der Verstandesmenschen lag. Was diese geben können, liegt schon deutlich in dem Worte „Verstand“. Das ist: Verengte Begrenzung des Begriffsvermögens auf das rein Irdische, also dem winzigsten Teile des eigentlichen Seins.
Daß dies nichts Vollendetes, überhaupt nichts Gutes bringen kann für eine Menschheit, deren Sein sich hauptsächlich durch Teile zieht, die sich die Verstandesmenschen selbst verschlossen, ist leicht verständlich. Namentlich, wenn man dabei in Betracht zieht, daß gerade ein winziges Erdenleben ein bedeutsamer Wendepunkt für das ganze Sein werden soll, und einschneidende Eingriffe in die den Verstandesmenschen völlig unbegreiflichen anderen Teile nach sich zieht. Die Verantwortung der an sich schon tief gesunkenen Verstandesmenschen wächst dadurch in das Ungeheuere, sie wird als wuchtiger Druck dazu beitragen, sie dem Ziele ihrer Wahl schneller und schneller
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entgegenzupressen, damit sie endlich die Früchte dessen genießen müssen, dem sie mit Zähigkeit und Anmaßung das Wort geredet haben.
Unter Verstandesmenschen sind diejenigen zu verstehen, die sich bedingungslos ihrem eigenen Verstande unterwarfen. Diese glaubten sonderbarerweise seit Jahrtausenden ein unbedingtes Recht darauf zu haben, ihre beschränkten Überzeugungen durch Gesetz und Gewalt auch denen aufzwingen zu dürfen, die anderer Überzeugung leben wollten. Diese vollkommen unlogische Anmaßung liegt wiederum nur in dem engen Begriffsvermögen der Verstandesmenschen, das sich nicht höher aufzuschwingen vermag. Gerade die Begrenzung bringt ihnen einen sogenannten Höhepunkt des Begreifens, wodurch solche Überhebungen in der Einbildung entstehen müssen, weil sie glauben, wirklich auf der letzten Höhe zu stehen. Für sie selbst ist es auch so, da dann die Grenze kommt, die sie nicht überschreiten können.
Ihre Angriffe gegen die Wahrheitssucher zeigen aber in der so oft unverständlichen Gehässigkeit bei näherer Betrachtung deutlich die hinter ihnen geschwungene Peitsche des Dunkels. Selten ist bei diesen Anfeindungen ein Zug ehrlichen Wollens zu finden, das die oft unerhörte Art und Weise des Vorgehens einigermaßen entschuldigen könnte. In den meisten Fällen ist es ein blindes Daraufloswüten, das jeder wirklichen Logik entbehrt. Man sehe sich die Angriffe einmal ruhig an. Wie selten ist ein Artikel dabei, dessen Inhalt den Versuch zeigt, wirklich sachlich auf die Reden oder Aufsätze eines Wahrheitssuchers einzugehen.
Ganz auffallend macht sich die gehaltlose Minderwertigkeit der Angriffe gerade immer darin bemerkbar, daß diese niemals rein sachlich gehalten sind! Immer sind es versteckte oder offene Beschmutzungen der Person des Wahrheitssuchers. Das macht nur jemand, der sachlich nichts zu entgegnen vermag. Ein Wahrheitssucher oder Wahrheitsbringer gibt doch nicht sich persönlich, sondern er bringt das, was er sagt.
Das Wort muß geprüft werden, nicht die Person! Daß man stets erst die Person zu beleuchten sucht und dann erwägt, ob
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man auf seine Worte hören kann, ist eine Gepflogenheit der Verstandesmenschen. Diese in ihrer engen Begrenzung des Begriffsvermögens brauchen solchen äußerlichen Halt, weil sie sich an Äußerlichkeiten klammern müssen, um nicht in Verwirrung zu kommen. Das ist ja gerade der hohle Bau, den sie errichten, der unzulänglich für die Menschen ist, ein großes Hindernis zum Vorwärtskommen. Hätten sie innerlich festen Halt, so würden sie einfach Sache gegen Sache sprechen lassen und die Personen dabei ausschalten. Das vermögen sie jedoch nicht. Sie vermeiden es auch absichtlich, weil sie fühlen oder zum Teil wissen, daß sie bei einem geordneten Turnier schnell aus dem Sattel stürzen würden. Der oft benützte ironische Hinweis auf „Laienprediger“ oder „Laien-Auslegung“ zeigt etwas derartig lächerlich anmaßendes, daß jeder ernste Mensch sofort empfindet: „Hier wird ein Schild gebraucht, um krampfhaft Hohlheit zu verbergen. Eigene Leere mit einem wohlfeilen Aushängeschild zu verdecken!“
Eine plumpe Strategie, die sich nicht lange halten kann. Sie hat den Zweck, Wahrheitssucher die unbequem werden können, in den Augen der Mitmenschen von vornherein auf eine »untergeordnete“ Stufe zu stellen, wenn nicht gar auf eine lächerliche, oder doch mindestens in die Kategorie der „Pfuscher“ zu bringen, damit sie nicht ernst genommen werden. Mit solchem Vorgehen will man vermeiden, daß sich überhaupt jemand ernsthaft mit den Worten befaßt. Die Veranlassung zu diesem Vorgehen ist aber nicht die Sorge, daß Mitmenschen durch irrtümliche Lehren aufgehalten werden am inneren Aufstieg, sondern es ist eine unbestimmte Furcht, an Einfluß zu verlieren und dadurch gezwungen zu sein, selbst tiefer einzudringen als bisher, und vieles verändern zu müssen, das bisher als unantastbar gelten sollte, und bequem war.
Gerade dieser ofte Hinweis auf die „Laien“, dieses sonderbare Herabsehen auf solche, die durch ihre verstärkte und beeinflußtere Empfindung der Wahrheit viel näher stehen, die sich nicht durch starre Formen des Verstandes Mauern bauten, deckt eine Schwäche auf, deren Gefahren keinem Denkenden entgehen
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können. Wer solchen Ansichten huldigt, ist von vornherein davon ausgeschlossen, ein unbeeinflußter Lehrer und Führer zu sein; denn er steht damit Gott und seinem Wirken viel weiter entfernt, als jeder andere. Das Wissen der Religions-Entwicklungen mit all den Irrtümern und Fehlern bringt die Menschen ihrem Gotte nicht näher, ebensowenig die verstandesmäßige Auslegung der Bibel oder anderer wertvoller Niederschriften der verschiedenen Religionen. Verstand ist und bleibt an Raum und Zeit gebunden, also erdgebunden, während die Gottheit und demnach auch das Erkennen Gottes und seines Willens über Raum und Zeit und über alles Vergängliche erhaben ist, und deshalb niemals von dem eng begrenzten Verstande erfaßt werden kann. Aus diesem einfachen Grunde ist der Verstand auch nicht dazu berufen, Aufklärung in Ewigkeitswerten zu bringen. Es würde sich ja widersprechen. Und wer deshalb in diesen Dingen auf Universitätsqualifikation pocht, auf unbeeinflußte Menschen herabsehen will, spricht damit selbst sein Unvermögen und seine Beschränkung aus. Denkende Menschen werden sofort die Einseitigkeit empfinden und die Vorsicht gegen den anwenden, der in solcher Art zur Vorsicht warnt!
Nur Berufene können wahre Lehrer sein. Berufene sind solche, welche die Befähigung in sich tragen. Diese Befähigungen aber fragen nicht nach Hochschulbildung, sondern nach den Schwingungen einer verfeinerten Empfindungsfähigkeit, die sich über Raum und Zeit, also über die Begriffsgrenze des irdischen Verstandes zu erheben vermag.
Außerdem wird jeder innerlich freie Mensch eine Sache oder Lehre immer darnach bewerten, was sie bringt, nicht wer sie bringt. Das letztere ist ein Armutszeugnis für den Prüfenden, wie es nicht größer sein kann. Gold ist Gold, ob es ein Fürst in der Hand hat oder ein Bettler.
Diese unumstößliche Tatsache aber sucht man gerade in den wertvollsten Dingen des geistigen Menschen hartnäckig zu übersehen und zu ändern. Selbstverständlich mit ebensowenig Erfolg wie bei dem Golde. Denn die, die wirklich ernsthaft suchen, lassen sich durch solche Ablenkungen nicht beeinflussen, die
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Sache selbst zu prüfen. Die aber, die sich dadurch beeinflussen lassen, sind noch nicht reif zum Empfange der Wahrheit, für diese ist sie nicht.
Doch die Stunde liegt nicht fern, in der nunmehr ein Kampf beginnen muß, der bisher fehlte. Die Einseitigkeit hört auf, es folgt ein scharfes Gegenübertreten, das jede falsche Anmaßung zerstört.
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Gedankenformen

Setzt Euch in irgendein Kaffee oder Bierhaus und beobachtet dort die besetzten Tische Euerer Umgebung. Lauscht auf die Unterhaltungen. Hört, was die Menschen sich zu sagen haben. Geht in Familien, beachtet Eueren engsten Kreis in den Ruhestunden, wenn die Arbeit nicht mehr drängt.
Mit Bestürzung werdet Ihr die Hohlheit alles dessen finden, was die Menschen reden, wenn sie nicht über Ihre sonstige Beschäftigung sprechen können. Ihr werdet die Leere der Gedanken, die erdrückende Enge des Interessenkreises, sowie die erschreckende Oberflächlichkeit bis zum Abscheu empfinden, sobald Ihr Euch einmal ernsthaft mit scharfer Beobachtung befaßt. Die wenigen Ausnahmen, die Euch dabei begegnen, deren Worte in den Ruhestunden des Alltagslebens von Sehnsucht nach seelischer Vervollkommnung durchdrungen sind, werden Euch wie einsame Fremdlinge inmitten eines Jahrmarktlebens erscheinen.
Gerade in den sogenannten Ruhestunden vermögt Ihr das eigentliche Innere des Menschen am leichtesten zu erkennen, nachdem der äußere Halt und das Spezialgebiet seines Wissens mit dem Zurseiteschieben seiner gewohnten beruflichen Tätigkeit weggefallen ist. Was dann übrig bleibt, ist der eigentliche Mensch. Seht Euch diesen an und lauscht als Unbeteiligte auf seine Worte. Sehr bald werdet Ihr die Beobachtungen abbrechen, weil sie Euch unerträglich werden. Tiefe Traurigkeit kommt über Euch, wenn Ihr erkennt, wie viele Menschen nicht viel anders als die Tiere sind. Nicht ganz so stumpf, mit höherem Intellekt, in der Hauptlinie aber dasselbe. Wie mit Scheuledern gehen sie einseitig durch das Erdenleben und sehen nur immer das rein Irdische vor sich. Sie sorgen für Essen, Trinken, mehr oder weniger Aufspeicherung irdischer Werte, streben nach körperlichen Genüssen und halten alles Nachdenken
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über Dinge, die sie nicht schauen können, für Verschwendung von Zeit, die sie nach ihrer Meinung zur „Erholung“ weit besser verwenden.
Daß das Erdenleben mit allen seinen Genüssen und Freuden dazu erst dann den rechten Inhalt erhält, wenn man mit der dazu gehörenden feinstofflichen Welt einigermaßen vertraut ist, die uns mit ihr verbindenden Wechselwirkungen kennt und damit nicht mehr das Gefühl hat, Zufällen preisgegeben zu sein, können und werden sie nicht verstehen. Sie weisen es weit von sich in dem Irrtume, daß ihnen, wenn es eine feinstoffliche Welt wirklich gibt, davon nur Unbequemlichkeiten oder auch Schrecken kommen können, sobald sie sich damit befassen.
Fremd ist ihnen der Gedanke, daß mit dem Höherstreben das ganze Erdenleben erst eigentlichen Wert erhält, daß damit herrlichste Lebenswärme auch alle Erdenfreuden und Genüsse durchpulst. Diese also nicht etwa zur Seite schiebt, sondern den sich nach Reinerem und Höherem Sehnenden und ernsthaft Suchenden als schönste Wechselwirkung glühende Lebensbejahung zu Teil wird, die oft in jubelnder Begeisterung für alles Bestehende und sich Darbietende ausklingt.
Toren, die daran vorübergehen! Feiglinge, denen die herrlichen Freuden eines mutig Vordringenden immer versagt bleiben werden.
Frohlocket doch, daß alles um Euch lebt, bis weit hinaus in scheinbar unermeßliche Gefilde! Nichts ist tot, nichts leer, wie es den Anschein hat. Und alles wirkt und webt an dem Gesetz der Wechselwirkung, in dessen Mitte Ihr als Menschen steht, die Fäden neu zu formen und zu lenken, als Ausgangspunkte und als Endziele. Machtvolle Herrscher, von denen jeder einzelne sein Reich sich bildet, daß es ihn emporhebt oder unter sich vergräbt. Wacht auf! Benutzt die Macht, die Euch gegeben ist, in voller Kenntnis des gewaltigen Geschehens, damit Ihr nicht wie jetzt in Dummheit, Starrsinn oder auch in Trägheit nur schädigende Mißgeburten zeugt, die das Gesunde, Gute überwuchern und den Erzeuger selbst zuletzt ins Wanken und zum Stürzen bringen.
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Schon die nächste feinstoffliche Umgebung des Menschen vermag viel beizutragen, ihn zu heben oder hinabzudrücken. Es ist dies die sonderbare Welt der Gedankenformen, dessen Lebendigkeit nur einen kleinen Teil ausmacht von dem Riesenräderwerk der ganzen Schöpfung. Ihre Fäden aber gehen in das Grobstoffliche, wie weiter in das Feinstofflichere hinauf, ebenso jedoch auch abwärts in das Reich des Dunkels. Wie ein Riesennetz von Adern oder Nervensträngen ist alles ineinander verwoben und verschlungen, unzerreißbar, untrennbar! Darauf achtet!
Begünstigte vermögen hier und da einen Teil davon zu schauen, vieles aber nur zu ahnen. So kam manches schon zur Kenntnis der Menschheit. Diese suchten darauf weiter aufzubauen, um ein vollkommenes Bild zu erhalten. Doch dabei blieben Lücken und Fehler nicht aus. Viele Forscher auf feinstofflichem Gebiete machten Sprünge, die den Zusammenhang verlieren lassen mußten. Andere wieder füllten Lücken mit phantastischen Gebilden aus, die Entstellungen und Verzerrungen brachten, welche den Glauben an das Ganze erschüttern lassen mußten. Die Folge war berechtigter Spott, der, gestützt auf die Unlogik der sogenannten geistigen Forscher, den Sieg davontragen mußte.
Wenn schon davon gesprochen werden soll, so muß in erster Linie eine Schnur durch das ganze Geschehen in dem Schöpfungswerke gezogen werden, an die sich der Beschauer halten kann, an der er emporzuklimmen vermag. Viele ihm unverständliche Vorgänge finden ihren Ausgangspunkt schon in der näheren Umgebung. Ein Blick in die Welt der Gedankenformen müßte ihn manches verstehen lernen, das vorher unerklärlich schien. Auch die ausübende Gerechtigkeit würde bei Beurteilung mancher Fälle als eigentliche Urheber ganz andere finden, als die von ihr damit Bezichtigten, und solche in erster Linie mit zur Verantwortung ziehen. Der Schlüssel dazu liegt in dem Zusammenhange des Einzelmenschen mit der Welt der Gedankenformen, die als Nächste zu der Erdenmenschheit steht. Es ist allerdings eine Wohltat für viele, daß sie die Binde tragen,
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die sie nicht weiter schauen läßt, als ihr irdisch-körperliches Auge es aufzunehmen fähig ist. Die Art der jetzigen Gedankenformen würde sie erschrecken lassen. Lähmendes Entsetzen würde sich auf viele legen, die jetzt in naiver oder auch leichtsinnigerweise skrupellos dahinleben. Denn jeder gezeugte Gedanke nimmt, wie alles in der feinstofflichen Welt, sofort eine Form an, die den eigentlichen Sinn des Gedankens verkörpert und darstellt.
Die lebendige Schöpfungskraft, die die Menschen durchflutet, rafft durch den geschlossenen Willen eines fertigen Gedankens Feinstoffliches zusammen und schließt es bindend zu einer Form, die dem Willen dieses Gedankens Ausdruck gibt. Also etwas Wirkliches, Lebendiges, das nun Gleichartiges in dieser Welt“ der Gedankenformen durch das Gesetz der Anziehungskraft der Gleichart anzieht oder sich von solchen anziehen läßt, je nach seiner eigenen Stärke. Wie ein Gedanke bei Entstehen gleichzeitig mitempfunden wird, schwächer oder stärker, so wird auch sein feinstoffliches Gebilde entsprechendes Leben in sich tragen. Dicht bevölkert ist diese Gedankenwelt. Ganze Zentralen haben sich durch die gegenseitige Anziehungskraft gebildet, von denen durch ihre konzentrierte Kraft Beeinflussungen ausströmen auf die Menschen.
In erster Linie immer auf die, die für die Gleichart geneigt sind, die also Ähnliches in sich tragen. Diese werden dadurch verstärkt in ihrem entsprechenden Willen und zu immer erneuter Zeugung ähnlicher Gebilde angeregt, die gleichartig wirkend in die Welt der Gedankenformen treten.
Aber auch andere Menschen, die diese Eigenarten nicht in sich tragen, können davon belästigt und nach und nach dazu herangezogen werden, wenn diese Zentralen durch dauernd neuen Zustrom ungeahnte Kraft erhalten. Geschützt davor sind nur die, die Andersartiges in größerer Stärke besitzen, wodurch eine Verbindung mit Nichtähnlichem unmöglich wird.
Nun sind es aber in der Jetztzeit leider nur Haß, Neid, Mißgunst, Lüsternheit, Geiz und alle anderen Übel, die durch ihre größere Zahl der Anhänger die stärksten Kraftzentralen in der
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Welt der Gedankenformen haben. Weniger die Reinheit und die Liebe. Aus diesem Grunde nimmt das Übel mit unheimlicher Schnelligkeit an Ausdehnung zu. Dazu kommt, daß diese Kraftzentralen der Gedankenformen wiederum Verbindungen erhalten mit den gleichartigen Sphären des Dunkels. Von dort werden sie besonders angefacht zu immer stärkerer Wirksamkeit, so daß sie weiterleitend unter der Menschheit förmliche Verheerungen anzurichten vermögen.
Gesegnet soll deshalb die Stunde sein, wo die Gedanken der reinen göttlichen Liebe unter der Menschheit wieder größeren Platz einnehmen, damit gleichartig starke Zentralen in der Welt der Gedankenformen sich entwickeln, die Zufuhr aus den lichteren Sphären erhalten können, und dadurch nicht nur Stärkung den nach dem Guten Strebenden erteilen, sondern auch langsam reinigend auf dunklere Gemüter wirken.
Es ist aber auch noch eine andere Tätigkeit in dieser feinstofflichen Welt zu beobachten: Gedankenformen werden durch die Wünsche des Erzeugers auf bestimmte Personen zugetrieben, denen sie anhaften können. Sind diese Gedankenformen reiner und edler Art, so bilden sie eine Verschönerung der Person, der sie gelten, verstärken um diese den Schutz der Reinheit und können sie bei Ähnlichkeit der inneren Empfindungen noch weiter heben, zum Aufstieg kräftigen. Gedanken der Unreinheit aber müssen die Person, der sie gelten, beschmutzen, genau so wie ein grobstofflicher Körper mit Anwurf von Kot und Schlamm beschmutzt wird. Ist ein so angeworfener Mensch innerlich nicht fest verankert mit Zentralen der Lichtströmungen, so kann es ihm geschehen, daß sein Empfinden durch diesen Anwurf von unsauberen Gedanken mit der Zeit verwirrt wird. Es ist dies möglich, weil die anhaftenden unsauberen Gedankenformen Gleichartiges anzuziehen vermögen, wodurch sie, also erstarkt, die Gedanken der umklammerten Person nach und nach vergiften.
Selbstverständlich fällt die Hauptverantwortung auf den Menschen zurück, der die unsauberen Gedanken erzeugte und nach der betroffenen Person durch seinen Wunsch oder Begehren
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ausschickte; denn die Gedankenformen bleiben auch mit dem Erzeuger verbunden, auf diesen entsprechend zurückwirkend.
Deshalb muß allen wahrhaft Suchenden immer wieder zugerufen werden: „Achtet auf die Reinheit Euerer Gedanken!’‘ Setzt Euere ganzen Kräfte dafür ein. Ihr könnt nicht ahnen, was Ihr damit schafft. Es liegt etwas Gewaltiges darin! Wie starke Kämpfer könnt Ihr damit wirken. Bahnbrecher für das Licht und damit für Befreiung Euerer Mitmenschen aus den Schlingengewächsen der Giftfelder in der Welt der Gedankenformen.
Wenn einem Menschen jetzt die Binde von den Augen genommen würde, so daß er in die nächste feinstoffliche Umgebung schauen kann, würde er zuerst erschreckt ein wildes Durcheinander sehen, das ihm bange machen könnte. Aber nur so lange, bis er die Kraft erkennt, die in ihm ruht, mit der er wie mit einem scharfen Schwert sich freie Bahn zu schaffen fähig ist. Mühelos, nur durch sein Wollen. In hunderttausenden Verschiedenheiten sieht er die Gedankenformen, alle möglichen und für irdische Augen oft unmöglichen Gestaltungen. Jede einzelne aber scharf ausgeprägt, genau das zeigend und lebend, was das eigentliche Wollen bei Zeugung des Gedankens gewesen ist. Ungeschminkt, aller künstlichen Bemäntelung bar.
Aber trotz der tausenderlei Arten erkennt man mit der Zeit sofort das Wesen jeder Gedankenform, das heißt, man weiß, wohin sie trotz verschiedenen Gestaltungen gehören. Genau wie man einen Menschen vom Tier durch das Gesicht zu unterscheiden vermag, oder auch sogar die verschiedenen Menschenrassen an bestimmten Merkmalen des Gesichtes erkennt, genau so haben die Gedankenformen ganz bestimmte Ausdrücke, die klar darauf hinweisen, ob die Form zum Haß, zum Neid, zur Lüsternheit oder zu irgendeiner anderen Grundklasse gehört. Jede dieser Grundklassen hat ihren bestimmten Stempel, der den einzelnen Gedankenformen als Grundlage ihrer von ihnen verkörperten Eigenschaften aufgedrückt ist, gleichviel, welche äußere Gestaltung diese Formen durch den zeugenden Gedanken angenommen haben. So ist also trotz groteskester Verun-
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staltungen einer Form zu gräßlichsten Mißbildungen sofort zu erkennen, zu welcher Grundart sie gehört. Mit dieser Erkenntnis hört auch das anscheinend wilde Durcheinander auf, als solches zu erscheinen.
Man sieht die unverrückbare Ordnung und Strenge der die ganze Schöpfung durchströmenden Grundgesetze, die, wenn man sie kennt und sich ihrem Lauf anschmiegend fügt, unabsehbaren Schutz gewähren und großen Segen bringen. Wer sich diesen Gesetzen aber entgegenstellt, der wird natürlich angegriffen und erfährt, wenn er nicht umgeworfen und zermalmt wird, mindestens scharfe Abschleifungen, die ihn unter Schmerzen und bitteren Erfahrungen selbst so lange umformen, bis er in die Strömung dieser Gesetze paßt und kein Hindernis mehr bedeutet. Erst dann kann er mit emporgetragen werden.
Diese Gedankenformen senden ihre Wirkungen nicht nur auf die Menschheit zurück, sondern sie greifen weiter; denn in die gleiche feinstoffliche Welt der näheren Umgebung gehören auch der größte Teil der Naturwesen. Wer sich einmal mit der Tatsache abgefunden hat, daß alles lebt und damit auch alles in Formen ist, ob es irdisch sichtbar oder nicht sichtbar erscheint, dem wird es kein schwerer Schritt sein, sich vorzustellen, daß auch Elementarkräfte geformt sind. Zu diesen gehören die schon von vielen — früher mehr wie jetzt — geschauten Gnomen, Elfen, Sylphen, Nixen usw., Erd-, Luft-, Feuer-und Wasserwesen. Sie werden beeinflußt von den Gedankenformen, wodurch auch wiederum viel Heil oder Unheil entsteht. Und so geht es weiter. Eins greift in das andere, wie bei dem Räderwerk eines bis zur höchsten Kunst vollendeten Mechanismuses.
Inmitten all dieses Getriebes aber steht der Mensch! Ausgerüstet mit den Mitteln, die Art der Gewebe anzugeben, die aus dem Wirken in der Schöpfung hervorgehen sollen. Das Räderwerk nach verschiedenen Richtungen hin einzustellen. Seid Euch dieser unermeßlichen Verantwortung bewußt; denn alles spielt sich nur in dem eigenen Kreise Eueres Erdenbannes ab. Darüber hinaus geht nach der weisen Einrichtung des
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Schöpfers nichts, sondern es kommt nur auf Euch selbst zurück. Ihr vermögt das Dies- und Jenseits der Erde zu vergiften durch Euer Wünschen, Denken und Wollen, oder auch reinigend emporzuheben, dem Lichte zu. Deshalb werdet Lenker des Geschickes, das nach oben führt, durch Reinheit Euerer Gedanken!

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Sittlichkeit

Wie eine dunkle Gewitterwolke lagert es über der Menschheit. Schwül ist die Atmosphäre. Träge, unter dumpfem Drucke arbeitet die Empfindungsfähigkeit der einzelnen. Hochgradig gespannt sind nur die Nerven, die auf das Gefühls- und Triebsleben der Körper wirken. Künstlich angestachelt durch den Irrtum falscher Erziehung, falscher Einstellung und Selbsttäuschung. Der Mensch von heute ist in dieser Beziehung nicht normal, sondern er trägt einen krankhaften, bis auf das Zehnfache gesteigerten sexuellen Trieb mit sich, dem er in hundertfältigen Formen und Arten einen Kult zu erbauen sucht, der zum Verderben der ganzen Menschheit werden muß.
Ansteckend, übertragend wie ein Pesthauch wirkt dies alles mit der Zeit auch auf die, die sich noch krampfhaft anzuklammern suchen an ein Ideal, das ihnen im Verborgenen ihres Halbbewußtseins vorschwebt. Sie strecken wohl verlangend ihre Arme darnach aus, lassen diese aber seufzend immer wieder sinken, hoffnungslos, verzweifelt, wenn sich ihr Blick auf die Umgebung richtet. In dumpfer Ohnmacht sehen sie mit Grauen, mit welcher Riesenschnelle der klare Blick für Sittlichkeit und Unsitte sich trübt, die Urteilsfähigkeit verloren geht und das Begriffsvermögen darin wandelt, derart, daß man so vieles, das vor kurzem noch Abscheu und Verachtung ausgelöst hätte, sehr schnell als ganz natürlich hinnimmt und nicht einmal darüber stutzt. Aber der Becher ist bald bis zum Rande gefüllt. Es muß ein furchtbares Erwachen kommen!
Schon jetzt geht es manchmal über diese sinnengepeitschten Massen wie ein plötzliches scheues Ducken, ganz mechanisch, unbewußt. Unsicherheit greift einen Augenblick an manches Herz; doch zum Erwachen, zu klarer Empfindung ihres unwürdigen Treibens kommt es nicht.

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hin ein, um solche „Schwäche“ oder „letzte Anhängsel“ veralteter Gesinnungen abzuschütteln oder gar zu übertönen. Fortschritt um jeden Preis soll sein. Fortschreiten aber kann man nach zwei Seiten. Auf- oder abwärts. Wie man wählt. Und wie es jetzt steht, geht es abwärts, mit unheimlicher Geschwindigkeit. Der Anprall muß die also Niedersausenden zerschmettern, wenn die Stunde schlägt, wo sie auf einen starken Widerstand aufstoßen.
In dieser schwülen Atmosphäre zieht sich die Gewitterwolke immer dichter, unheilbringender zusammen. Jeden Augenblick ist nun der erste Blitzstrahl zu erwarten, der die Finsternis durchschneidet und erhellt. Der flammend das Verborgenste beleuchtet mit einer Unerbittlichkeit und Schärfe, die in sich die Befreiung trägt für solche, die nach Licht und Klarheit streben. Verderben aber denen bringt, die kein Verlangen nach dem Lichte haben. Je länger diese Wolke Zeit erhält, ihre Dunkelheit und Schwere zu verdichten, desto greller und erschrekkender wird auch der Blitz sein, den die Wolke zeugt. Vergehen wird die weiche, erschlaffende Luft, die in den Falten ihrer Trägheit schleichende Lüsternheit verbirgt; denn dem ersten Blitzstrahle wird auch naturgemäß ein frischer, herber Luftstrom folgen, der neues Leben bringt. In kalter Klarheit des Lichtes werden urplötzlich alle Ausgeburten der düsteren Phantasie ihrer gleißnerischen Unwahrheiten entkleidet vor den Blicken der entsetzten Menschheit stehen. Der Erschütterung eines gewaltigen Donners gleich wird das Erwachen in den Seelen wirken, so daß sich das lebendige Quellwasser ungetrübter Wahrheit brausend über den dadurch gelockerten Grund ergießen kann. Der Tag der Freiheit bricht an. Befreiung von dem Banne einer seit Jahrtausenden bestehenden und sich jetzt zur höchsten Blüte entfaltenden Unsittlichkeit.
Sehet Euch um! Betrachtet die Lektüre, Tänze, Kleidung! Die jetzige Zeit ist mehr, als je geschehen, bemüht, durch Niederreißen aller Schranken zwischen zwei Geschlechtern die Reinheit der Empfindung systematisch zu trüben, sie in dieser Trübung zu entstellen und ihnen irreführende Masken auf-

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zusetzen. Wenn irgendmöglich zuletzt ganz zu ersticken. Aufsteigende Bedenken betäuben die Menschen mit hohen Reden, die aber scharf geprüft nur aus dem innerlich vibrierenden Sexualtriebe heraufsteigen, um den Begierden auf zahllose Arten, geschickt und ungeschickt, in verdeckter und unverdeckter Weise immer neue Nahrung zu geben.
Sie sprechen von Auftakt zu freiem, selbständigem Menschentume, von einer Entwicklung innerer Festigung, von Körperkultur, Schönheit der Nacktheit, veredeltem Sport, Erziehung zur Lebendigmachung des Wortes: „Dem Reinen ist alles rein!“, kurz: Hebung des Menschengeschlechts durch Ablegung aller „Prüderie“, um so den edlen freien Menschen zu schaffen, der die Zukunft tragen soll! Wehe dem, der es wagt, etwas dagegen zu sagen! Ein derartig Verwegener wird sofort unter großem Geheul gesteinigt mit Anwürfen, ähnlich den Behauptungen, daß nur unreine Gedanken ihn bewegen können, etwas „dabei zu finden“!
Ein toller Strudel fauligen Wassers, aus dem eine betäubende, vergiftende Atmosphäre sich verbreitet, die gleich einem Morphiumrausche sinnverwirrende Täuschungen auslöst, in die sich dauernd Tausende und Abertausende hineingleiten lassen, bis sie erschlaffend darin untergehen. Der Bruder sucht die Schwester zu belehren, Kinder ihre Eltern. Wie eine Sturmflut jagt es über alle Menschen hin, und tolle Brandung zeigt sich dort, wo einige Besonnene ekelerfaßt wie Felsen im Meere noch einsam stehen. An diese klammern sich viele, denen die eigene Kraft in dem Tosen auszugehen droht. Man sieht sie gern, die kleinen Gruppen, die wie Oasen in der Wüste stehen. Ebenso wie solche erquickend, zur Ruhe und Erholung ladend für den Wanderer, der sich mühsam durch den verderbendrohenden Samum kämpfen konnte.
Was heute unter all den schönen Mäntelchen zum Fortschritte gepredigt wird, ist nichts anderes, als eine verblümte Förderung großer Schamlosigkeit, Vergiftung jeder höheren Empfindung in dem Menschen. Die größte Seuche, die die Menschheit je betroffen hat. Und sonderbar: es ist, als ob so

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viele nur darauf gewartet hätten, daß ihnen ein glaubhafter Vorwand gegeben wurde, sich selbst zu Tieren zu erniedrigen. Zahllosen Menschen ist es sehr willkommen!
Doch wer die geistigen Gesetze kennt, die in dem Weltall wirken, wird sich mit Abscheu von den jetzigen Bestrebungen wenden. Nehmen wir nur eines der „harmlosesten“ Vergnügen heraus: „Die Familienbäder“. „Dem Reinen ist alles rein!“ Das klingt so schön, daß man sich im Schutze dieses Wohlklanges so manches erlauben darf. Betrachten wir uns aber einmal die einfachsten feinstofflichen Vorgänge in einem derartigen Bade. Angenommen, es seien dreißig Personen verschiedenen Geschlechts, und davon neunundzwanzig wirklich in jeder Beziehung rein. Eine Annahme, die von vornherein völlig ausgeschlossen ist; denn das Umgekehrte würde richtiger, sogar dann noch selten sein. Doch nehmen wir es an. Der Eine, der Dreißigste, hat, durch das Sehen angeregt, unreine Gedanken, trotzdem er sich äußerlich vielleicht vollkommen korrekt verhält. Diese Gedanken verkörpern sich feinstofflich sofort in lebendige Gedankenformen, ziehen nach dem Objekt seines Schauens und haften diesem an. Das ist eine Beschmutzung, gleichviel, ob es zu irgendwelchen Äußerungen oder Tätlichkeiten kommt oder nicht! Die betreffende angeworfene Person wird diesen Schmutz mit sich herumtragen, der ähnliche umherirrende Gedankenformen anzuziehen vermag. Dadurch wird es dichter, immer dichter um sie herum, kann zuletzt beirrend auf sie einwirken und sie vergiften, wie ein schmarotzendes Schlinggewächs oft den gesündesten Baum absterben läßt. Das sind die feinstofflichen Vorgänge bei den sogenannten „harmlosen“ Familienbädern, Gesellschaftsspielen, Tänzen oder anderem mehr.
Nun muß aber bedacht werden, daß in diese Bäder und Vergnügungen auf jeden Fall gerade alle die gehen, die direkt etwas suchen, um ihre Gedanken und Gefühle durch solche Schau besonders anregen zu lassen! Welcher Schmutz also damit gezüchtet wird, ohne daß äußerlich grobstofflich etwas bemerkt werden kann, ist nicht schwer zu erklären. Ebenso

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selbstverständlich ist es, daß dieses sich dauernd vermehrende und verdichtende Gewölk der sinnlichen Gedankenformen nach und nach auf zahllose Menschen einwirken muß, die von sich aus solche Dinge nicht suchen. In denen tauchen erst schwach, dann stärker und lebendiger ähnliche Gedanken auf, die dauernd  genährt werden durch die jetzige Art der „Fortschritte in seiner Umgebung, und so gleitet einer nach dem anderen mit in den dickflüssigen dunklen Strom, in dem sich das Begriffsvermögen von wirklicher Reinheit und Sittlichkeit immer mehr verdüstert und zuletzt alles in die Tiefe vollster Dunkelheit reißt.
Diese Gelegenheiten und Anregungen zu solchen wuchernden Auswüchsen müssen in erster Linie wieder genommen werden! Sie sind nichts als Brutherde, in die das verpestete Gewürm unsittlicher Menschen ihre Gedanken werfen können, die dann wuchernd emporschießen und sich verheerend über die ganze Menschheit gießen, immer neue Brutstätten schaffend, die zuletzt nur noch ein Riesenfeld ekler Gewächse bilden, von denen ein Gifthauch ausgeht, der auch Gutes mit erstickt.
Reißt Euch heraus aus diesem Taumel, der einem Narkotikum gleich nur eine Kräftigung vortäuscht, in Wirklichkeit aber erschlaffend und verderbenbringend wirkt. Natürlich ist es, wenn auch betrübend, daß gerade das weibliche Geschlecht in erster Linie wieder über alles Maß hinaus geht und in seiner Kleidung skrupellos bis zur Dirnenhaftigkeit herabgesunken ist. Das beweist aber nur die Richtigkeit der Erklärung über die feinstofflichen Vorgänge. Gerade das Weib in seiner von Natur aus stärkeren Empfindungsfähigkeit nimmt dieses Gift der verpesteten feinstofflichen Gedankenformenwelt zuerst und tiefer auf, sich selbst ganz unbewußt. Sie ist diesen Gefahren mehr preisgegeben, wird aus diesem Grunde auch zuerst fortgerissen und geht unverständlich schnell und auffallend über jede Grenze hinaus. Nicht umsonst heißt es: „Wenn ein Weib schlecht wird, so ist es schlimmer als ein Mann!“ Dasselbe gilt in jeder Art, sei es in Grausamkeit, in Haß oder in Liebe! Das Tun des Weibes wird immer ein Produkt der sie umgebenden

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feinstofflichen Welt sein! Natürlich gibt es darin Ausnahmen. Auch ist es dadurch der Verantwortung nicht entzogen; denn es vermag die auf sie einstürmenden Eindrücke zu beobachten und das eigene Wollen und Tun nach seinem Willen zu lenken, wenn … es will! Daß dies von der Mehrzahl leider nicht geschieht, ist ein Fehler des weiblichen Geschlechtes, der nur der absoluten Unwissenheit in diesen Dingen zu danken ist. Schlimm ist es aber für die jetzige Zeit, daß das Weib in Wirklichkeit auch die Zukunft des Volkes in der Hand hat. Sie trägt sie, weil ihr seelischer Zustand einschneidender auf die Nachkommen ist als der des Mannes. Welchen Niedergang muß uns demnach die Zukunft bringen! Unausbleiblich! Mit Waffen, Geld oder Entdeckungen läßt es sich nicht aufhalten. Auch nicht durch Güte oder geschulte Politik. Da müssen tiefer einschneidende Mittel kommen.
Aber nicht die Frau allein trifft diese ungeheuere Schuld. Sie wird immer nur das getreue Spiegelbild jener Welt von Gedankenformen sein, die über ihrem Volke lagert. Das darf man nicht vergessen. Achtet und ehrt das Weib als solches, und es wird sich darnach formen, wird das werden, was Ihr in ihr seht, und damit hebt Ihr Euer ganzes Volk! Doch vorher muß unter den Frauen ein großer Umwandlungsprozeß geschehen. Wie sie jetzt sind, kann eine Heilung nur durch gründliche Operation erfolgen, mit einem gewaltsamen, unerbittlichen Eingriffe, der jede Wucherung mit scharfen Messern herausschneidet und in das Feuer wirft! Sonst würde sie alle gesunden Teile noch vernichten.
Auf diese notwendige Operation an der ganzen Menschheit eilt die jetzige Zeit unaufhaltsam zu, schneller, immer schneller, führt sie zuletzt selbst herbei! Das wird schmerzhaft, furchtbar sein, doch das Ende ist Gesundung. Erst dann ist die Zeit da, von Sittlichkeit zu sprechen. Heute würde es gleich dem im Sturme gesprochenen Worte verhallen. Doch ist die Stunde dann vorüber, in der das Sündenbabel untergehen mußte, weil es verfault in sich zusammenbrach, dann achtet auf das weibliche Geschlecht! Sein Tun und Lassen wird Euch immer zei-

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gen, wie Ihr seid, weil es in seiner feineren Empfindungsfähigkeit das lebt, was die Gedankenformen wollen.
Der Umstand gibt uns auch Gewißheit, daß bei reinem Denken und Empfinden die Weiblichkeit als erste emporschnellen wird zu jenem Ideal, das wir als Edelmenschen ansehen. Dann hat die Sittlichkeit im vollen Ganze ihrer Reinheit Einzug gehalten!

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Die Ehe

Ehen werden im Himmel geschlossen! Dieser Satz wird oft mit Grimm und Bitterkeit von Verheirateten gerufen. Aber er wird auch gleißnerisch von solchen angewendet, die vom Himmel am weitesten entfernt sind. Die natürliche Folge ist, daß man über diesen Spruch nur noch die Achseln zuckt, lächelt, spottet und sogar auch höhnt.
Im Hinblick auf alle die Ehen, die ein Mensch im Laufe der Jahre in seiner nächsten und weiteren Umgebung kennen lernt, wird dies verständlich. Die Spottenden haben Recht. Nur würde es besser sein, nicht über den Ausspruch zu spotten, sondern über die Ehen selbst! Diese sind es, denen in der Mehrzahl nicht nur Spott und Hohn, sondern sogar Verachtung gebührt.
Die Ehen, wie sie heute sind und wie sie schon vor hunderten von Jahren waren, machen die Wahrheit des Spruches zu schanden, lassen niemand daran glauben. Sie sind mit leider nur sehr seltenen Ausnahmen ein ausgesprochen unsittlicher Zustand, dem ein Ende zu bereiten nicht schnell genug geschehen kann, um Tausende vor dieser Schande zu bewahren, in die sie der Gepflogenheit der Jetztzeit entsprechend blind hineinrennen. Sie wähnen, daß es nicht anders sein kann, weil es so üblich ist. Dazu kommt, daß gerade in der Jetztzeit alles bis zur Schamlosigkeit darauf zugeschnitten ist, jede reinere Empfindung zu trüben und zu ersticken. Kein Mensch denkt daran, die Persönlichkeit auch durch Ehrfurcht dem Körperlichen gegenüber zu dem zu machen, was sie sein sollte, sein kann und sein muß.
Der Körper hat gleich der Seele etwas Kostbares, deshalb Unantastbares zu sein, das man nicht zur Anlockung zur Schau stellt. Etwas Hohes, Heiliges! Und deshalb läßt sich auf Erden auch in dieser Beziehung der Körper von der Seele nicht trennen. Beides ist gleichzeitig als Heiligtum zu achten und zu bewahren, wenn es irgendeinen Wert haben soll. Sonst wird es Plunder, an dem man sich beschmutzt, dem nur gebührt, in
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die Ecke geworfen zu werden, um dem ersten besten vorüberziehenden Trödler billig anzugehören. Ergießt sich heute ein Heer solcher Trödler und Aufkäufer über die Erde, so finden sie ungeahnte Mengen dieses Plunders. Jeder Schritt bringt ihnen neue Ansammlungen, die schon ihrer harren. Und solche Aufkäufer und Trödler ziehen tatsächlich schon in dichten Scharen umher. Sie sind die Gesandten und Werkzeuge der Finsternis, die gierig die wohlfeile Beute an sich reißen, um sie weiter und weiter triumphierend hinabzuführen in ihr dunkles Reich, bis alles über ihnen schwarz zusammenschlägt und sie den Weg zum Licht nie mehr zurückfinden können. Es ist kein Wunder, daß alles lacht, sobald noch jemand ernsthaft davon spricht, daß Ehen im Himmel geschlossen werden!
Die staatliche Eheschließung ist nichts anderes als ein nüchterner Geschäftsakt. Die sich dadurch Verbindenden nehmen ihn vor, nicht etwa um gemeinsam ernsthaft an ein Werk heranzutreten, das den inneren und äußeren Wert der beteiligten Personen hebt, das sie gemeinsam hohen Zielen zustreben läßt, und somit sich selbst, der Menschheit, sowie der ganzen Schöpfung zum Segen gereichen, sondern als einfachen Pakt, mit dem sie sich gegenseitig materiell sicher stellen, damit die beiderseitige körperliche Preisgabe ohne rechnerische Bedenken erfolgen kann. Wo bleibt da die Heiligkeit des Körpers, die von beiden Seiten in eine Ehe gebracht und darin auch gewahrt werden soll? Diese wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Das Weib nimmt dabei eine so entwürdigende Stellung ein, daß man sieh von ihr abwenden müßte. In achtzig von hundert Fällen verdingt oder verkauft sie sich einfach in den Dienst des Mannes, der nicht einen gleichwertigen Kameraden in ihr sucht, sondern außer einem Schauobjekt eine billige und willige Wirtschafterin, die ihm das Heim behaglich macht, , mit der er auch unter dem Deckmantel einer falschen Ehrenhaftigkeit gemeinsam den Begierden ungestört fröhnen kann.
Aus den nichtigsten Gründen verlassen junge Mädchen oft das Elternhaus, um eine Ehe einzugehen. Manchmal sind sie des Elternhauses müde, sehnen sich nach einem Wirkungs-
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kreise, in dem sie selbst bestimmen können. Andere dünken es sich reizvoll, eine junge Frau zu spielen, oder erhoffen mehr Bewegtheit im Leben. Sie glauben vielleicht auch in bessere materielle Verhältnisse zu kommen. Ebenso gibt es Fälle, wo junge Mädchen aus Trotz heraus eine Ehe eingehen, um damit einen anderen zu ärgern. Auch rein körperliche Triebe geben die Veranlassung zum Eheschluß. Durch falsche Lektüre, Unterhaltung und Spielerei wurden sie erweckt und künstlich großgezogen.
Selten ist es wirkliche seelische Liebe, die sie zu diesem ernstesten aller Schritte im Erdenleben veranlaßt. Die Mädchen sind unter treuer Assistenz vieler Eltern angeblich „zu klug“, um sich nur von reineren Empfindungen leiten zu lassen, rennen aber damit erst recht in das Unglück hinein. Solche haben ihren Lohn für diese Oberflächlichkeit zum Teil schon in der Ehe selbst. Zum Teil aber nur! Das bittere Erleben der Wechselwirkung als Folge solcher falscher Ehen kommt viel später; denn das Hauptübel dabei liegt in der Versäumnis, die damit im möglichen Fortschritte leichtsinnig herbeigeführt wird. So manches Erdenleben ist dadurch für einen eigentlichen Zweck des persönlichen Seins vollkommen verloren. Es bringt sogar noch einen schweren Rückgang, der mühsam wieder nachgeholt werden muß.
Wie anders, wenn eine Ehe auf rechter Grundlage geschlossen ist und harmonisch sich gestaltet! Freudig, einer im freiwilligen Dienste des anderen, wachsen sie aneinander empor zu geistiger Veredelung, Schulter an Schulter lächelnd den irdischen Mühsalen entgegenblickend. Die Ehe wird dann zum Gewinn fürs ganze Sein, aus Glück heraus. Und in dem Glücke ruht ein Aufschwung nicht nur für die einzelnen, sondern für die ganze Menschheit! Wehe deshalb den Eltern, die ihre Kinder durch Überredung, List oder Zwang aus Vernunftsgründen in falsche Ehen treiben. Die Wucht der Verantwortung, die darin weiter greift als nur für ihr Kind, fällt früher oder später so nachhaltig auf sie, daß sie wünschen, nie auf solche „glänzende Gedanken“ gekommen zu sein.
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Die kirchliche Eheschließung nun wird von vielen nur als ein Teil einer rein irdischen Feier angesehen. Die Kirchen selbst oder deren Vertreter wenden das Wort an. „Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden!“ Religiösen Kulten liegt der Grundgedanke vor, daß die beiden Eheschließenden durch diese Handlung einer Trauung von Gott zusammengefügt werden. „Fortgeschrittene“ nehmen statt dessen auch den Sinn, daß die beiden Eheschließenden damit vor Gott zusammengefügt werden. Die letzte Deutung hat immer noch mehr Berechtigung wie die erste.
Gewollt ist aber mit diesen Worten eine derartige Deutung nicht! Sie sollen etwas ganz anderes sagen. Es ist dabei die Tatsache zugrunde gelegt, daß Ehen wirklich im Himmel geschlossen sind.
Werden von diesem Satze alle falschen Begriffe und Deutungen entfernt, so hört sofort jede Ursache zum Lachen, Spotten oder Höhnen auf, und der Sinn liegt in seinem ganzen Ernste und seiner unabänderlichen Wahrheit vor uns. Die natürliche Folge ist aber dann auch die Erkenntnis, daß die Ehen ganz anders gemeint und gewollt sind, als die heutigen es sind, das heißt, daß ein Eheschluß nur unter ganz anderen Voraussetzungen, mit ganz anderen Ansichten und Überzeugungen und mit ganz reinen Absichten erfolgen darf.
„Die Ehen werden im Himmel geschlossen“, zeigt in erster Linie, daß schon bei Eintritt in das „irdische Leben ein jeder Mensch bestimmte Eigenschaften mitbringt, deren harmonische Entwicklung nur Menschen mit den dazu passenden Eigenschaften bewirken können. Dazu passende Eigenschaften sind aber nicht die gleichen, sondern solche, die ergänzen und durch diese Ergänzung vollwertig machen. In der Vollwertigkeit aber erklingen alle Saiten in einem harmonischen Akkord. Wird nun der eine Teil durch den anderen vollwertig gemacht, so wird auch dieser andere dazu kommende Teil durch den zweiten ebenso vollwertig, und in dem Zusammenschluß beider, also in dem Zusammenleben und Wirken, wird dieser harmonische Akkord erklingen. So ist die Ehe, die im Himmel geschlossen ist.
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Damit ist aber nicht gesagt, daß für einen Menschen zu einer harmonischen Ehe nur ein ganz bestimmter anderer Mensch auf Erden befähigt ist, sondern es sind meistens einige da, die die Ergänzung des anderen Teiles in sich tragen. Man braucht also nicht etwa Jahrzehnte um die Erde zu wandern, um diesen zweiten, wirklich passenden und ergänzenden Teil zu finden. Es heißt nur, den nötigen Ernst dazu zu verwenden, Augen, Ohren und Herz offen zu halten, vor allem von den bisher als Vorbedingung zu einer Ehe gestellten Forderungen abzusehen. Gerade das, was heute gilt, soll nicht sein.Gemeinsame Arbeit und hohe Ziele bedingt eine gesunde Ehe ebenso unerläßlich, wie ein gesunder Körper die Bewegung und frische Luft. Wer auf Bequemlichkeit und möglichste Sorglosigkeit rechnet und darauf das Zusammenleben aufzubauen sucht, wird zuletzt nur Ungesundung mit allen Nebenerscheinungen ernten. Deshalb sucht endlich Ehen einzugehen, die im Himmel geschlossen sind. Dann wird das Glück Euch finden!
Das im Himmel geschlossen sein bedeutet, vor oder mit Eintritt in das Erdenleben schon für einander vorgesehen zu sein. Das Vorgesehensein liegt aber nur in den mitgebrachten Eigenschaften, mit denen sich zwei gegenseitig voll ergänzen. Solche sind dadurch für einander bestimmt.
Bestimmtsein kann man aber ebensogut auch ausdrücken mit „für einander passen, sich also wirklich ergänzen.“ Darin liegt die Bestimmung.
„Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Das Nichtverstehen dieses Wortes Christi hat schon so manches Unheil angerichtet. Viele wähnten bisher unter: „Was Gott zusammengefügt“ den Eheschluß. Dieser hat mit dem Sinn der Worte bisher so gut wie nichts zu tun gehabt. Das, was Gott zusammengefügt, ist ein Bund, in dem die Bedingungen erfüllt sind, die eine volle Harmonie erfordert, der also im Himmel geschlossen ist. Ob darüber nun die staatliche und kirchliche Konzession erteilt wurde oder nicht, ändert an der Sache nichts.
Selbstverständlich ist es notwendig, sich dabei auch in die
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staatliche Ordnung einzufügen. Wird dann eine Trauung bei einem so geschlossenen Bund noch nach dem jeweiligen religiösen Kult in entsprechender Andacht vorgenommen, so ist es ganz natürlich, daß dieser Bund durch die innere Einstellung der Beteiligten eine noch viel höhere Weihe erhält, die wirklichen und starken geistigen Segen über das Paar bringt. Eine solche Ehe ist dann wirklich von und vor Gott zusammengefügt und im Himmel geschlossen.
Nun folgt die Warnung: „Das soll der Mensch nicht scheiden!“ Wie klein ist auch der hohe Sinn dieser Worte herabgedrückt worden. Dabei liegt die Wahrheit doch so klar zu Tage! Wo immer auch ein Bund sich findet, der im Himmel geschlossen ist, das heißt, wo zwei sich so ergänzen, daß ein voller harmonischer Akkord ersteht, dort soll kein Dritter versuchen, eine Trennung herbeizuführen. Sei es, um Mißklang hinein zu bringen, eine Vereinigung unmöglich zu machen oder eine Trennung herbeizuführen, gleichviel, ein solches Unterfangen wäre Sünde. Ein Unrecht, das sich in seiner Wechselwirkung schwer an den Urheber heften muß, da zwei Menschen gleichzeitig davon betroffen werden, und mit diesen auch der Segen, der durch ihr Glück sich ausgebreitet hätte in die grob- und feinstoffliche Welt. Es ist in diesen Worten eine schlichte Wahrheit, die sich nach allen Seiten kenntlich macht. Die Warnung ist zum Schutze nur solcher Bündnisse, die durch die schon vorher erwähnten Vorbedingungen im Himmel geschlossen sind, wofür sie ihre Bestätigung durch die mitgebrachten beiderseitig sich ergänzenden seelischen Eigenschaften haben.
Zwischen solche soll sich kein Dritter drängen, auch nicht die Eltern! Den beiden Beteiligten selbst wird es nie einfallen, eine Trennung zu wünschen. Die ihnen durch ihre gemeinsamen seelischen Eigenschaften zugrunde gelegte göttliche Harmonie läßt einen solchen Gedanken nicht aufkommen. Ihr Glück und die Beständigkeit ihrer Ehe ist damit von vornherein gewährleistet. Wird ein Antrag auf Scheidung von einem der Ehegatten gestellt, so gibt dieser damit den besten Beweis, daß die notwendige Harmonie nicht zugrunde liegt, die Ehe also
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auch nicht im Himmel geschlossen sein kann. In solchem Falle sollte eine Ehe unbedingt geschieden werden. Zur Hebung des sittlichen Selbstbewußtseins beider auf solcher ungesunden Stufe lebenden Ehegatten. Derartige falsche Ehen bilden jetzt die große Mehrzahl. Dieser Übelstand liegt vorwiegend an dem moralischen Rückgange der Menschheit sowie in der herrschenden Anbetung des Verstandes.
Das Scheiden dessen, was Gott zusammengefügt, betrifft aber nicht nur die Ehe, sondern auch schon das vorhergehende Sichnähern zweier Seelen, die durch die sich ergänzenden Eigenschaften nur Harmonie entwickeln können, also für einander bestimmt sind. Ist dann ein solcher Bund geschlossen, und ein Dritter versucht sich hineinzuzwängen durch Verleumdung oder ähnliche bekannte Mittel, so ist diese Absicht schon der vollendete Ehebruch!
Der Sinn der Worte: „Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden“, ist so einfach und klar, daß schwer zu begreifen ist, wie hierüber eine irrige Auffassung auftauchen konnte. Es war das nur möglich durch unrichtige Trennung der geistigen Welt von der irdischen Welt, wodurch beschränkte Verstandesauffassung zur Geltung kommen konnte, die noch nie wirkliche Werte zeitigte.
Aus dem Geistigen wurden diese Worte gegeben, nur aus dem Geistigen können sie deshalb ihre wahre Erklärung finden!
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Das Gebet

Wenn überhaupt von dem Gebet gesprochen werden soll, so ist es selbstverständlich, daß die Worte nur denen gelten, die sich mit dem Gebet befassen. Wer nicht den Drang zu einem Gebet in sich fühlt, kann ruhig davon Abstand nehmen, weil seine Worte oder die Gedanken doch in nichts zerfließen müssen. Wenn ein Gebet nicht gründlich durchempfunden ist, so hat es keinen Wert, und deshalb auch keinen Erfolg. Der Augenblick eines aufwallenden Dankgefühles in großer Freude, wie auch die Empfindung tiefsten Schmerzes in dem Leide, gibt die beste Grundlage zu einem Gebet, das Erfolg erwarten kann. In solchen Augenblicken ist der Mensch durchdrungen von einer bestimmten Empfindung, die alles andere in ihm übertönt. Dadurch ist es möglich, daß der Hauptwunsch des Gebetes, sei es nun ein Dank oder eine Bitte, ungetrübte Kraft erhält.
Die Menschen machen sich überhaupt oft ein falsches Bild von dem Geschehen und Werden eines Gebetes und dessen Weiterentwicklung. Nicht jedes Gebet dringt zu dem höchsten Lenker der Welten. Im Gegenteil, es ist eine sehr seltene Ausnahme, daß ein Gebet wirklich einmal bis zu den Stufen des Thrones zu dringen vermag. Auch hierbei spielt die Anziehungskraft der Gleichart als Grundgesetz die größte Rolle.
Ein ernstgemeintes, tiefempfundenes Gebet kommt selbst anziehend und von der Gleichart angezogen werdend in Verbindung mit einer Kraftzentrale derjenigen Art, von der der Hauptinhalt des Gebetes durchdrungen ist. Die Kraftzentralen können ebensogut Sphärenabteilungen oder anderswie benannt werden, es wird im Grunde immer auf dasselbe herauskommen. Wechselwirkung bringt dann das, was der Hauptwunsch des Gebetes war. Entweder Ruhe, Kraft, Erholung, plötzlich im Innern aufstehende Pläne, Lösung schwieriger Fragen oder sonstiger Dinge. Ein Gutes wird immer dabei herauskommen, sei
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es auch nur die eigene verstärkte Ruhe und Konzentration, die dann wiederum zu einem Auswege, zu einer Rettung führt.
Es ist auch möglich, daß diese ausgesandten Gebete, in ihrer Stärke vertieft durch die Wechselwirkung gleichartiger Kraftzentralen, einen feinstofflichen Weg zu Menschen finden, die dadurch angeregt auf irgendeine Weise Hilfe und damit Erfüllung des Gebetes bringen. Alle diese Vorgänge sind bei der Beobachtung des feinstofflichen Lebens leicht verständlich. Auch hierin liegt die Gerechtigkeit wieder darin, daß das Ausschlaggebende bei dem Gebet immer die innere Beschaffenheit des Betenden bleiben wird, die je nach seiner Tiefe die Kraft, also die Lebensfähigkeit und Wirksamkeit des Gebetes bestimmt.
In dem großen feinstofflichen Geschehen des Weltalls findet jede Art des Empfindens seine bestimmte Gleichart, da sie von anderen nicht nur nicht angezogen werden könnte, sondern sogar abgestoßen würde. Nur wenn eine Gleichart kommt, erfolgt Verbindung und damit Verstärkung. Ein Gebet, welches verschiedene Empfindungen birgt, die durch große Vertiefung des Betenden trotz der Zergliederung immerhin noch eine gewisse Kraft in sich tragen, wird also Verschiedenes anziehen und Verschiedenes in der Wechselwirkung zurückbringen. Ob darin dann eine Erfüllung liegen kann, hängt ganz von der Art der einzelnen Teile ab, die einander fördernd oder hemmend sich auswirken können. In jedem Falle aber ist es besser, bei einem Gebet nur einen Gedanken als Empfindung hinauszusenden, damit keine Verwirrung entstehen kann.
So hat Christus durchaus nicht gewollt, daß das „Vater Unser“ unbedingt geschlossen gebetet werden soll, sondern er gab damit nur zusammenfassend alles das an, was der Mensch bei ernstem Wollen in erster Linie mit Sicherheit auf Erfüllung erbitten kann.
In diesen Bitten sind die Grundlagen für alles enthalten, was der Mensch zu seinem leiblichen Wohlbefinden und geistigem Aufstiege notwendig hat. Sie geben aber noch mehr! Die Bitten zeigen gleichzeitig die Richtlinien für das Streben an, das der Mensch in seinem Erdenleben verfolgen soll. Die Zusammen-
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stellung der Bitten ist ein Meisterwerk für sich. Das „Vater Unser“ allein kann dem suchenden Menschen alles sein, wenn er sich hinein vertieft und es richtig erfaßt. Er brauchte gar nicht mehr als das „Vater Unser“. Dieses zeigt ihm das ganze Evangelium in konzentriertester Form. Es ist der Schlüssel zu den lichten Höhen für den, der es richtig zu erleben weiß. Es kann für jedermann Stab und Leuchte zugleich sein für das Vorwärts- und Aufwärtsschreiten! So unermeßlich viel trägt es in sich.
Schon dieser Reichtum zeigt den eigentlichen Zweck des „Vater Unsers“. Jesus gab der Menschheit in dein „Vater Unser“ den Schlüssel zu dem Reiche Gottes! Den Kern seiner Botschaft. Er hat aber damit nicht gemeint, daß es in dieser Weise hergebetet werden soll.
Der Mensch braucht nur darauf zu achten, wenn er gebetet hat, und er wird von selbst erkennen, wieviel Ablenkung es ihm brachte, und wie es die Tiefe seiner Empfindung schwächte, indem er der Reihenfolge der einzelnen Bitten folgte, auch wenn diese ihm noch so geläufig sind.
Es ist ihm auch unmöglich, mit tiefer, für ein richtiges Gebet notwendiger Inbrunst der Reihe nach aus einer Bitte in die andere zu gleiten! Jesus aber hat in seiner Art der Menschheit alles leicht gemacht. Der richtige Ausdruck ist „kinderleicht“. Er wies extra darauf hin: „Werdet wie die Kinder!“ Also so einfach denkend, so wenig Schwierigkeiten suchend. Er würde nie von der Menschheit so etwas Unmögliches erwartet haben, wie es das wirklich vertiefte Beten des Vater Unsers verlangt. Das muß der Menschheit auch die Überzeugung bringen, daß Jesus damit etwas anderes wollte, etwas Größeres: Er gab den Schlüssel zu dem Reiche Gottes, nicht ein einfaches Gebet!
Vielseitigkeit eines Gebetes wird es immer abschwächen. Ein Kind kommt auch nicht mit sieben Bitten gleichzeitig zum Vater, sondern immer nur mit dem, was sein Herz gerade am ärgsten bedrückt, sei es nun ein Leid oder ein Wunsch.
So soll auch ein Mensch in Not sich bittend an seinen Gott
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wenden, mit dem, was ihn bedrückt. Und in den meisten Fällen wird es doch immer nur eine besondere Angelegenheit sein, nicht vieles zusammen. Um etwas, was ihn nicht gerade bedrückt, soll er auch nicht bitten. Da eine solche Bitte in seinem Innern nicht lebendig genug mitempfunden werden kann, wird sie zu leerer Form und schwächt naturgemäß eine vielleicht wirklich nötige andere Bitte.
Deshalb soll immer nur um das gebeten werden, was wirklich nötig ist! Nur keine leeren Formen, die zersplittern müssen und mit der Zeit die Heuchelei großziehen!
Das Gebet erfordert tiefsten Ernst. Man bete in Ruhe und in Reinheit, damit durch Ruhe die Empfindungskraft erhöht wird und sie durch Reinheit jene lichte Leichtigkeit erhält, die das Gebet emporzutragen fähig ist bis zu den Höhen alles Lichtes, alles Reinen. Dann wird auch diejenige Erfüllung kommen, die dem Bittenden am meisten nützt, ihn wirklich vorwärts bringt in seinem ganzen Sein!
Die Kraft des Gebetes vermag dieses nicht emporzuschleudern oder emporzudrängen, sondern nur die Reinheit in ihrer entsprechenden Leichtigkeit. Reinheit aber im Gebet kann jeder Mensch erreichen, wenn auch nicht in allen seinen Gebeten, sobald der Drang zum Bitten in ihm lebendig wird. Es ist dazu nicht notwendig, daß er schon mit seinem ganzen Leben im Reinen steht. Es vermag ihn nicht zu hindern, wenigstens zeitweise hier und da einmal im Gebet sich in Reinheit seiner Empfindung sekundenlang zu erheben.
Zur Kraft des Gebetes aber verhilft nicht nur die abgeschlossene Ruhe und die dadurch ermöglichte vertiefte Konzentration, sondern auch jede starke Gemütsaufwallung, wie die Angst, die Sorge, die Freude.
Es ist nun nicht gesagt, daß die Erfüllung eines Gebetes immer irdisch gedachten Vorstellungen und Wünschen unbedingt entspricht und mit diesen im Einklange steht. Die Erfüllung greift wohlmeinend weit darüber hinaus und führt das Ganze zum Besten, nicht den irdischen Augenblick! Oft muß daher eine scheinbare Nichterfüllung später als einzig richtige
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und beste Erfüllung erkannt werden, und der Mensch ist glücklich, daß es nicht nach seinen Augenblickswünschen ging.
Nun die Fürbitte! Der Hörer fragt sich oft, wie die Wechselwirkung bei einer Fürbitte, also der Bitte eines anderen, den Weg zu einem Menschen finden kann, der nicht selbst gebetet hat, weil die Rückwirkung auf dem angebahnten Wege auf den Bittenden selbst zurückströmen muß.
Auch hierbei gibt es keine Abweichung von den feststehenden Gesetzen. Ein Fürbittender denkt während seines Gebetes so intensiv an den, für den er bittet, daß sein Wünschen dadurch in der anderen Person zuerst verankert oder festgeknotet wird, und dann von dort seinen Weg aufwärts nimmt, also zu der Person auch zurückkehren kann, für die die starken Wünsche des Bittenden sowieso schon lebendig geworden sind und ihn umkreisen. Dabei ist jedoch unbedingt vorauszusetzen, daß der Boden in der Person, für die gebeten wird, auch aufnahmefähig und durch Gleichart geeignet ist zu einer Verankerung, und einer solchen nicht etwa Hindernisse entgegenstellt.
Ist der Boden nicht aufnahmefähig, also unwert, so liegt in dem Abgleiten der Fürbitten nur wieder die wunderbare Gerechtigkeit der göttlichen Gesetze, die nicht zulassen können, daß auf ganz unfruchtbaren Boden von außen her durch einen Anderen Hilfe kommt. Dieses Abprallen oder Abgleiten der gewollten Verankerung einer Fürbitte von einer diese Bitte betreffenden Person, die durch ihren inneren Zustand unwert ist, zieht die Unmöglichkeit einer Hilfebringung nach sich. Es liegt auch hierin wieder etwas derartig Vollkommenes in diesem selbsttätigen und selbstverständlichen Wirken, dass der Mensch staunend vor der damit verbundenen unverkürzten und gerechten Verteilung der Früchte alles Selbstgewolltem steht!
Würde dies nicht so unerbittlich vor sich gehen, so ergäbe das Räderwerk der Schöpfung eine Lücke, die Möglichkeiten zur Ungerechtigkeit zuließe gegen solche Unwerten, die keine Fürbitter haben können, trotzdem Fürbitter auch wieder nur durch Wechselwirkung vorher gegebener Freundschaften oder Ähnlichem erstehen.
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Fürbitten von Menschen, die es ohne eigenen inneren und unbedingten Drang wahrer Empfindungen heraus tun, haben keinerlei Wert noch Erfolg. Sie sind nur leere Spreu.
Noch eine Art der Wirkung echter Fürbitten gibt es. Das ist die eines Wegweisers! Das Gebet steigt direkt empor und zeigt nach dem Hilfsbedürftigen. Wird nun ein geistiger Bote an Hand dieses gewiesenen Weges zur Unterstützung geschickt, so ist die Möglichkeit einer Hilfe denselben Gesetzen des Wertes oder Unwertes, also der Aufnahmefähigkeit oder der Abstoßung unterworfen. Ist der Hilfsbedürftige innerlich dem Dunkel zugekehrt, so kann der auf die Fürbitte hin helfenwollende Bote keine Fühlung gewinnen, vermag nicht einzuwirken und muß unverrichteter Sache wieder zurück. Die Fürbitte konnte also nicht erfüllt werden, weil es die Gesetze in ihrer Lebendigkeit nicht zuließen. Ist aber der gegebene Boden dazu da, so hat eine echte Fürbitte unschätzbaren Wert! Entweder sie bringt Hilfe herbei, auch wenn der Hilfsbedürftige nichts davon weiß, oder sie vereinigt sich mit dem Wunsche oder Gebet des Hilfsbedürftigen und gibt diesem damit große Verstärkung.
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Der Mensch und sein freier Wille

Um darüber ein geschlossenes Bild geben zu können, muß vieles außerhalb Liegende mit angezogen werden, das seine Einflüsse auf die Hauptsache mehr oder weniger geltend macht!
Der freie Wille! Das ist etwas, wovor sogar bedeutende Menschen sinnend stehen bleiben, weil bei einer Verantwortlichkeit nach den Gesetzen der Gerechtigkeit auch unbedingt eine freie Entschließungsmöglichkeit vorhanden sein muß.
Wohin man auch hört, von allen Seiten kommt der Ruf: Wo soll ein freier Wille im Menschen sein, wenn es in Wirklichkeit Vorsehung, Führung, Bestimmungen, Sterneneinflüsse und Karma gibt? Der Mensch wird geschoben, gehobelt, geformt, ob er nun will oder nicht!
Mit Eifer stürzen sich ernsthaft Suchende über alles, was vom freien Willen spricht, in der ganz richtigen Erkenntnis, daß gerade darüber eine Erklärung notwendig gebraucht wird. Solange diese fehlt, vermag sich der Mensch auch nicht richtig einzustellen, um sich in der großen Schöpfung als das zu behaupten, was er wirklich ist. Wenn er aber nicht die richtige Einstellung zur Schöpfung hat, muß er ein Fremder darin bleiben, wird umherirren, muß sich schieben, hobeln und formen lassen, weil ihm das Zielbewußte fehlt. So ergibt dann eins das andere, und aus natürlicher Folgerichtigkeit heraus ist der Mensch zuletzt das geworden, was er heute ist, das er aber eigentlich nicht sein soll!
Sein großer Mangel ist, daß er nicht weiß, wo eigentlich sein freier Wille ruht und wie er sich betätigt. Der Umstand zeigt auch, daß er den Weg zu seinem freien Willen vollständig verloren hat, ihn nicht mehr zu finden weiß.
Der Eingang des Pfades zu dem Verständnis ist durch aufgetürmten Flugsand nicht mehr erkennbar. Die Spuren sind
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verweht. Der Mensch läuft unschlüssig im Kreise, sich dabei ermüdend, bis ein frischer Wind die Wege endlich wieder freilegt. Daß dabei erst der ganze Flugsand aufgescheucht in tollern Wirbel durcheinanderfegen wird und noch im Vergehen viele Augen trüben kann, die hungernd nach der Wegesöffnung weiter suchen, ist natürlich, selbstverständlich. Aus diesem Grunde muß ein jeder größte Vorsicht üben, um seinen Blick frei zu halten, bis auch das letzte Stäubchen dieses Flugsandes verflogen ist. Sonst kann es geschehen, daß er den Weg wohl sieht, und doch leicht getrübt mit einem Fuß zur Seite tritt, strauchelt und stürzt, um noch, den Weg schon vor sich, zu versinken. —
Das Unverständnis, das dem wirklichen Bestehen eines freien Willens von den Menschen hartnäckig immer wieder entgegen gebracht wird, wurzelt hauptsächlich in dem Nichtverstehen dessen, was eigentlich der freie Wille ist.
Die Erklärung liegt zwar in der Bezeichnung schon selbst, aber, wie überall, so sieht man auch hier das wirklich Einfache vor lauter Einfachheit nicht, sondern sucht an falscher Stelle, und kommt dadurch auch nicht in die Lage, sich den freien Willen vorzustellen.
Unter Willen versteht die größte Zahl der Menschen heute jene gewaltsame Konstruktion des irdischen Gehirnes, wenn der an Raum und Zeit gebundene Verstand für das Denken und Fühlen irgendeine bestimmte Richtung angibt und festlegt.
Das ist aber nicht der freie Wille, sondern der durch irdischen Verstand gebundene Wille!
Diese von vielen Menschen angewendete Verwechslung bringt großen Irrtum, baut die Mauer, welche ein Erkennen und Erfassen unmöglich macht. Der Mensch wundert sich dann, wenn er dabei Lücken findet, auf Widersprüche stößt und keinerlei Logik hineinzubringen vermag.
Der freie Wille, der allein so einschneidend in das eigentliche Leben wirkt, daß er weit hinausreicht in die jenseitige Welt, der Seele seinen Stempel aufdrückt, sie zu formen fähig ist, ist von ganz anderer Art. Viel größer, um so irdisch zu sein. Er steht deshalb auch in keinerlei Verbindung mit dein irdisch-grob-
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stofflichen Körper, also auch nicht mit dem Gehirn. Er ruht lediglich im Geiste selbst, in der Seele des Menschen.
Würde der Mensch nicht immer wieder dem Verstande die unbeschränkte Oberherrschaft einräumen, so könnte der weiterschauende freie Wille seines geistigen, eigentlichen „Ichs“ dem Verstandesgehirne die Richtung vorschreiben, aus der feinen Empfindung heraus. Dadurch müßte der gebundene Wille dann, der unbedingt zur Ausführung aller irdischen, an Raum und Zeit gebundenen Zwecke notwendig ist, sehr oft einen anderen Weg einschlagen, als es jetzt der Fall ist. Daß damit auch das Schicksal eine andere Richtung nimmt, ist leicht erklärlich, weil das Karma durch die anders eingeschlagenen Wege auch andere Fäden zieht und eine andere Wechselwirkung bringt.
Diese Erklärung kann selbstverständlich noch kein rechtes Verständnis für den freien Willen bringen. Soll ein ganzes Bild davon gezeichnet werden, so muß man wissen, wie sich der freie Wille bereits betätigt hat. Auch in welcher Weise die oft so vielseitige Verstrickung eines schon bestehenden Karmas erfolgte, das fähig ist, in seinen Auswirkungen den freien Willen so zu verdecken, daß dessen Bestehen kaum noch oder überhaupt nicht mehr erkannt zu werden vermag.
Eine derartige Erklärung aber läßt sich wiederum nur dann abgeben, wenn auf das ganze Werden des geistigen Menschen zurückgegriffen wird, um von dem Augenblicke auszugehen, in dem das Geist-Samenkorn des Menschen sich erstmalig in die feinstoffliche Hülle senkt, den äußersten Rand der Stofflichkeit. —
Dann sehen wir, daß der Mensch durchaus nicht das ist, was er sich oft einbildet zu sein. Er hat nimmermehr das unbedingte Anrecht an die Seligkeit und an ein ewiges persönliches Fortleben in seiner Tasche.*) Der Ausdruck: „Wir sind alle Gottes Kinder“ ist in dem von den Menschen aufgefaßten oder gedachten Sinne falsch! Es ist nicht jeder Mensch ein Kind Gottes, sondern nur dann, wenn er sich dazu entwickelt hat.
*) Vortrag: Das jüngste Gericht
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Der Mensch wird als ein Geistkeim in die Schöpfung gesenkt. Dieser Keim trägt alles in sich, um sich zu einem persönlich bewußten Kinde Gottes entwickeln zu können. Dabei ist aber vorausgesetzt, daß er die entsprechenden Fähigkeiten dazu öffnet und pflegt, sie aber nicht verkümmern läßt.
Groß und gewaltig ist der Vorgang, und doch ganz natürlich in jeder Stufe des Geschehens. Nichts steht dabei außerhalb eines logischen Werdeganges; denn Logik ist in allem göttlichen Wirken, da dies vollkommen ist und alles Vollkommene der Logik nicht entbehren darf. Jeder dieser Keime des Geistes trägt gleiche Fähigkeiten in sich, da sie ja von einem Geiste stammen, und jeder dieser einzelnen Fähigkeiten birgt eine Verheißung, deren Erfüllung unbedingt erfolgt, sobald die Fähigkeit zur Entwicklung gebracht wird. Aber auch nur dann! Das ist der Ausblick eines jeden Keimes bei der Saat. Und doch …!
Es ging ein Säemann aus, zu säen: Dort, wo das Göttliche, Ewige über der Schöpfung schwebt, wo das Feinstofflichste der Schöpfung an das Wesenhafte reicht, ist die Fläche der Aussaat der menschlichen Geistkeime. Fünkchen gehen von dem Wesenhaften über die Grenze und versenken sich in den jungfräulichen Boden des feinstofflichsten Teiles der Schöpfung, wie bei den elektrischen Entladungen eines Gewitters. Es ist, als ob die schaffende Hand des Heiligen Geistes Samenkörner ausstreut in das Stoffliche.
Während sich die Saat entwickelt und langsam der Ernte zureift, gehen viele Körner verloren. Sie gehen nicht auf, das heißt, sie haben ihre höheren Fähigkeiten nicht entwickelt, sondern sind verfault oder verdorrt und müssen sich im Stofflichen verlieren. Die. aber aufgegangen sind und über die Fläche emporstreben, werden bei der Ernte streng sortiert, die tauben Ähren von den vollen Ähren geschieden. Nach der Ernte wird dann nochmals sorgfältig die Spreu von dem Weizen getrennt.
So ist das Bild des Werdeganges im großen. Um nun den freien Willen zu erkennen, müssen wir den eigentlichen Werdegang des Menschen eingehender verfolgen:
Als Oberstes, als Reinstes ist in seinem Glanze das Ewige,
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Göttliche, der Ausgangspunkt von allem, der Anfang und das Ende, umgeben von dem lichten Wesenhaften.
Wenn nun Funken aus dem Wesenhaften überspringen in den Boden des feinstofflichen Ausläufen der stofflichen Schöpfung, so schließt sich um diesen Funken sofort eine gasige Hülle von der gleichen Stoffart dieser zartesten Region des Stofflichen. Damit ist der Geisteskeim des Menschen eingetreten in die Schöpfung, die wie alles Stoffliche der Veränderung und dem Zergehen unterworfen ist. Er ist noch karmafrei und wartet der Dinge, die da kommen sollen.
Bis in diese äußersten Ausläufer hinein reichen nun die Schwingungen der starken Erlebnisse, die inmitten der Schöpfung in all dem Werden und Vergehen ununterbrochen vor sich gehen.
Wenn es auch nur die zartesten Andeutungen sind, die diese gasige Feinstofflichkeit wie ein Hauch durchziehen, so genügen sie doch, den empfindsamen Intellekt in dem Geisteskeime zu wecken und aufmerksam zu machen. Er verlangt, von dieser oder jener Schwingung zu „naschen“, ihr nachzugehen, oder, wenn man es anders ausdrücken will, sich von dieser mitziehen zu lassen, das einem sich anziehen lassen gleichkommt. Darin liegt die erste Entscheidung des vielseitig veranlagten Geisteskeimes, der nun je nach seiner Wahl hier oder dorthin gezogen wird. Dabei knüpfen sich auch schon die ersten zartesten Fäden zu dem Gewebe, das für ihn später sein Lebensteppich werden soll.
Nun kann aber der sich schnell entwickelnde Keim jeden Augenblick benutzen, sich den seinen Weg dauernd und vielfältig kreuzenden andersartigen Schwingungen hinzugeben. Sobald er dies vornimmt, also wünscht, wird er damit seine Richtung ändern und der neuerwählten Art nachgehen, oder, anders ausgedrückt, sich von dieser ziehen lassen.
Durch seinen Wunsch vermag er wie ein Steuer den Kurs zu ändern in den Strömungen, sobald ihm die eine nicht mehr behagt. So vermag er hier und da zu „kosten“.
Bei diesem Kosten reift er mehr und mehr, erhält langsam
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Unterscheidungsvermögen und zuletzt Urteilsfähigkeit, bis er schließlich immer bewußter und sicherer werdend einer bestimmteren Richtung folgt. Seine Wahl der Schwingungen, denen er zu folgen gewillt ist, bleibt dabei nicht ohne tiefere Wirkung auf ihn selbst. Es ist nur eine ganz natürliche Folgerichtigkeit, daß diese Schwingungen, in denen er durch sein freies Wollen sozusagen schwimmt, in der Wechselwirkung den Geisteskeim ihrer Art entsprechend beeinflussen.
Der Geistkeim selbst hat aber nur edle und reine Fähigkeiten in sich! Das ist das Pfund, mit dem er in der Schöpfung „wuchern“ soll. Gibt er sich edlen Schwingungen hin, so werden diese in der Wechselwirkung die im Keime ruhenden Fähigkeiten munter machen, sie aufrütteln, stärken und großziehen, so daß diese mit der Zeit reichlich Zinsen tragen und großen Segen in die Schöpfung verbreiten. Ein derartig heranwachsender Geistesmensch wird damit zu einem guten Haushalter.
Entschließt er sich aber vorwiegend zu unedlen Schwingungen, so können ihn diese mit der Zeit so stark beeinflussen, daß ihm deren Art anhaften bleibt und die eigenen reinen Fähigkeiten des Geisteskeimes umhüllen, sie überwuchern und nicht zum eigentlichen Erwachen und Aufblühen kommen lassen. Diese müssen zuletzt als regelrecht „vergraben“ gelten, wodurch der betreffende Mensch zu einem schlechten Haushalter über das ihm anvertraute Pfund wird.
Ein Geisteskeim vermag also nicht von sich aus unrein zu sein, da er vorn reinen Wesenhaften kommt und nur Reinheit in sich trägt. Aber er kann nach seiner Versenkung in die Stofflichkeit seine dann ebenfalls stoffliche Hülle durch „Kosten“ unreiner Schwingungen nach eigenem Wollen, also durch Versuchungen, beschmutzen, kann sich sogar damit seelisch das Unreine durch starke Überwucherungen des Edlen äußerlich zu eigen schaffen, wodurch er also unreine Eigenschaften erhält, zum Unterschiede von den mitgebrachten, ererbten Fähigkeiten des Geistes. Die Seele ist nur die feinstofflichste, gasige Hülle des Geistes, und nur in der stofflichen Schöpfung bestehend. Nach einer eventuellen Rückkehr in das höher lie-
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gende Reingeistig-Wesenhafte ist die Seele abgestreift und nur noch der Geist vorhanden, der anders gar nicht über die Grenze der stofflichen Schöpfung eingehen könnte in das Geistige. Sein Wiedereingehen, seine Rückkehr geschieht allerdings dann in lebendiger, bewußter Form, während dies der ausgehende Funke im Anfang noch nicht war.
Jede Schuld und alles Karma ist nur stofflich! Nur innerhalb der stofflichen Schöpfung, nicht anders! Kann auch nicht auf den Geist übergehen, sondern ihm nur anhängen. Deshalb ist ein Reinwaschen von aller Schuld möglich.
Diese Erkenntnis wirft nichts um, sondern bestätigt nur alles, was Religionen und Kirche bildlich sagen. Vor allem erkennen wir immer mehr und mehr die große Wahrheit, die Christus der Menschheit brachte.
Es ist auch selbstverständlich, daß ein Geistkeim, der sich im Stofflichen durch Unreines beschwert, mit dieser Bürde nicht wieder zurück in das Geistige kann, sondern solange im Stofflichen bleiben muß, bis er diese Last abgestreift hat, sich davon lösen konnte. Dabei wird er naturgemäß immer in der Region bleiben müssen, in die ihn das Gewicht seiner Belastung zwingt, wozu die mehr oder weniger große Unreinheit ausschlaggebend ist. Gelingt es ihm nicht, die Last bis zum Tage des Gerichtes loszuwerden und abzuwerfen, so vermag er trotz der immer gebliebenen Reinheit des Geistkeimes, der sich allerdings durch die Überwucherung des Unreinen nicht seinen eigentlichen Fähigkeiten entsprechend entfalten konnte, nicht emporzuschweben. Das Unreine hält ihn durch seine Schwere zurück und zieht ihn mit in die Zersetzung alles Stofflichen.*)
Je bewußter nun ein Geisteskeim in seiner Entwicklung wird, desto mehr nimmt seine äußere Hülle die Gestalt der inneren Eigenart an. Entweder nach dem Edlen hinstrebend oder nach dem Unedlen, also schön oder unschön.
Jede Schwenkung, die er macht, bildet einen Knoten in den Fäden, die er hinter sich herzieht, die bei vielen Irrwegen, bei vielem Hin und Her in zahlreichen Maschen wie zu einem Netze
*) Vortrag: Das jüngste Gericht
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werden können, in das er sich verstrickt, wodurch er entweder darin untergeht, weil es ihn festhält, oder sich gewaltsam herausreißen muß. Die Schwingungen, denen er sich naschend oder genießend auf seinen Fahrten hingab, bleiben mit ihm verbunden und ziehen wie Fäden hinter ihm her, senden ihm aber dadurch auch ihre Schwingungsarten dauernd nach. Behält er nun eine gleiche Richtung lange Zeit inne, so können die weiter zurückliegenden Fäden wie die näheren in unverminderter Stärke wirken. Ändert er aber seinen Kurs, so werden durch die Kreuzung die zurückliegenden Schwingungen nach und nach schwächer beeinflussend, da sie erst durch einen Knoten gehen müssen, der hemmend auf sie wirkt, weil die Knüpfung schon eine Verbindung und Verschmelzung mit der neuen, andersartigen Richtung gibt. Die dann folgende neue Richtung ist in ihrer anderen Art auf die bisherige weiterhin zersetzend und auflösend, wenn sie nicht einer der ersten ähnlichen Gattung angehört. So geht es fort und fort. Die Fäden werden mit dem Wachsen des Geistkeimes dichter und stärker, bilden das Karma, dessen Nachwirkung zuletzt so viel Macht gewinnen kann, daß es dem Geiste diesen oder jenen „Hang“ beigesellt, der schließlich dessen freie Entschlüsse zu beeinträchtigen fähig ist und diesen eine schon vorher abzuschätzende Richtung gibt. Damit ist der freie Wille dann verdunkelt, kann sich nicht mehr als solcher betätigen.
Von Beginn an ist der freie Wille also vorhanden, nur ist so mancher Wille später derart belastet, daß er in schon erwähnter Weise stark beeinflußt wird, also kein freier Wille mehr sein kann.
Der sich in dieser Weise nun mehr und mehr entwickelnde Keim des Geistes muß der Erde dabei immer näher kommen, da, von dieser die Schwingungen am stärksten ausgehen und er immer bewußter steuernd diesen folgt, oder besser gesagt, sich von ihnen „anziehen“ läßt, um die nach seiner Neigung gewählten Arten immer stärker auskosten zu können. Er will vom Naschen zu dem wirklichen „Schmecken“ übergehen, und zu dem „Genießen“.
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Die Schwingungen von der Erde aus sind deshalb so stark, weil hier ein neues sehr verstärkendes Etwas dazu kommt: Die grobstofflich-körperliche Sexualkraft!
Diese hat die Aufgabe und die Fähigkeit, das ganze geistige Empfinden zu „durchglühen“. Der Geist erhält dadurch erst die rechte Verbindung mit der stofflichen Schöpfung und kann deshalb auch erst dann mit voller Kraft tätig darin sein. Dann umfaßt er alles, was notwendig ist, um sich in der Stofflichkeit volle Geltung zu verschaffen, um darin in jeder Beziehung fest zu stehen, durchdringend und zwingend wirken zu können, gegen alles gewappnet zu sein und auch gegen alles Schutz zu haben.
Deshalb die ungeheueren Kraftwellen, die von dem Erleben ausgehen, das durch die Menschen auf der Erde erfolgt. Sie reichen allerdings immer nur so weit, als die stoffliche Schöpfung geht, aber in dieser bis zu den zartesten Ausläufern schwingend.
Ein Mensch auf Erden, der geistig hoch und edel wäre und der deshalb mit hoher, geistiger Liebe zu seinen Mitmenschen käme, würde diesen fremd bleiben, innerlich nicht nahe kommen können, sobald seine Sexualkraft ausgeschaltet wäre. Es würde dadurch zum Verstehen und seelischen Nachempfinden eine Brücke fehlen, demnach eine Kluft sein.
In dem Augenblicke aber, wo diese geistige Liebe in reine Verbindung mit der Sexualkraft tritt und von dieser durchglüht wird, bekommt die Ausströmung für alle Stofflichkeit ein ganz anderes Leben, sie wird darin irdisch wirklicher und vermag dadurch auf die Erdenmenschen und auf die ganze Stofflichkeit voll und verständlich zu wirken. So erst wird sie von dieser aufgenommen und nachempfunden, und kann den Segen in die Schöpfung tragen, den der Geist des Menschen bringen soll.
Es liegt etwas Gewaltiges in der Verbindung. Das ist auch der eigentliche Zweck, wenigstens der Hauptzweck dieses so vielen rätselhaften und unermeßlichen Naturtriebes, damit er das Geistige sich in der Stofflichkeit zu voller Wirkungskraft
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entfalten läßt! Ohne diese würde es der Stofflichkeit zu fremd bleiben, um sich richtig auswirken zu können. Der Zeugungszweck kommt erst in zweiter Linie. Die Hauptsache ist der durch diese Verbindung in einem Menschen erfolgende Aufschwung. Damit erhält der Menschengeist auch seine Vollkraft, seine Wärme und Lebendigkeit, er wird sozusagen mit diesem Vorgang fertig. Deshalb setzt hier aber auch nun erst seine volle Verantwortlichkeit ein!
Die weise Gerechtigkeit Gottes gibt dem Menschen an diesem bedeutenden Wendepunkte aber auch gleichzeitig nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar den natürlichen Antrieb dazu, alles Karma, mit dem er bis dahin seinen freien Willen belastet hat, leicht abzuschütteln. Dadurch vermag der Mensch den Willen wieder vollkommen frei zu machen, um dann bewußt machtvoll in der Schöpfung stehend ein Kind Gottes zu werden, in seinem Sinne zu wirken und in reinen, erhabenen Empfindungen emporzusteigen zu den Höhen, wohin es ihn dadurch später zieht, sobald er seinen grobstofflichen Körper abgelegt hat.
Wenn es der Mensch nicht tut, so ist es seine Schuld; denn mit Eintritt der Sexualkraft regt sich in ihm in erster Linie eine gewaltige Schwungkraft nach oben zum Idealen, Schönen und Reinen. Bei unverdorbener Jugend beiderlei Geschlechts wird das immer deutlich zu beobachten sein. Daher die von Erwachsenen leider oft nur belächelten Schwärmereien der Jugendjahre, nicht zu verwechseln mit den Kinderjahren. Deshalb auch in diesen Jahren die unerklärlichen leicht melancholischen, ernst angehauchten Empfindungen. Die Stunden, in denen es scheint, als ob ein Jüngling oder eine Jungfrau den ganzen Weltschmerz zu tragen hätte, wo Ahnungen eines tiefen Ernstes an sie herantreten, sind nicht unbegründet. Auch das so häufig vorkommende Sich-nicht-verstanden-fühlen trägt in Wirklichkeit viel Wahres in sich. Es ist das zeitweise Erkennen der falschen Gestaltung der Umwelt, die den geheiligten Ansatz zu einem reinen Höhenfluge nicht verstehen will noch kann, und erst zufrieden ist, wenn diese so stark mahnende Empfindung in den reifenden Seelen herabgezerrt wird in das
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ihnen verständlichere „realere“ und nüchterne, das sie als der Menschheit besser angepaßt erachten und in ihrem einseitigen Verstandessinne für das einzig Normale halten.
Trotzdem aber gibt es zahllose verknöcherte Materialisten, die in der gleichen Epoche ihres Seins als ernste Mahnung ebenso empfunden haben und sogar hier und da einmal gern von der ersten Liebe goldenen Zeit mit einem leichten Anfluge von einer gewissen Sentimentalität sprechen, sogar einer Wehmut, die unbewußt einen gewissen Schmerz ausdrückt über etwas Verlorenes, das nicht näher zu bezeichnen geht. Und sie haben darin alle recht! Das Kostbarste wurde ihnen genommen, oder sie haben es leichtsinnig selbst weggeworfen, wenn sie im grauen Alltag der Arbeit oder unter dem Gespött sogenannter „Freunde“ und „Freundinnen“, oder durch schlechte Bücher und Beispiele das Kleinod scheu vergruben, dessen Glanz trotzdem während ihres weiteren Lebens hier und da einmal wieder hervorbricht und dabei das unbefriedigte Herz einen Augenblick höher schlagen läßt in unerklärlichem Schauer einer rätselhaften Traurigkeit und Sehnsucht.
Wenn diese Empfindungen auch stets wieder schnell zurückgedrängt und in herber Selbstverhöhnung verlacht werden, so zeugen sie doch von dem Vorhandensein dieses Schatzes, und es sind glücklicherweise wenige, die behaupten können, derartige Empfindungen nie gehabt zu haben. Solche würden auch nur zu beklagen sein; denn sie haben nie gelebt.
Aber selbst solche Verdorbene, oder sagen wir Bedauernswerte empfinden dann eine Sehnsucht, wenn ihnen Gelegenheit wird, mit einem Menschen zusammenzutreffen, der diese Schwungkraft in richtiger Einstellung nutzt, der also dadurch rein wurde und schon auf Erden innerlich hoch steht. Die Auswirkung einer derartigen Sehnsucht bei solchen Menschen ist aber in den meisten Fällen zuerst die ungewollte Erkenntnis der eigenen Niedrigkeit und Versäumnis, die dann in Haß übergeht, der sich bis zu blinder Wut zu steigern vermag. Nicht selten kommt es auch vor, daß ein auffallend seelisch schon hochstehender Mensch den Haß ganzer Massen auf sich zieht,
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ohne selbst wirklich einen äußerlich erkennbaren Grund dazu gegeben zu haben. Solche Massen wissen dann weiter nichts als: „Kreuziget, kreuziget ihn!“ zu schreien. Aus diesem Grunde die große Reihe Märtyrer, die die Menschheitsgeschichte zu verzeichnen hat.
Die Ursache ist der wilde Schmerz darüber, etwas Kostbares bei anderen zu, sehen, das ihnen selbst verloren ging. Ein Schmerz, den sie nur als Haß erkennen. Bei Menschen mit mehr innerer Wärme, die nur durch schlechte Beispiele niedergehalten oder in den Schmutz gezogen wurden, löst sich bei Begegnung mit einem innerlich hochstehenden Menschen die Sehnsucht des selbst nicht Erreichten auch oft in grenzenloser Liebe und Verehrung aus. Wohin ein solcher Mensch auch kommen mag, es gibt immer nur ein Für oder ein Wider um ihn. Gleichgültigkeit vermag nicht standzuhalten.
Der geheimnisvoll ausstrahlende Reiz einer unverdorbenen Jungfrau oder eines unverdorbenen Jünglings ist nichts anderes als der von seiner Umgebung durch die starken Schwingungen mit empfundene reine Auftrieb der erwachenden Sexualkraft in Vermählung mit der Geisteskraft nach Höherem, Edelstem. Sorgsam hat der Schöpfer darauf Bedacht gelegt, daß dies bei den Menschen erst in ein Alter fällt, wo dieser sich seines Wollens und Handelns voll bewußt sein kann. Dann ist der Zeitpunkt da, an dem er alles Zurückliegende in Verbindung mit der nun in ihm liegenden Vollkraft spielend abzuschütteln vermag und abschütteln sollte. Es würde sogar von selbst abfallen, wenn der Mensch das Wollen zu dem Guten beibehält, wozu es ihn unaufhörlich drängt in dieser Zeit. Dann könnte er, wie die Empfindungen ganz richtig andeuten, mühelos emporsteigen zu der Stufe, auf die er als Mensch gehört! Sehet das Verträumtsein der unverdorbenen Jugend! Es ist nichts anderes als das Empfinden des Auftriebes, das Losreißenwollen von allem Schmutz, die heiße Sehnsucht nach Idealem. Die treibende Unruhe aber ist das Signal, die Zeit nicht zu versäumen, sondern energisch das Karma abzuschütteln und mit dem Emporsteigen des Geistes einzusetzen.
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Deshalb die große Bedeutung, der große Wendepunkt, der die Erde für den Menschen ist!
Es ist etwas Herrliches, in dieser geschlossenen Kraft zu stehen und darin und damit zu wirken! Solange die Richtung eine gute ist, die der Mensch erwählt hat. Es gibt aber auch nichts Erbärmlicheres, als diese Kräfte einseitig zu vergeuden in blindem Sinnestaumel, und seinen Geist damit zu lähmen, einen großen Teil des Antriebes zu nehmen, den er so dringend braucht, um empor zu kommen.
Und doch versäumt der Mensch in den meisten Fällen diese so kostbare Übergangszeit, läßt sich von „wissender“ Umgebung auf falsche Wege lenken, die ihn niederhalten und leider nur zu oft sogar abwärts führen. Dadurch vermag er die ihm anhängenden trübenden Schwingungen nicht abzuwerfen, die im Gegenteil nur neue Kräftezufuhr erhalten, und wird so seinen freien Willen mehr und mehr einspinnen, bis er ihn nicht mehr zu erkennen vermag.
So bei der ersten Inkarnierung auf der Erde. Bei weiteren notwendig werdenden Inkarnierungen bringt der Mensch ein viel stärkeres Karma mit. Die Möglichkeit des Abschüttelns setzt aber trotzdem jedesmal wieder ein und kein Karma könnte stärker sein als der in die Vollkraft kommende Geist des Menschen, sobald er durch die Sexualkraft die lückenlose Verbindung mit der Stofflichkeit erhält, zu der das Karma ja gehört.
Doch hat der Mensch diese Zeiten zur Abstreifung seines Karmas und der damit verbundenen Wiedererlangung seines freien Willens versäumt, hat er sich weiter verstrickt, ist er vielleicht sogar tief gesunken, so bietet sich ihm trotzdem auch weiterhin ein mächtiger Bundesgenosse zur Bekämpfung des Karmas und zum Aufstiege. Der größte Sieger, den es gibt, der alles zu überwinden fähig ist. Des Schöpfers Weisheit brachte es in der Stofflichkeit mit sich, daß die angegebenen Zeiten nicht die einzigen sind, in denen der Mensch die Möglichkeit zu schneller Hilfe finden kann, in denen er sich selbst und seinen eigentlichen Wert zu finden vermag, sogar einen
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außergewöhnlichen starken Antrieb dazu erhält, damit er aufmerksam darauf wird.
Diese Zaubermacht, die jedem Menschen während seines ganzen Erdenseins in steter Hilfsbereitschaft zur Verfügung steht, die aber auch aus derselben Verbindung der Sexualkraft mit der Geisteskraft hervorgeht und das Abstoßen des Karmas herbeiführen kann, ist die Liebe! Nicht die begehrende Liebe des Grobstofflichen, sondern die hohe, reine Liebe, die nichts anderes kennt und will als das Wohl des geliebten Menschen, die nie an sich selbst dabei denkt. Sie gehört auch in die stoffliche Schöpfung und fordert kein Entsagen, kein Asketentum, aber sie will immer nur das Beste für den anderen, bangt um ihn, leidet mit ihm, teilt aber mit ihm auch die Freude.
Als Grundlage hat sie die ähnlichen ideal-sehnsüchtigen Empfindungen der unverdorbenen Jugend bei dem Eintreten der Sexualkraft, aber sie peitscht den verantwortlichen, also reifen Menschen auch zur Vollkraft seines ganzen Könnens auf bis zum Heroismus, so daß die Schaffens- und Streitkraft zu größter Stärke angespannt wird. Hierbei ist dem Alter keine Grenze gesetzt! Sobald ein Mensch der reinen Liebe Raum gewährt, sei es nun die des Mannes zum Weib oder umgekehrt, oder die zu einem Freunde oder einer Freundin, oder zu den Eltern, zu dem Kinde, gleichviel, ist sie nur rein, so bringt sie als erste Gabe die Gelegenheit zum Abstoßen alles Karmas, das sich dann nur noch rein „symbolisch“ auslöst,*) zum Aufblühen des freien und bewußten Willens, der nur nach oben gerichtet sein kann. Als natürliche Folgerung beginnt dann der Aufstieg, die Erlösung von den unwürdigen Ketten, die ihn niederhalten.
Die erste sich regende Empfindung bei erwachender reiner Liebe ist das sich Unwertdünken dem geliebten anderen gegenüber. Mit anderen Worten kann man diesen Vorgang mit eintretender Bescheidenheit und Demut bezeichnen, also den Empfang zweier großen Tugenden. Dann schließt sich daran der Drang, schützend die Hand über den anderen halten zu wollen,
*) Vortrag: Symbolik.
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damit ihm von keiner Seite ein Leid geschähe, sondern sein Weg über blumige, sonnige Pfade führt. Das „Auf-den-Händen-tragen-wollen“ ist kein leerer Spruch, sondern kennzeichnet die aufsteigende Empfindung ganz richtig. Darin aber liegt ein Auf-geben der eigenen Persönlichkeit, ein großes Dienenwollen, das allein genügen könnte, alles Karma in kurzer Zeit abzuwerfen sobald das Wollen anhält und nicht etwa rein sinnlichen Trieben Platz macht. Zuletzt kommt bei der reinen Liebe noch der heiße Wunsch, recht Großes für den geliebten anderen in edlem Sinne tun zu können, ihn mit keiner Miene, keinem Gedanken, keinem Worte, noch viel weniger mit einer unschönen Handlung zu verletzen oder zu kränken. Zarteste Rücksichtnahme wird lebendig.
Dann gilt es, diese reinen Empfindungen festzuhalten und allem anderen obenan zu setzen. Niemals wird jemand dann etwas Schlechtes wollen oder tun. Er vermag es einfach nicht, sondern hat im Gegenteil darin den besten Schutz, die größte Kraft, den wohlmeinendsten Berater und Helfer.
Deshalb weist auch Christus immer wieder auf die Allgewalt der Liebe hin! Nur diese überwindet alles, vermag alles. Aber immer nur vorausgesetzt, daß es nicht die nur irdisch begehrende Liebe ist, die die Eifersucht und ihr verwandte Laster in sich trägt.
Der Schöpfer hat in seiner Weisheit damit einen Rettungsring in die Schöpfung geworfen, der nicht nur einmal im Erdenleben an jeden Menschen anstößt, daß er sich daran halte und emporschwinge!
Es ist diese Hilfe für alle da. Sie macht keinen Unterschied, weder im Alter noch Geschlecht, weder bei arm noch reich, nicht bei vornehm oder gering. Deshalb ist die Liebe auch das größte Geschenk Gottes! Wer es erfaßt, der ist der Rettung aus jeder Not und jeder Tiefe sicher! Er macht sich frei, erhält damit am schnellsten und am leichtesten einen ungetrübten, freien Willen wieder, der ihn nach oben führt.
Und wenn er in einer Tiefe läge, die ihn zur Verzweiflung bringen muß, die Liebe ist fähig, ihn mit Sturmesgewalt empor-
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zureißen zu dem Licht, zu Gott, der selbst die Liebe ist. Sobald in einem Menschen durch irgendeinen Anstoß die reine Liebe rege wird, hat er auch die direkteste Verbindung mit Gott, dem Urquell aller Liebe, und somit auch die stärkste Hilfe. Wenn aber ein Mensch alles besäße, und hätte der Liehe nicht, so wäre er doch nur ein tönend Erz oder eine klingende Schelle, also ohne Wärme, ohne Leben . . . nichts!
Findet er jedoch zu irgendeinem seiner Nächsten die wahre Liebe, die nur darnach strebt, dem anderen geliebten Menschen Licht und Freude zu bringen, ihn nicht durch unsinniges Begehren herabzuzerren, sondern schützend emporzuheben, so dient er ihm, ohne sich dabei des eigentlichen Dienens bewußt zu werden, da er sich dadurch mehr zu einem selbstlosen Geber und Schenker macht. Und dieses Dienen ringt ihn frei!
Viele werden sich hier sagen: Genau so mache ich es ja, oder strebe es wenigstens schon an! Unter Aufbietung aller Mittel suche ich meiner Frau oder Familie das Erdenleben leicht zu machen, ihnen Genüsse zu bieten, indem ich mich bemühe, so viele Mittel zu verschaffen, daß sie sich ein bequemes, angenehmes Leben leisten können und sorgenfrei sind. Tausende werden an ihre Brust schlagen, sich gehoben fühlen und sich für wer weiß wie gut und edel halten. Sie irren! Das ist die lebendige Liebe nicht! Diese ist nicht so einseitig irdisch, sondern drängt gleichzeitig viel stärker nach Höherem, Edlerem, Idea-lem. Gewiß, niemand darf ungestraft, also ohne Nachteil, die irdischen Notwendigkeiten vergessen, soll sie nicht außer acht lassen, aber diese dürfen nicht zur Hauptsache des Denkens und Handelns werden. Darüber schwebt groß und stark das für viele so geheimnisvolle Wünschen, das wirklich vor sich selbst sein zu können, was sie vor denen gelten, von denen sie geliebt werden. Und dieses Wünschen ist der rechte Weg! Er führt immer nur aufwärts.
Die wahre, reine Liebe braucht nicht erst noch näher erklärt zu werden. Ein jeder Mensch fühlt ganz genau, wie sie beschaffen ist. Er sucht sich oft nur selbst darüber wegzutäuschen, wenn er seine Fehler dabei sieht und klar empfindet,
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wie weit entfernt er eigentlich noch davon ist, wahr und rein zu lieben. Aber er muß sich dann zusammenraffen, darf nicht zögernd halten und schließlich zum Versagen kommen; denn es gibt für ihn keinen freien Willen mehr ohne wahre Liebe!
Wie viele Gelegenheiten sind dem Menschen also geboten, sich aufzuraffen und emporzuschwingen, ohne daß sie es benützen. Ihr Klagen und Suchen ist deshalb bei der Mehrzahl nicht echt! Sie wollen gar nicht, sobald sie selbst etwas dazu beitragen sollen, sei es auch nur eine kleine Umstellung ihrer Gewohnheiten und Anschauungen. Es ist zum großen Teile Lüge, Selbstbetrug! Gott soll zu ihnen kommen und sie zu sich emporheben, ohne daß sie eine liebe Bequemlichkeit und ihre Selbstanbetung aufzugeben brauchen. Dann würden sie sich allenfalls herbeilassen, mitzugehen, nicht aber, ohne dafür von Gott noch einen besonderen Dank zu erwarten.
Laßt diese Drohnen ihre Wege zum Verderben gehen! Sie sind es nicht wert, daß sich jemand Mühe um sie gibt. Sie werden immer wieder an sich bietenden Gelegenheiten klagend und betend vorübergehen. Sollte ein solcher Mensch sie aber doch einmal ergreifen, so würde er sie sicherlich ihres edelsten Schmuckes der Reinheit und Selbstlosigkeit berauben; um dieses kostbarste Gut in den Kot der Leidenschaften herabzuzerren.
Suchende und Wissende sollen sich endlich dazu aufraffen, einen Umweg um diese Menschen zu machen! Sie sollen nicht denken, daß sie ein Gott wohlgefälliges Werk damit tun, wenn sie sein Wort und seinen heiligen Willen stets so wohlfeil herumtragen und durch versuchte Belehrungen anbieten, daß es fast den Anschein erweckt, als müßte der Schöpfer durch seine Gläubigen betteln gehen, um den Kreis der Anhänger zu erweitern. Es ist eine Beschmutzung, wenn es solchen geboten wird, die mit schmutzigen Händen darnach greifen. Das Wort darf nicht vergessen werden, welches verbietet, „Perlen vor die Säue zu werfen“.
Und etwas anderes ist es in solchen Fällen nicht. Unnötige Vergeudung von Zeit, die in solchem Maße nicht mehr ver-
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schwendet werden darf, ohne zuletzt rückwirkend schädlich zu werden. Den Suchenden nur soll geholfen sein.
Die überall auftauchende Unruhe in vielen Menschen, das Forschen und Suchen nach dem Verbleib des freien Willens ist vollkommen berechtigt und ein Zeichen, daß es hohe Zeit dazu wird. Verstärkt ist es durch unbewußtes Ahnen eines einmal möglich werdenden Zuspätseins dazu. Das erhält das Suchen jetzt dauernd lebendig. Doch es ist zum großen Teile vergebens. Die meisten Menschen von heute vermögen den freien Willen nicht mehr zu betätigen, weil sie sich zu tief verstrickt haben!
Sie verkauften und verschacherten ihn . . . für nichts!
Dafür können sie aber nun nicht Gott verantwortlich machen, wie es so vielfach durch alle möglichen Deutungen immer wieder versucht wird, um sich selbst den Gedanken an eine eigene auf sie wartende Verantwortung auszureden, sondern sie müssen sich selbst anklagen. Und wenn diese Selbstanklage auch von der herbsten Bitterkeit, von dem ärgsten Schmerze durchtränkt wäre, so könnte sie doch nicht heftig genug sein, um auch nur einigermaßen ein Gegengewicht zu geben für den Wert des verlorenen Gutes, das sinnlos unterdrückt oder verschwendet wurde.
Aber trotzdem kann der Mensch den Weg zur Wiedergewinnung noch finden, sobald er sich ernstlich darum bemüht. Allerdings immer nur dann, wenn er es aus tiefstem Innern heraus wünscht. Wenn dieser Wunsch wirklich in ihm lebt und nie ermattet. Er muß das sehnlichste Verlangen darnach tragen. Und müßte er sein ganzes Erdendasein daran setzen, er könnte nur dabei gewinnen; denn ernst und notwendig genug ist die Wiedererlangung des freien Willens für den Menschen! Wir können an Stelle der Wiedererlangung auch Ausgrabung sagen, oder Freiwaschung. Es ist an sich genau dasselbe.
Solange der Mensch aber nur daran denkt und darüber grübelt, wird er nichts erreichen. Die größte Anstrengung und Ausdauer muß dabei versagen, weil er mit Denken und Grübeln nie über die Grenze von Zeit und Raum hinauszukommen ver-
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mag, also nicht bis dorthin, wo die Lösung liegt. Und da Denken und Grübeln zur Zeit als der Hauptweg zu allem Forschen angesehen wird, so ist auch keine Aussicht dafür, daß ein Vorwärtskommen außer in rein irdischen Dingen erwartet werden kann. Es sei denn, daß sich Menschen von Grund aus darin eines andern.
Nützet die Zeit des Erdenseins. Denkt an den großen Wendepunkt, der stets die volle Verantwortung mit sich bringt!
Ein Kind ist aus diesem Grunde geistig noch unmündig, weil die Verbindung zwischen dem Geistigen und dem Stofflichen bei ihm noch nicht durch die Sexualkraft geschaffen ist. Erst mit dem Augenblicke des Eintretens dieser Kraft werden seine Empfindungen jene Stärke erreichen, daß sie einschneidend, umformend und neuformend die stoffliche Schöpfung zu durchziehen vermögen, womit es volle und ganze Verantwortlichkeit automatisch übernimmt. Vorher ist auch die Wechselwirkung nicht so stark, weil die Empfindungsfähigkeit viel schwächer wirkt. Ein Karma kann deshalb bei der ersten Inkarnation auf Erden nicht so gewaltig sein, sondern höchstens bei der Geburt mit ins Gewicht fallen darin, in welche Verhältnisse hinein die Geburt erfolgt, damit diese dem Geiste bei seinem Erdenleben zum Ablösen des Karmas durch Erkennen seiner Eigenschaften helfen. Die Anziehungspunkte der Gleicharten würde dabei eine gtoße Rolle spielen. Aber alles nur im schwachen Sinne. Das eigentliche kraftvolle und einschneidende Karma setzt erst dann ein, sobald sich im Menschen die Sexualkraft mit seiner Geisteskraft verbindet, wodurch er im Stofflichen nicht nur vollwertig wird, sondern dieses in jeder Beziehung weit überragen kann, wenn er sich entsprechend einstellt.
Bis dahin vermag auch das Dunkel, das Böse, nicht direkt an den Menschen heran. Ein Kind ist durch die Lücke zum per Stofflichen davor geschützt. Wie isoliert. Die Brücke fehlt.
Deshalb wird nun vielen Hörern auch verständlicher werden, weshalb Kinder vor dem Bösen einen viel größeren Schutz genießen, was ja sprichwörtlich ist. Auf demselben Wege aber,
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den die Brücke der eintretenden Sexualkraft bildet, über die der Mensch in seiner Vollkraft streitend gehen kann, vermag dann natürlich auch alles andere zu ihm herein zu kommen, wenn er nicht achtsam genug ist. Aber es kann auf keinen Fall eher geschehen, als bis er auch die notwendige Abwehrkraft besitzt. Eine Ungleichheit ist keinen Augenblick vorhanden, die eine Entschuldigung aufkommen ließe.
Dadurch wächst die Verantwortung der Eltern in das Riesenhafte! Wehe denen, die den eigenen Kindern die Gelegenheit zum Abstreifen ihres Karmas und zum Aufstiege nehmen durch unangebrachten Spott oder durch falsche Erziehung, wenn nicht gar durch böse Beispiele, zu denen auch alles Strebertum gehört auf den verschiedensten Gebieten. Die Versuchungen des Erdenlebens locken sowieso schon zu Diesem und Jenem. Und da den heranwachsenden Menschen ihre eigentliche Machtstellung nicht erklärt wird, verwenden sie ihre Kraft entweder gar nicht, oder zu wenig, oder aber sie vergeuden sie in unverantwortlichster Weise, wenn sie nicht gar unrechte und schlechte Anwendung davon machen.
So setzt denn das bei Unkenntnis unabwendbare Karma in immer größere Stärke ein, wirft seine Strahlungen durch irgendwelchen Hang nach Diesem oder Jenem beeinflussend voraus und beengt damit den eigentlichen freien Willen bei Entscheidungen, so daß dieser unfrei wird. Daraus ist auch gekommen, daß die Mehrheit der Menschheit heute keinen freien Willen mehr betätigen kann. Sie hat sich gebunden, gekettet, geknechtet durch eigene Schuld. Wie kindisch und unwürdig sich die Menschen damit zeigen, wenn sie versuchen, den Gedanken an eine unbedingte Verantwortung abzulehnen und lieber dem Schöpfer einen Vorwurf der Ungerechtigkeit darin zu machen! Wie lächerlich klingt die Vorgabe, daß sie ja gar keinen eigenen freien Willen hätten, sondern geführt, geschoben, gehobelt und geformt würden, ohne etwas dagegen tun zu können.
Wenn sie sich nur einen Augenblick einmal dessen bewußt machen wollen, welche klägliche Rolle sie bei solchem Tun eigentlich spielen. Wenn sie vor allen Dingen endlich sich selbst
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einmal wirklich kritisch betrachten wollten im Hinblick auf die ihnen verliehene Machtstellung, um zu erkennen, wie sinnlos sie diese an Kleinigkeiten und nichtige Vergänglichkeiten verzetteln, wie sie dafür Tand zu einer verächtlichen Wichtigkeit erheben, sich groß fühlen in Dingen, in denen sie doch so klein erscheinen müssen im Verhältnis zu ihrer eigentlichen Bestimmung als Mensch in der Schöpfung. Der Mensch von heute ist wie ein Mann, dem ein Reich gegeben ist, und der es vorzieht, seine Zeit mit den primitivsten Kinderspielzeugen zu vertrödeln!
Es ist nur selbstverständlich und nicht anders zu erwarten, daß die gewaltigen Kräfte, die dem Menschen gegeben sind, ihn zerschmettern müssen, wenn er sie nicht zu regieren versteht.
Es wird höchste Zeit zu endlichem Erwachen! Der Mensch sollte die Zeit und die Gnade voll ausnützen, die ihm durch jedes Erdenleben geschenkt wird. Er ahnt noch nicht, wie dringend nötig es schon ist. In dem Augenblicke, wo er den jetzt unfreien Willen wieder frei macht, dient ihm alles, was jetzt oft gegen ihn zu sein erscheint. Selbst die von so vielen gefürchteten Strahlungen der Sterne sind nur dazu da, ihm zu dienen und zu helfen. Gleichviel, welcher Art sie sind.
Und ein jeder vermag es, auch wenn das Karma noch so wuchtig an ihm hängt! Auch wenn die Strahlungen der Sterne vorwiegend ungünstig zu sein erscheinen. Ungünstig wirkt sich das alles nur aus bei einem unfreien Willen. Aber auch dort nur scheinbar; denn in Wirklichkeit ist es doch zum Heile für ihn, wenn er sich selbst nicht anders mehr zu helfen weiß. Er wird dadurch zur Verteidigung, zum Erwachen und Muntersein gezwungen.
Furcht vor den Strahlungen der Sterne ist jedoch nicht angebracht, weil die sich dadurch auswirkenden Begleiterscheinungen immer nur die Fäden des Karmas sind, das für den betreffenden Menschen läuft. Die Strahlungen der Sterne bilden nur Kanäle, in die alles das zurzeit für einen Menschen umherschwebende Karma gezogen wird, soweit es in seiner Art zu den jeweiligen gleichartigen Strahlungen paßt. Sind also
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die Strahlungen der Sterne ungünstig, so wird sich in diese Kanäle nur das für einen Menschen schwebende ungünstige Karma einfügen, was genau zu der Art der Strahlungen paßt, nichts anderes. Ebenso bei günstigen Strahlungen. So gesammelter geleitet, kann es sich auch dem Menschen stets fühlbarer auswirken. Wo aber kein schlechtes Karma aussteht, werden auch ungünstige Strahlungen der Sterne nicht schlecht wirken können. Eins ist nicht von dem anderen zu trennen. Auch darin wird wieder die große Liebe des Schöpfers erkannt. Die Sterne kontrollieren oder dirigieren die Auswirkungen des Karmas. Demnach vermag sich schlechtes Karma nicht ohne Unterbrechungen auszuwirken, sondern muß dem Menschen dazwischen auch Zeit zum Aufatmen lassen, weil die Sterne wechselnd bestrahlen und übles Karma sich zu den Zeiten günstiger Bestrahlungen nicht auswirken kann! Es muß dann unterbrechen und warten, bis wieder ungünstige Strahlungen eintreten, kann also einen Menschen nicht so leicht ganz niederdrücken. Schwebt neben dem üblen Karma eines Menschen nicht auch gutes Karma, das sich bei günstigen Strahlungen der Sterne auswirkt, so wird durch günstige Strahlungen doch wenigstens erwirkt, daß das Leid Unterbrechungen zu Zeiten der günstigen Bestrahlungen erfährt.
So greift auch hierbei ein Rad des Geschehens in das andere. Eins zieht das andere in strenger Folgerichtigkeit nach sich und kontrolliert es gleichzeitig, damit keine Unregelmäßigkeiten vorkommen können. So geht es auch weiter, wie bei einem Riesenräderwerk. Von allen Seiten greifen die Zähne der Räder scharf und genau ineinander ein, alles weiter bewegend, vorwärts treibend zur Entwicklung.
Inmitten des Ganzen aber steht der Mensch mit der ihm anvertrauten unermeßlichen Macht, durch sein Wollen diesem gewaltigen Räderwerke die Richtung anzugeben. Doch immer nur für sich selbst! Es kann ihn aufwärts oder abwärts führen. Die Einstellung allein ist ausschlaggebend für das Ende.
Doch das Räderwerk der Schöpfung ist nicht aus starrem Material, sondern es sind alles lebendige Formen und Wesen,
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die mitwirkend um so gewaltigeren Eindruck schaffen. Das ganze wundersame Weben dient aber lediglich dazu, dem Menschen zu helfen, ihm zu dienen, so lange er die ihm gegebene Macht nicht in kindischem Vergeuden und falscher Anwendung hemmend dazwischen wirft. Er muß sich endlich anders einfügen, um das zu werden, was er sein soll. Gehorchen heißt in Wirklichkeit weiter nichts als Verstehen! Dienen ist helfen. Helfen aber bedeutet herrschen. In kurzer Zeit kann jeder seinen Willen frei machen, wie er sein soll. Und damit wendet sich für ihn alles, da er sich innerlich zuerst gewendet hat.
Aber für Tausende, für Hunderttausende, ja für Millionen Menschen wird es zu spät werden, weil sie es nicht anders wollen. Es ist ja nur natürlich, daß die falsch gestellte Kraft die Maschine zertrümmert, der sie sonst gedient hätte, um eine segensvolle Arbeit zu verrichten.
Und bricht es dann herein, so werden sich alle Zögernden plötzlich wieder auf das Beten besinnen, aber nicht mehr die rechte Art dazu finden können, die allein Hilfe zu bringen vermöchte. Erkennen sie dann das Versagen, so werden sie in der Verzweiflung schnell zum Fluchen übergehen und anklagend behaupten, daß es keinen Gott geben könne, wenn er solches zuläßt. An eiserne Gerechtigkeit wollen sie nicht glauben, ebensowenig daran, daß ihnen die Macht gegeben war, alles rechtzeitig noch zu ändern. Und daß ihnen dies auch oft genug gesagt wurde.
Aber sie verlangen für sich mit kindischem Trotze einen liebenden Gott nach ihrem Sinne, der alles verzeiht. Nur darin wollen sie seine Größe anerkennen! Wie sollte dieser Gott nach ihren Vorstellungen wohl dann denen tun, die ihn immer ernsthaft suchten, aber gerade dieses Suchens wegen von jenen, die Verzeihung erwarten, getreten, verhöhnt und verfolgt wurden?
Toren, die in ihrer immer neu gewollten Blind- und Taubheit ins Verderben rennen, die ihr Verderben selbst mit Eifer schaffen. Mögen sie dem Dunkel überlassen bleiben, dem sie hartnäckig im Allesbesserwissen zustreben. Nur durch das eigene Erleben können sie noch zur Besinnung kommen. Deshalb
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wird das Dunkel auch ihre beste Schule sein. Doch es kommt der Tag, die Stunde, wo auch dieser Weg zu spät ist, weil die Zeit nicht mehr ausreichen wird, sich nach endlichem Erkennen durch Erleben noch von dem Dunkel loszureißen und aufwärts zu steigen. Aus diesem Grunde wird es Zeit, sich endlich ernsthaft mit der Wahrheit zu befassen.
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Moderne Geisteswissenschaft

Moderne Geisteswissenschaft! Was sammelt sich alles unter dieser Flagge! Was findet sich dabei zusammen, und was bekämpft sich auch darunter! Ein Tummelplatz von ernstem. Suchen, wenig Wissen, großen Plänen, Eitelkeit und Dummheit, vielfach auch leere Prahlerei, und noch mehr skrupellosester Geschäftssinn. Aus dem Gewirr erblüht nicht selten Neid und grenzenloser Haß, der sich zuletzt in tückischer Rachsucht nie-drigster Art auslöst.
Bei solchen Zuständen ist es natürlich nicht zu verwundern, wenn viele Menschen dem ganzen tollen Tun und Treiben aus dem Wege gehen, mit einer Scheu, als ob sie sich vergiften würden, wenn sie damit in Berührung kommen. Diese haben auch nicht so unrecht; denn zahllose Anhänger der Geisteswissenschaft zeigen in ihrem Gebaren wahrlich nichts Verlockendes, noch weniger Anziehendes, sondern alles an ihnen mahnt viel eher jeden anderen Menschen zu größter Vorsicht.
Sonderbar ist es, daß das ganze Gebiet der sogenannten Geisteswissenschaft, die oft von übelwollenden oder Nichtwissenden mit Geisterwissenschaft verwechselt wird, heute noch als eine Art Freiland gilt, worauf jedermann sein Wesen und Unwesen ungehindert, ja zügellos und ungestraft treiben darf.
Es gilt dafür. Doch die Erfahrungen haben bereits sehr oft gelehrt, daß es nicht so ist!
Zahllose Pioniere auf dem Gebiete, die leichtsinnig genug waren, mit nur eingebildetem Wissen forschend einige Schritte vorwärts zu wagen, wurden hilflose Opfer ihrer Fahrlässigkeit. Traurig dabei ist nur, daß alle diese Opfer fielen, ohne daß der Menschheit auch nur das geringste damit gegeben werden konnte!
Jeder dieser Fälle hätte ja nun eigentlich ein Beweis dafür sein sollen, daß der eingeschlagene Weg nicht der richtige ist, da er nur Schaden und sogar Verderben, aber keinen Segen

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bringt. Doch mit einer eigentümlichen Beharrlichkeit werden diese falschen Wege beibehalten, immer wieder neue Opfer gebracht; über jedes gefundene Stäubchen neu erkannter Selbstverständlichkeit in der gewaltigen Schöpfung wird großes Geschrei erhoben und zahllose Abhandlungen geschrieben, die viele ernsthaft suchende Menschen abschrecken müssen, weil das unsichere Tasten darin nur zu deutlich fühlbar wird.
Das ganze bisherige Forschen ist in Wirklichkeit mehr eine gefährliche Spielerei zu nennen mit gutwollendem Hintergrunde.
Das als Freiland angesehene Gebiet der Geisteswissenschaft wird nie ungestraft betreten werden können, so lange man nicht den geistigen Gesetzen in ihrem vollen Umfange vorher Rechnung zu tragen versteht. Jedes bewußte oder unbewußte Entgegenstellen, das heißt „Nichteinhalten“ derselben, was gleichbedeutend mit Übertretung ist, muß in ihrer unvermeidlichen Wechselwirkung den Kühnen, Frivolen oder Leichtsinnigen treffen, der sie nicht genau beachtet oder zu beachten vermag.
Das unirdische mit irdischen Mitteln und Möglichkeiten durchstreifen zu wollen, ist nicht anders, als wenn ein mit irdischen Gefahren noch nicht vertrautes, unentwickeltes Kind in einen Urwald gestellt und allein gelassen würde, wo nur ein dazu entsprechend ausgerüsteter Mensch in seiner Vollkraft mit aller Vorsicht Aussicht haben kann, unbeschädigt hindurchzukommen.
Den modernen Geisteswissenschaftlern in ihrer jetzigen Arbeitsweise geht es nicht anders, auch wenn sie es noch so ernst zu meinen wähnen und wirklich nur des Wissens halber vieles wagen, um den Menschen damit vorwärts zu helfen über eine Grenze, an der sie schon lange anklopfend harren.
Wie Kinder stehen diese Forscher heute noch davor, hilflos, tastend, die Gefahren nicht kennend, die ihnen jeden Augenblick entgegenströmen oder sich durch sie auf andere Menschen ergießen können, wenn ihre tappenden Versuche eine Bresche in den natürlichen Schutzwall wühlen oder eine Türe öffnen, die besser für viele verschlossen bleiben würde.

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Leichtsinn kann das alles nur genannt werden, nicht Kühnheit, solange die also vordringen Wollenden nicht genau wissen daß sie alle eventuellen Gefahren unbedingt sofort zu meistern vermögen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.
Am unverantwortlichsten handeln die „Forscher“, die sich mit Experimenten befassen. Auf das Verbrechen der Hypnose ist bereits mehrfach schon hingewiesen. Die nun in anderer Art noch experimentierenden Forscher begehen in den meisten Fällen den bedauerlichen Fehler, daß sie, selbst nichts wissend — denn sonst würden sie es sicherlich nicht tun —, andere sehr sensible oder mediale Menschen entweder in magnetischen oder gar hypnotischen Schlaf versetzen, um sie damit den körperlich unsichtbaren Einflüssen der „jenseitigen“ Welt näher zu bringen, in der Hoffnung, dadurch verschiedenes hören und beobachten zu können, was bei vollkommen tagbewußtem Zustande der betreffenden Versuchsperson nicht möglich sein würde.
In mindestens fünfundneunzig von hundert Fällen setzen sie damit solche Menschen großen Gefahren aus, denen diese noch nicht gewachsen sind; denn jede Art künstlicher Nachhilfe zur Vertiefung ist eine Bindung der Seele, durch die diese in eine Empfindsamkeit hineingedrängt wird, die weiter geht, als es ihre natürliche Entwicklung zulassen würde.
Die Folge ist, daß ein solches Opfer der Versuche plötzlich seelisch auf einem Gebiete steht, auf dem es seines natürlichen Schutzes durch die künstliche Nachhilfe beraubt ist oder für das es seinen natürlichen Schutz nicht hat, der nur durch eigene, innere gesunde Entwicklung entstehen kann.
Man muß sich einen solchen bedauernswerten Menschen bildlich so vorstellen, als ob er entblößt an einen Pfahl gebunden steht, weit als Köder in gefährliches Gelände vorgeschoben, um das dort noch unbekannte Leben und Wirken auf sich zu ziehen, sogar auf sich wirken zu lassen, damit er darüber Bericht geben kann oder damit verschiedene Auswirkungen durch seine Mithilfe unter Hergabe bestimmter irdischer Substanzen aus seinem Körper auch anderen sichtbar werden.
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Eine derartige Versuchsperson vermag zeitweise durch die Verbindung, die seine vorgedrängte Seele mit dein irdischen Körper halten muß, alles Vorgehende wie durch ein Telephon zu berichten und dem Zuschauer zu übermitteln.
Wird aber dabei der also künstlich vorgeschobene Posten irgendwie angegriffen, so vermag er sich wegen Mangel des natürlichen Schutzes nicht zu wehren, er ist hilflos preisgegeben, weil er durch Mithilfe anderer nur künstlich in ein Gebiet hineingeschoben wurde, in das er seiner eigenen Entwicklung nach noch nicht oder überhaupt nicht gehört. Der sogenannte Forscher aber, der ihn aus Wissensdurst hineindrängte, kann ihm ebensowenig helfen, da er selbst dort, woher die Gefahr kommt, fremd und unerfahren ist und deshalb nichts zu irgendeinem Schutze zu tun vermag.
So kommt es, daß die Forscher zu Verbrechern werden, ohne es zu wollen und ohne von irdischer Gerechtigkeit darüber belangt werden zu können. Das schließt aber nicht aus; daß die geistigen Gesetze mit voller Schärfe ihre Wechselwirkung üben und den Forschenden an sein Opfer ketten.
So manche Versuchsperson erlitt feinstoffliche Angriffe, die sich mit der Zeit, oft auch schnell oder sofort grobstofflich-körperlich mit auswirken, so daß irdische Krankheit oder Tod folgt, womit aber der seelische Schaden noch nicht behoben wird.
Die sich Forscher nennenden Beobachter aber, die ihre Opfer in die unbekannten Gebiete drängen, stehen während solcher gefährlichen Experimente in den meisten Fällen in guter irdischer Deckung unter dem Schutze ihres Körpers und Tagbewußtseins.
Selten ist es, daß sie an den Gefahren der Versuchspersonen gleichzeitig mit teilnehmen, daß solche also auf sie sofort übergehen. Aber bei ihrem irdischen Tode dann, dem Übergange in die feinstoffliche Welt, müssen sie durch ihre Verkettung mit den Opfern auf jeden Fall dorthin, wohin diese eventuell gerissen wurden, um erst gemeinsam mit ihnen langsam wieder emporsteigen zu können.
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Das künstliche Hinausdrängen einer Seele in ein andere Gebiet muß nun nicht immer so verstanden werden, daß die Seele aus dem Körper austritt und davonschwebt bis zu einer anderen Region. In den meisten Fällen bleibt sie ruhig in ilem Körper. Sie wird nur durch den magnetischen oder hypnotischen Schlaf unnatürlich empfindsam gemacht, so daß sie auf viel feinere Strömungen und Einflüsse reagiert, als es in ihrem natürlichen Zustande möglich wäre. Selbstverständlich ist es, daß in diesem unnatürlichen Zustande die Vollkraft nicht vorhanden ist, die sie sonst haben würde, wenn sie aus innerer Entwicklung heraus selbst so weit gekommen wäre und dadurch auf diesem neuen, verfeinerten Boden fest und sicher stehen würde, allen Einwirkungen die gleiche Kraft entgegenbringend. Aus diesem Mangel an gesunder Vollkraft kommt durch das Gekünstelte eine Ungleichheit, die Störungen nach ziehen muß. Die Folge davon ist unbedingte Trübung in allen Empfindungen, wodurch Entstellungen der Wirklichkeit entstehen.
Die Ursache zu den falschen Berichten, zu den zahllosen Irrtümern geben immer nur wieder die Forscher selbst durch ihre schädigende Nachhilfe. Daher kommt es auch, daß in den vielen „erforschten“ Dingen aus dem okkulten Gebiete, die schon vorliegen, so manches mit strenger Logik nicht übereinstimmen will. Es sind zahllose Irrtümer darin enthalten, die bisher noch nicht als solche erkannt werden konnten.
Bei diesen sichtbar falschen Wegen wird nun absolut nichts erreicht, das nur einigermaßen Nutzen oder Segen für die Menschen haben könnte.
Nützen kann den Menschen in Wirklichkeit nur etwas, das ihnen aufwärts hilft, oder wenigstens einen Weg dazu zeigt. Aber das alles ist bei diesen Experimenten von vornherein und für immer vollkommen ausgeschlossen! Durch künstliche Nachhilfe vermag ein Forscher manchmal aber doch schließlich irgendeinen sensiblen oder medialen Menschen aus dem irdisch-grobstofflichen Körper hinauszudrängen in die ihm zunächst befindliche feinstoffliche Welt, aber nicht um Haaresbreite höher als dorthin, wohin dieser seiner inneren Beschaf-
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feinheit entsprechend sowieso gehört. Im Gegenteil, durch künstliche Nachhilfe vermag er ihn nicht einmal dorthin zu bringen, sondern immer nur in die allem Irdischen nächste Umgebung.
Diese dem Irdischen allernächste Umgebung aber kann nur alles das Jenseitige bergen, was noch dicht erdgebunden ist, was durch seine Minderwertigkeit, Laster und Leidenschaft an die Erde gekettet bleibt.
Natürlich wird auch etwas weiter Fortgeschrittenes hier und da in dieser Umgebung sich vorübergehend aufhalten. Das ist aber nicht immer zu erwarten. Hohes kann sich aus rein naturgesetzlichen Gründen nicht dort befinden. Eher würde die Welt aus ihren Angeln gehen, oder … es müsse denn in einem Menschen ein Postament zur Verankerung des Lichtes vorhanden sein!
Daß dies aber in einer Versuchsperson oder einem derart tastenden Forscher zu suchen wäre, ist kaum anzunehmen. Also bleibt die Gefahr und die Zwecklosigkeit aller Experimente bestehen.
Sicher ist es auch, daß etwas wirklich Höheres nicht ohne die alles Gröbere reinigende Gegenwart eines weitentwickelten Menschen in die Nähe eines Mediums kommen kann, noch viel weniger durch dieses zu sprechen vermag. Materialisationen aus den höheren Kreisen kommen gleich n nicht in Betracht, am allerwenigsten die beliebten neckischen Spiele mit Klopfen, Bewegungen von Gegenständen usw. Die Kluft ist dazu viel zu groß, als daß sie ohne weiteres überbrückt werden könnte.
Alle diese Dinge können trotz eines Mediums nur von solchen Jenseitigen ausgeführt werden, die noch sehr dicht mit der Materie verbunden sind. Wenn es anders möglich wäre, also, daß Hohes sich so leicht mit der Menschheit in Verbindung setzen könnte, so hätte Christus ja gar nicht Mensch zu werden brauchen, sondern seine Mission auch ohne dieses Opfer erfüllen können.*) Die Menschen von heute aber sind seelisch sicherlich nicht höher entwickelt als zu Jesus Erden-
*) Vortrag: Der Erlöser.
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zeit, so daß nicht anzunehmen ist, daß eine Verbindung mit dem Lichte leichter herzustellen sei als damals.
Nun sagen die Geisteswissenschaftler allerdings, daß sie in erster Linie den Zweck verfolgen, jenseitiges Leben, namentlich das Fortleben nach dem irdischen Tode festzustellen, und daß bei der jetzt allgemein herrschenden Skepsis sehr starke und grobe Geschütze dazu gehören, also irdisch greifbare Beweise, um in die Abwehrstellung der Gegner eine Bresche zu schlagen.
Diese Begründung entschuldigt jedoch nicht, daß Menschenseelen in so leichtfertiger Weise immer und immer wieder auf das Spiel gesetzt werden! Außerdem liegt gar keine zwingende Notwendigkeit vor, böswillige Gegner unbedingt überzeugen zu wollen! Es ist doch bekannt, und es geht auch schon aus Christi Äußerungen hervor, daß diese nicht zu glauben bereit sein würden, auch wenn ein Engel vorn Himmel direkt käme, um ihnen die Wahrheit zu verkünden. Nach dessen Weggange würden sie eben behaupten, daß es eine Massenhalluzination gewesen sei, nicht aber ein Engel, oder sonst eine Ausrede gebrauchen. Und wenn irgend etwas oder jemand gebracht wird, das oder der irdisch bleibt, also nicht wieder verschwindet oder unsichtbar wird, so gibt es wieder andere Ausflüchte, gerade weil es den an ein Jenseits nicht glauben Wollenden wiederum zu irdisch sein würde. Sie würden nicht davor zurückschrecken, einen solchen Beweis als Betrug, einen Menschen aber als Phantasten, Fanatiker oder ebenfalls als Betrüger hinzustellen. Sei es nun zu irdisch oder unirdisch, oder auch beides zusammen, etwas werden sie immer auszusetzen und zu bezweifeln haben. Und wenn sie sich gar nicht mehr anders zu helfen wissen, dann werfen sie mit Schmutz, gehen auch zu stärkeren Angriffen über und scheuen vor Gewalttätigkeiten nicht zurück.
Um diese also zu überzeugen, dazu sind Opfer nicht angebracht! Noch weniger aber für viele der sogenannten Anhänger. Diese wähnen in einer sonderbaren Art von Hochmut, durch ihren in den meisten Fällen etwas unklaren und phantastischen Glauben an das Leben im Jenseits gewisse Forderungen daran
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stellen zu können, um ihrerseits etwas „sehen“ oder „erleben“ zu müssen. Sie erwarten von ihren Führern jenseitige Zeichen als Lohn für ihre Bravheit. Geradezu lächerlich wirken dabpi oft die selbstverständlichen Erwartungen, die sie mit sich herumtragen, sowie das vielwissende, gutmütig verzeihende Lächeln als Schau für ihr eigentliches Nichtwissen. Es ist Gift, diesen Massen auch noch Vorstellungen geben zu wollen; denn da sie so vieles zu wissen wähnen, gelten ihnen die Experimente nicht viel mehr als wohlverdiente Unterhaltungsstunden, bei denen Jenseitige die Varieté-Künstler abgeben sollen.
Sehen wir nun aber einmal von den großen Experimenten ab und betrachten wir uns die kleinen, wie Tischrücken. Diese sind durchaus nicht so harmlos, als es gedacht wird, sondern in ihrer ungeheueren leichten Verbreitungsmöglichkeit eine sehr ernste Gefahr!
Jedermann sollte davor gewarnt werden! Wissende müssen sich mit Grauen wenden, wenn sie sehen, wie leichtfertig mit diesen Dingen umgegangen wird. Wieviele der Anhänger suchen ihr „Wissen“ in manchen Kreisen zu zeigen, indem sie Versuche mit Tischrücken anregen, oder in Familien entweder lächelnd oder geheimnisvoll raunend die fast ins Spielerische gehende Übung mit Buchstaben und Glas oder anderem Hilfsmittel einzuführen, das bei leichtem Auflegen der Hand nach verschiedenen Buchstaben hinleitet oder hingezogen wird, so Worte bildend. Mit unheimlicher Geschwindigkeit hat sich dies alles bis zu Gesellschaftsspielen entwickelt, wo es unter Lachen, Spotten und manchmal angenehmem Gruseln getrieben wird.
Täglich sitzen dann in Familien ältere und jüngere Damen an einem Tischchen zusammen, oder auch allein vor auf Pappe gezeichneten Buchstaben, die, wenn möglich, noch in ganz bestimmter Form aufgezeichnet sein müssen, damit der die Phantasie anregende Hokuspokus nicht fehlt, der überdies ganz unnötig dabei ist; denn es würde auch ohne den gehen, wenn die betreffende Person nur einigermaßen dazu neigt. Und deren sind unzählige!
Die modernen Geisteswissenschaftler und die Führer der ok-

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kalten Verbindungen freuen sich darüber, da ja wirkliche die Worte und Sätze dabei gebildet werden, an e er Ausübende weder bewußt noch unterbewußt gedacht hat, dadurch überzeugt werden muß und die Anhängerzahl des „Okkulten“ vergrößert.
Schriften okkulter Richtungen weisen darauf hin, Redner treten dafür ein, Hilfsmittel werden fabriziert und verkauft, die all diesen Unfug erleichtern, und so tritt fast die gesamte okkulte Welt als gutarbeitende Handlanger des Dunkels auf in der ehrlichen Überzeugung, Priester des Lichtes damit zu sein!
Diese Vorgänge beweisen allein schon die vollkommene Unwissenheit, die in den okkulten Bestrebungen dieser Art liegt! Sie zeigen, daß niemand von allen denen wirklich sehend ist! Es darf nicht als Gegenbeweis gelten, wenn sich irgendein gutes Medium aus diesen Anfängen heraus hier und da einmal entwickelt hat, oder vielmehr, was richtiger ist, wenn ein gutes Medium im Anfang vorübergehend dazu gezogen wurde.
Die wenigen Menschen, die von vornherein dazu bestimmt sind, haben in ihrer eigenen natürlichen Entwicklung einen ganz anderen und sorgfältig jede Stufe überwachenden Schutz, den andere nicht genießen. Dieser Schutz wirkt aber auch nur bei natürlicher, eigener Entwicklung, ohne jede künstliche Nachhilfe! Weil gerade nur in allem Natürlichen als selbstverständlich ein Schutz ruht.
Sobald nur die geringste Nachhilfe darin kommt, sei es durch Übungen der Person selbst oder von anderer Seite durch magnetischen Schlaf oder Hypnose, so wird es unnatürlich und dadurch nicht mehr ganz in die natürlichen Gesetze passend, die allein Schutz zu gewähren imstande sind. Kommt nun noch Unkenntnis dazu, wo sie überall zurzeit vorhanden ist, so ist das Verhängnis da. Das Wollen allein wird das Können nie ersetzen, wenn es zum Handeln kommt. Niemand aber soll sein Können überschreiten.
Es ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß bei den Hunderttausenden, die sich mit diesen gefährlichen Spielereien befassen; hier und da ein Mensch wirklich ungestraft da-
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von kommt und guten Schutz hat. Ebenso werden viele nur so geschädigt, daß es irdisch noch nicht bemerkbar wird, so daß sie erst nach dein Hinübergehen plötzlich erkennen müssen, welche Dummheiten sie eigentlich gemacht haben. Aber es gibt auch viele, die bereits irdisch sichtbaren Schaden davontragen, wenn sie auch während ihres Erdenlebens nie zur Erkenntnis der eigentlichen Ursache kommen.
Aus diesem Grunde muß der feinstoffliche und geistige Vorgang während dieser Spielereien einmal erklärt werden. Er ist ebenso einfach, wie alles in der Schöpfung, und durchaus nicht so kompliziert, aber doch auch wieder schwerer, als sich viele denken.
Wie die Erde jetzt ist, hat durch das Wollen der Menschheit das Dunkel die Oberhand über alles Materielle gewonnen. Es steht also in allein Materiellen so gut wie auf eigenem, ihm wohlvertrauten Boden und vermag dadurch sich im Materiellen auch voll auszuwirken. Es ist also darin in seinem Element, kämpft auf ihm bekannten Grunde. Dadurch ist es zurzeit in allem Materiellen, also Grobstofflichen, dem Lichte überlegen.
Die Folge davon ist, daß in allem Materiellen die Kraft des Dunkels stärker wird als die des Lichtes. Nun kommt aber bei derartigen Spielereien wie Tischrücken usw. das Licht, also Hohes, überhaupt nicht in Betracht. Wir können höchstens von Schlechtem, also Dunkel, und Besserem, also Hellerem, sprechen.
Benutzt nun ein Mensch einen Tisch, oder ein Glas, oder überhaupt irgendeinen grobstofflichen Gegenstand, so begibt er sich damit auf den dem Dunkel vertrauten Kampfboden. Einen Boden, den alles Dunkle sein eigen nennt. Er räumt ihm damit von vornherein eine Kraft ein, gegen die er keinen entsprechenden Schutz aufbringen kann.
Betrachten wir uns einmal eine spiritistische Beschäftigung oder auch nur ein Gesellschaftsspiel mit dem Tische, und verfolgen wir dabei die geistigen oder besser feinstofflichen Vorgänge.
Tritt ein Mensch oder mehrere mit der Absicht an einen Tisch heran, um durch diesen in Verbindung mit Jenseitigen
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zu kommen, sei es nun, daß diese Klopftöne geben oder, was üblicher ist, den Tisch bewegen sollen, um aus diesen Zeichen Worte formen zu können, so wird in erster Linie in der Verbindung mit der Materie Dunkles mit angezogen, das die Kundgebungen übernimmt. Mit großem Geschick verwenden sie oft hochtönende Worte, suchen die ja für sie leicht zu lesenden Gedanken der Menschen in denen erwünschter Weise zu beantworten, führen sie aber in ernsten Fragen dann immer irre, und suchen sie, wenn es oft geschieht, nach und nach unter ihren immer stärker werdenden Einfluß zu bringen und so langsam, aber sicher herabzuzerren. Dabei lassen sie die Irregeführten sehr geschickt in dem Glauben, daß diese aufwärts gehen.
Kommt aber vielleicht gleich im Anfang, oder auch bei irgend einer Gelegenheit ein hinübergegangener Verwandter oder Freund durch den Tisch zu Worte, was sehr oft vorkommt, so läßt sich die Täuschung dann noch leichter durchführen. Die Menschen werden erkennen, daß es wirklich ein bestimmter Freund sein muß, der sich kundgibt, und daraufhin glauben, daß er es immer ist, wenn durch den Tisch irgendwelche Äußerungen kommen und der Name des Bekannten als Urheber genannt wird.
Das ist aber nicht der Fall! Nicht nur, daß das stets beobachtende Dunkel geschickt den Namen verwendet, um Irreführungen einen möglichst glaubhaften Anstrich zu geben und das Vertrauen der Fragenden zu erringen, sondern es geht sogar so weit, daß ein Dunkler mitten in einen von dem wirklichen Freunde begonnenen Satz eingreift und diesen absichtlich falsch vollendet. Es tritt dann die kaum bekannte Tatsache ein, daß an einem glatt und hintereinander bekundeten Satze zwei beteiligt waren. Erst der wirkliche und vielleicht ganz helle, also reinere Freund, und dann ein Dunkler, übelwollender, ohne daß der Fragesteller etwas davon bemerkt.
Die Folgen davon sind leicht zu denken. Der Vertrauende wird getäuscht und in seinem Glauben erschüttert. Der Gegner benützt den Vorgang zur Bestärkung seines Spottes und seiner Zweifel, mitunter zu heftigen Angriffen gegen die ganze
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Sache. In Wirklichkeit haben aber beide unrecht, das nur auf die über das ganze Gebiet noch lagernde Unwissenheit zurückzuführen ist.
Der Vorgang aber spielt sich in aller Natürlichkeit ab: Ist ein hellerer, wirklicher Freund am Tische, um dem Wunsche des Fragenden nachzugeben und sich kund zu tun, und es drängt sich ein Dunkler heran, so muß dieser Hellere davon. zurückzuweichen, da der Dunklere durch die vermittelnde Materie des Tisches eine größere Kraft entfalten kann, weil alles Materielle zurzeit das eigentliche Gebiet des Dunkels ist.
Den Fehler macht der Mensch, der Materielles wählt und so von vornherein einen ungleichen Boden schafft. Das Dichte, Schwere, also Dunkle steht der grobstofflichen Materie an Dichtheit schon näher als das Lichte, Reine, Leichtere, und hat durch die engere Verbindung größere Kraftentfaltung.
Auf der anderen Seite hat aber auch das Hellere, das sich noch durch Materielles kundzugeben vermag, ebenfalls immer noch eine diesem in gewissem Grade nahekommende Dichtheit, sonst wäre eine Verbindung mit der Materie zu irgendeiner Kundgebung gar nicht mehr möglich. Das setzt an sich ein Nahekommen an die Materie voraus, welches wiederum die Möglichkeit einer Beschmutzung nach sich zieht, sobald die Verbindung durch die Materie mit dem Dunkel geschaffen ist. Dieser Gefahr zu entgehen, bleibt dein Helleren nichts anderes übrig, als sich schnell von der Materie, also dem Tische oder einem anderen Hilfsmittel zurückzuziehen, sobald ein Dunkler darnach greift, um das vermittelnde Glied auszuschalten, das eine Brücke über die natürliche, trennende und dadurch schützende Kluft bilden würde.
Es ist jenseitig dann nicht zu vermeiden, daß in solchen Fällen der durch den Tisch experimentierende Mensch den niederen Einflüssen preisgegeben werden muß. Er hat ja allerdings durch seine eigene Handlung auch nicht anders gewollt; denn die Unkenntnis der Gesetze vermag ihn auch hier nicht zu schützen.
Mit diesen Vorgängen wird sich für viele so manches bisher
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Unerklärliche klären, zahlreiche rätselhafte Widersprüche finden ihre Lösung, und hoffentlich werden nun auch viele Menschen ihre Hände von solchem gefährlichen Spielzeuge lassen!
In gleicher ausführlicher Art können nun auch die Gefahren aller anderen Experimente geschildert werden, die viel größer sind und stärker. Doch es sei mit diesen gebräuchlichsten und verbreitetsten Dingen vorläufig getan.
Nur eine weitere Gefahr soll noch genannt werden. Durch diese Art der Fragestellungen und des Antwort- und Ratschlägeheischens machen sich die Menschen sehr unselbständig und abhängig. Das Gegenteil von dem, was das Erdenleben zum Zweck hat.
Der Weg ist falsch nach jeder Richtung hin! Er bringt nur Schaden, keinen Nutzen. Es ist ein Hinkriechen am Boden, wo die Gefahr besteht, immer wieder mit eklem Gewürm zusammenzutreffen, seine Kräfte zu vergeuden und zuletzt ermattet auf der Strecke liegen zu bleiben . . . für nichts!
Mit diesem „Forschenwollen“ wird aber auch denJenseitigen großer Schaden zugefügt!
Vielen Dunkeln wird damit Gelegenheit geboten, sie werden sogar damit direkt in Versuchung geführt, Übles auszuführen und sich neue Schuld aufzubürden, wozu sie sonst nicht so leicht kommen könnten. Andere aber werden durch die fortwährende Bindung der Wünsche und Gedanken von ihrem Aufwärtsstreben zurückgehalten. Bei klarer Beobachtung dieses Forscherwesens erscheint es oft so kindisch eigensinnig, so von rücksichtslosestem Egoismus durchdrängt, dabei aber auch so täppisch, daß man sich kopfschüttelnd fragen muß, wie es überhaupt möglich ist, daß jemand der Allgemeinheit ein Land eröffnen will, von dem er selbst auch nicht einen Schritt breit wirklich kennt.
Falsch ist es auch, daß das ganze Suchen vor der breiten Öffentlichkeit stattfindet. Damit wird den Phantasten und Scharlatanen freie Bahn geschaffen und es der Menschheit schwer gemacht, Vertrauen zu gewinnen.
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In keiner Sache ist dies je geschehen. Und jedes Forschen, von dem heute voller Erfolg anerkannt wird, hat vorher während des Suchens zahlreiche Fehlschläge gehabt. Man ließ diese aber die Öffentlichkeit nicht so miterleben! Sie wird davon ermüdet und verliert mit der Zeit jedes Interesse. Die Folge ist, daß bei endlichem Finden der Wahrheit die Hauptkraft einer umwälzenden und durchschlagenden Begeisterung vorher verloren gehen mußte. Die Menschheit vermag sich zu einer jubelnden Freude, die alles überzeugend mitreißt, nicht mehr aufzuraffen.
Die Rückschläge bei der Erkennung falscher Wege werden zu scharfen Waffen in den Händen vieler Feinde, die Hunderttausenden von Menschen mit der Zeit ein solches Mißtrauen einflößen können, daß diese Ärmsten bei dem Auftreten der Wahrheit diese nicht mehr werden ernsthaft prüfen wollen, aus lauter Furcht vor neuer Täuschung! Sie schließen ihre Ohren, die sie sonst geöffnet hätten, und versäumen so die letzte Spanne Zeit, die ihnen noch Gelegenheit geben könnte, nach dem Licht emporzusteigen. Damit hat dann das Dunkel einen neuen Sieg erreicht! Den Dank kann es den Forschern bringen, die ihm die Hände dazu reichten und die sich gern und stolz zur Führung der modernen Geisteswissenschaften aufschwingen!
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Falsche Wege

Die Menschen sind mit wenigen Ausnahmen in einem grenzenlosen und für sie sehr verhängnisvollen Irrtum!
Gott hat nicht nötig, ihnen nachzulaufen und darum zu bitten, daß sie an sein Dasein glauben sollen. Auch seine Diener sind nicht ausgesandt, immerfort zu mahnen, ja nicht von ihm abzulassen. Das wäre ja lächerlich. Es ist eine Entwertung und Herabzerrung der erhabenen Gottheit, so zu denken und solches zu erwarten. Diese irrtümliche Auffassung richtet großen Schaden an. Genährt wird sie durch das Gebaren vieler wirklich ernster Seelsorger, die in tatsächlicher Liebe zu Gott und den Menschen immer wieder versuchen, nur dem Irdischen zugewandte Menschen zu bekehren, sie zu überzeugen und für die Kirche zu gewinnen. Das alles trägt nur dazu bei, den ohnedies genug vorhandenen Dünkel des Menschen von seiner Wichtigkeit maßlos zu steigern und viele zuletzt wirklich in den Wahn zu versetzen, daß die darum gebeten werden müssen, Gutes zu wollen. Das bringt auch die sonderbare Einstellung der größten Zahl aller „Gläubigen“, die viel eher abschreckende Beispiele darstellen als Vorbilder. Tausende und Abertausende fühlen in sich eine gewisse Genugtuung, ein Gehobensein in dem Bewußtsein, daß sie an Gott glauben, ihre Gebete mit dem von ihnen aufzubringenden Ernste vollziehen und ihren Nächsten nicht absichtlich Schaden zufügen.
In diesem inneren „Gehobensein“ fühlen sie eine gewisse Vergeltung des Guten, einen Dank Gottes für ihre Folgsamkeit, spüren sie ein Verbundensein mit Gott, an den sie auch manchmal mit einem gewissen heiligen Erschauern denken, das ein Seligkeitsgefühl auslöst oder hinterläßt, das sie mit Glück genießen.
Aber diese Scharen der Gläubigen gehen falsch. Sie leben glücklich in einem selbstgeschaffenen Wahne, der sie sich selbst
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unbewußt zu jenen Pharisäern zählen läßt, die mit dem wirklichen, aber falschen Dankgefühle ihre, kleinen Opfer darbringen: „Herr, ich danke dir, daß ich nicht so bin wie jene.“ Es wird dies nicht ausgesprochen, auch nicht in Wirklichkeit gedacht, aber das „hebende Gefühl“ im Inneren ist weiter nichts als dieses unbewußte Dankgebet, das auch Christus schon als so falsch hinstellt.
Das innere „Gehobensein“ ist in diesen Fällen weiter nichts als die Auslösung einer durch Gebet oder gewollt gute Gedanken erzeugten Selbstbefriedigung. Die sich demütig nennen, sind meistens sehr weit davon entfernt, in Wirklichkeit demütig zu sein! Es erfordert oft Überwindung, mit solchen Gläubigen zu sprechen. Nie und nimmer werden sie in solcher Verfassung die Seligkeit erreichen, die sie schon sicher zu haben wähnen! Sie mögen zusehen, daß sie nicht etwa ganz verloren gehen in ihrem geistigen Hochmut, den sie für Demut halten. Viele der jetzt noch vollkommen Ungläubigen werden es leichter haben, in das Reich Gottes einzugehen, als alle die Scharen mit ihrer dünkelhaften Demut, die in Wirklichkeit nicht einfach bittend, sondern indirekt fordernd vor Gott treten, damit er sie belohne für ihre Gebete und frommen Worte. Ihre Bitten sind Forderungen, ihr Wesen Heuchelei. Sie werden von seinem Angesicht weggeweht werden wie leere Spreu. Ihnen wird der Lohn, gewiß, nur anders, als sie denken. Sie haben sich bereits auf Erden genug gesättigt in dem Bewußtsein ihres eigenen Wertes.
Das Wohlfühlen vergeht bald bei dem Übertreten in die feinstoffliche Welt, in der das hier kaum geahnte innere Empfinden hervortritt, während das bisher vorwiegend nur durch Gedanken erzeugte Gefühl in Nichts verweht.
Das innere, stille, sogenannte demutsvolle Erwarten eines Besseren ist in Wirklichkeit weiter nichts als ein Fordern, auch wenn es in noch so schönen Worten anders ausgedrückt wird. Jede Forderung ist aber eine Anmaßung. Gott allein hat zu fordern! Auch Christus kam nicht bittend zu den Menschen mit seiner Botschaft, sondern warnend und fordernd. Er gab
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wohl Erklärungen über die Wahrheit, hielt aber nicht lockend Belohnungen vor die Augen der Hörer, um sie damit anzuspornen, besser zu werden. Er befahl den ernsthaft Suchenden ruhig und streng: Gehet hin und handelt darnach!
Fordernd steht Gott vor der Menschheit, nicht lockend und bittend, nicht klagend und trauernd. Ruhig wird er alle Schlechten, sogar alle Schwankenden, dem Dunkel überlassen, um die Aufwärtsstrebenden den Angriffen nicht mehr auszusetzen und um die anderen alles das gründlich erleben zu lassen, was sie für richtig halten, damit sie zur Erkenntnis ihres Irrtumes kommen!
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Werfet auf ihn alle Schuld

Dieses so oft gebrauchte Wort ist eines der Hauptberuhigungsmittel aller, die sich gläubige Christen nennen. Doch das Mittel ist ein Gift, das einen Rausch erzeugt. Gleich vielen Giften, die bei Krankheiten nur zur Betäubung vorkommender körperlicher Schmerzen angewendet werden und damit eine scheinbare Beruhigung herbeiführen, so ähnlich ist es in geistiger Beziehung mit den Worten: „Werfet auf ihn alle Schuld; denn er hat uns erlöset, und durch seine Wunden sind wir geheilet!“
Da dieses von den Gläubigen als eine der Grundsäulen der kirchlich-christlichen Lehren hingenommen wird, wirkt es unter ihnen um so verheerender. Sie bauen ihre ganze innere Einstellung darnach auf. Damit geraten sie aber in eine tödliche Umarmung blinden Glaubens, in der sie alles andere mir noch in starker Trübung zu schauen vermögen, bis sich zuletzt das ganze Bild verschiebt und über die Wahrheit ein grauer Schleier sinkt, so daß sie nur noch einen Halt an dem künstlichen Aufbau entstellender Theorien finden können, der mit diesen zusammenbrechen muß am Tage der Erkenntnis.
„Werfet auf ihn alle Schuld . .!“ Törichter Wahn! Wie Feuer wird die lichte Wahrheit zwischen die Heere falscher Lehrer und fauler Gläubigen fahren und zündend alles Un-wahre verbrennen! Behaglich sonnen sich Massen heute noch in dem Glauben, daß alles, was der Heiland litt und tat, für sie geschah. Sie nennen es in Trägheit ihres Denkens vermessen, frevelhaft von jedem Menschen, der wähnt, auch selbst noch etwas beitragen zu müssen, um in den Himmel eingehen zu können. In diesem Punkte verfügen viele über eine erstaunliche Demut und Bescheidenheit, die nach anderen Seiten hin vergebens bei ihnen zu suchen ist. Nach ihrem Ermessen käme es einer Gotteslästerung gleich, auch nur ganz schwach und schüchtern dem Gedanken Raum zu geben, daß das Herab-
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steigen des Heilandes zur Erde und das damit aufgenommene Leiden und Sterben noch nicht genügen könnte, die Sünden aller derer Menschen abzuwischen, die an seinem damaligen Erdendasein nicht mehr zweifeln.
„Werfet auf ihn alle Schuld . . .“ denken sie mit inbrünstiger Andacht, und wissen nicht, was sie eigentlich tun. Sie schlafen, aber ihr Erwachen wird einst furchtbar sein! Ihr anscheinender demütiger Glaube ist nichts als Selbstgefälligkeit und grenzenlose Hoffart, wenn sie sich einbilden, daß ein Gottessohn herabkommt, um dienend für sie den Weg zu bereiten, auf dem sie dann stumpfsinnig direkt in das Himmelreich hineintrotten können. Eigentlich müßte jedermann sofort die Hohlheit ohne weiteres erkennen. Sie kann nur von unbeschreiblicher Bequemlichkeit und Leichtsinnigkeit geboren werden, wenn sie nicht Klugheit als Lockmittel zum Zwecke irdischer Vorteile schuf!
Die Menschheit hat sich in tausend Irrgängen verloren und betrügt sich in ihrem törichten Glauben selbst. Welche Herabwürdigung Gottes liegt darin. Was ist der Mensch, daß er sich erkühnt, zu erwarten, ein Gott sendet seinen eingeborenen Sohn, also ein Stück seiner eigenen, wesenlosen Lebendigkeit, damit die Menschen ihre Sündenlast auf ihn zu werfen vermögen, nur damit sie sich nicht selbst zu bemühen brauchen, ihre schmutzige Wäsche zu waschen und die sich aufgebürdete dunkle Last abzufragen. Wehe denen, die solche Gedanken einst zu verantworten haben! Es ist die frechste Beschmutzung der erhabenen Gottheit! Christi Sendung war nicht solch niedriger Art, sondern sie war hoheitsvoll, fordernd nach dem Vater weisend.
Schon einmal wies ich auf das große Erlöserwerk des Gottes Sohnes hin.*) Sein großes Liebeswerk ist aufgegangen im Diesseits und im Jenseits, und hat Früchte aller Art gebracht. Inzwischen aber suchten nur von Menschen Berufene sich vielfach zu von Gott Berufenen zu machen, griffen mit unheiligen Händen nach den reinen Lehren und zogen sie verdunkelnd
•) Vortrag: „Der Erlöser“.
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tief zu sich herab. Die Menschheit, die ihnen vertraute, ohne das Wort selbst ernsthaft zu prüfen, das sie lehrten, stürzte mit. Göttlicher Wahrheit hehrer Kern wurde mit irdischen Beschränktheiten umzogen, so daß die Form wohl blieb, doch jedes Leuchten in der Sucht nach Erdenmacht und Erdenvorteil unterging. Nur fahle Dämmerung herrscht dort, wo hellster Glanz geistigen Lebens sein könnte. Bittender Menschheit wurde das Kleinod geraubt, das Christus Jesus allen brachte, die darnach verlangen. Entstellt durch die Verhüllung egoistischen Verlangens wird den Suchenden ein falscher Weg gezeigt, der sie nicht nur kostbare Zeit versäumen läßt, sondern sogar sehr oft dem Dunkel in die Arme treibt.
Schnell wuchsen Irrlehren empor. Sie überwucherten die Einfachheit, die Wahrheit, und verdeckten sie mit einem schillernden Gewande, aus dessen Farbenpracht jedoch wie bei den Giftpflanzen Gefahren strömen, die alles Nahende betäuben, wodurch die Wachsamkeit der Gläubigen über sich selbst erlahmt, zuletzt erlischt. Damit erstirbt auch jede Möglichkeit des Aufstieges zum wahren Licht! Noch einmal wird der große Ruf der Wahrheit schallen über alle Lande. Dann aber kommt die Abrechnung für jeden durch das Schicksal, das er sich selbst wob. Die Menschen werden endlich das erhalten, was sie bisher mit Beharrlichkeit vertraten. Sie werden alle Irrtümer durchleben müssen, die sie in ihren Wünschen oder vermessenen Gedanken aufzustellen oder denen sie nachzugehen suchten. Bei vielen wird ein wildes Aufheulen die Folge sein, und Zähneklappern einsetzen aus Angst, aus Wut und aus Verzweiflung.
Die also von dem Übel arg Befallenen und beim Gericht Verworfenen werden es aber dann plötzlich als Ungerechtigkeit empfinden und als Härte, sobald sie in die Wirklichkeit hineingestoßen sind, die sie in ihrem Erdenleben bisher als einzig wahr erkennen wollten, womit sie auch beständig ihre Mitmenschen bedachtem. Dann soll der Gott noch helfen, dem sie mit den zu ihm flehen, zu ihm rufen, werden auch erwarten, daß solcher grenzenloser Überhebung gegenüberstanden! Sie wer-
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er in seiner Göttlichkeit dem „unwissenden“ Menschlein auch das Ärgste leicht verzeiht. Er wird nach ihrem Dünken plötzlich viel zu „groß“ sein, als so etwas nachtragen zu können. Er, den sie bisher so herabgewürdigt haben!
Doch er wird sie nicht erhören, wird ihnen nicht mehr helfen, weil sie vorher auf sein Wort nicht hören wollten, das er ihnen sandte! Und darin liegt Gerechtigkeit, die sich von seiner großen Liebe niemals trennen läßt.
Es war die Pflicht der Menschen, das Wort selbst zu prüfen, das er ihnen gab. Auch wenn sie seine Boten nicht als solche anerkennen wollten. Donnernd wird ihnen deshalb entgegenschallen: „Ihr habt nicht gewollt! Deshalb seid nun vertilgt und ausgelöscht im Buche, des Lebens!“
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Das Verbrechen der Hypnose

Sonderbar! Noch vor zwanzig Jahren wütete man gegen die Behauptung, daß Hypnose wirklich besteht, allen voran gingen darin viele Mediziner. Sie schreckten nicht davor zurück, Hypnose als Humbug und Schwindel zu bezeichnen, wie sie es kurz vorher auch mit dem Heilmagnetismus getan hatten, der heute für so viele ein großer Segen geworden ist. Ausübende wurden in schärfster Weise angegriffen, Gaukler und Betrüger genannt.
Heute nun sind es gerade wiederum die Mediziner, die sich zum größten Teile die Hypnose zu eigen gemacht haben. Was noch vor zwanzig Jahren in den schärfsten Ausdrücken abgeleugnet wurde, dafür treten sie heute ein.
Dies läßt sich nach zwei Seiten hin beurteilen. Wer den damaligen erbitterten Kampf ganz objektiv betrachtete, kann sich heute natürlich eines Lächelns nicht erwehren, wenn er wiederum beobachten muß, wie damalige feindselige Eiferer jetzt die von ihnen so verschmähte Hypnose mit noch größerem Eifer anzuwenden versuchen. Nach der anderen Seite hin muß wiederum anerkannt werden, daß einer solchen nahezu grotesken Wendung immerhin auch Achtung gebührt. Gehört doch ein gewisser Mut dazu, sich der Gefahr der Lächerlichkeit auszusetzen, die gerade in diesem Falle sehr nahe liegt. Man muß darin den Ernst erkennen, der wirklich der Menschheit nützen möchte und aus diesem Grunde nicht zurückschreckt, selbst solche Gefahr mit in Kauf zu nehmen.
Bedauerlich ist nur, daß man daraus nicht auch Lehren für die Zukunft gezogen hat und vorsichtiger mit Beurteilungen und — sagen wir es ruhig — Anfeindungen wird, wenn es sich um Dinge handelt, die in das gleiche Gebiet gehören, in dem die Hypnose steht. Leider macht man es mit vielen anderen Fächern des gleichen Gebietes trotz aller Erfahrungen heute wieder genau so, fast noch schlimmer. Trotzdem wird am Ende
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sich zuletzt dasselbe Schauspiel wiederholen müssen, (laß ohne Übergang mit Eifer plötzlich für etwas eingetreten wird, das man bisher so hartnäckig zu leugnen suchte. Noch mehr, daß man so vieles mit allen Mitteln rücksichtslos nur in die eigenen Hände zur Ausübung zu bekommen versucht, dessen Suchen und Finden man vorsichtig und unter dauerndem Befehden erst anderen überließ, meistens sogenannten „Laien“. Ob das dann immer noch wieder als ein Verdienst und ein mutvoller Akt bezeichnet werden kann, mag dahingestellt bleiben. Es liegt im Gegenteil viel näher, daß diese ewigen Wiederholungen auch die schon als Verdienste erwähnten Handlungen in ein anderes Licht stellen können. So weit das Ergebnis oberflächlicher Beurteilung.
Viel bedenklicher aber wird es, wenn man die Wirkungen der Anwendungen der Hypnose richtig kennt. Daß das Bestehen der Hypnose endlich Anerkennung und Bestätigung fand und somit die wortreichen, aber nach jetziger Erfahrung nur Unwissenheit verratenden Angriffe der Wissenschaft aufhören, ist gut. Aber daß damit unter dem Protektorat der plötzlich wissend gewordenen bisherigen Gegenstreiter auch die Anwendung damit eine so weite Verbreitung fand, zeugt davon, daß diese Wissenden viel weiter von dem eigentlichen Erkennen entfernt sind, als die anfangs suchenden und viel geschmähten Laien.
Es ist erschütternd, zu wissen, welches Unheil dadurch entsteht, daß sich heute Tausende vertrauensvoll in sogenannte berufene Hände begeben, um sich einer Hypnose freiwillig zu unterziehen, dazu überredet werden, oder, was am verwerflichsten ist, ohne ihr Wissen dazu vergewaltigt werden. Auch wenn es alles mit der besten Absicht geschieht, Gutes damit stiften zu wollen, so ändert dies nichts an dem unermeßlichen Schaden, den diese Ausübung in jedem Falle anrichtet! Berufene Hände sind es nicht, die Hypnose anwenden. Berufen kann nur jemand sein, der auf dem Gebiete vollkommen bewandert ist, in das alles das gehört, was er anwendet. Das wäre bei Hypnose das feinstoffliche Gebiet! Und wer dieses wirklich kennt, ohne es sich in Vermessenheit nur einzubilden, wird nie-
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mals Hypnose anwenden, solange er das Beste seines Nebenmenschen will. Es sei denn, er beabsichtigt, ihm mit vollem Wissen schwer zu schaden. Auf allen Seiten wird deshalb gesündigt, wo immer Hypnose zur Anwendung kommt, gleichviel, ob es Laien sind oder nicht! Es gibt darin keine einzige Ausnahme!
Schon wenn man in aller Einfachheit nur logisch zu denken sucht, so muß man zu dem Schlusse kommen, daß es in Wirklichkeit doch grenzenloser Leichtsinn ist, mit etwas zu wirken, dessen Tragweite man nur in den allerengsten Stufen zu überschauen vermag, und dessen letzte Endwirkung noch nicht bekannt ist. Wenn solche Leichtfertigkeit in Angelegenheiten des Wohles und Wehes der Nebenmenschen nicht nur für die betroffene Versuchsperson Schaden nach sich zieht, sondern die Verantwortung doppelt schwer auch auf den Ausübenden fällt, so gibt das keine Beruhigung. Die Menschen sollten lieber nicht so vertrauensselig auf etwas eingehen, was sie nicht auch selbst gründlich kennen. Geschieht es ohne ihr Wissen und Willen, so ist ein derartiges Vorgehen sowieso ein regelrechtes Verbrechen, auch wenn es von sogenannten berufenen Händen ausgeführt wird.
Da nun nicht anzunehmen ist, daß die mit Hypnose Arbeitenden alle die Absicht haben, ihren Nebenmenschen zu schaden, so bleibt nur die Tatsache festzustellen übrig, daß sie über das Wesen der Hypnose vollkommen unwissend sind und den Folgen ihrer eigenen Tätigkeit gänzlich verständnislos gegenüberstehen. Darüber gibt es auch nicht den geringsten Zweifel; denn entweder das eine oder das andere kann nur in Betracht kommen. Also bleibt die Verständnislosigkeit als allein bestehend übrig.
Wenn ein Mensch seinem Nebenmenschen gegenüber Hypnose anwendet, so bindet er damit dessen Geist! Diese Bindung an sich ist geistiges Vergehen oder Verbrechen. Es entschuldigt nicht, wenn Hypnose zum Zwecke der Heilung einer körperlichen Krankheit angewendet wird, oder als Mittel zu einer psychischen Verbesserung. Ebensowenig kann als Verteidigung
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vorgebracht werden, daß bei dadurch bewirkten psychischen Veränderungen zum Guten auch das Wollen des Betreffenden besser geworden ist, so daß der mit Hypnose Behandelte einen Gewinn davon getragen hat. In solchem Glauben zu leben und zu handeln, ist Selbstbetrug; denn nur was ein Geist aus vollkommen freiem und unbeeinflußtem Wollen heraus vornimmt, kann ihm den Gewinn bringen, den er zu einem wirklichen Aufstiege braucht. Alles andere sind Äußerlichkeiten, die ihm nur vorübergehend einen scheinbaren Nutzen oder Schaden zu bringen vermögen. Jede Bindung des Geistes, gleichviel zu welchem Zwecke sie geschehen ist, bleibt ein unbedingtes Aufhalten in der Möglichkeit des notwendigen Fortschrittes. Ganz abgesehen davon, daß eine derartige Bindung weit mehr Gefahren mit sich bringt als Vorteil. Ein so gebundener Geist ist nicht nur dem Einflusse des Hypnotiseurs zugänglich, sondern bleibt in gewissem Grade, trotz eines eventuellen Verbotes des Hypnotiseurs, auch anderen feinstofflichen Einflüssen wehrlos ausgesetzt, weil ihm in der Gebundenheit der dringend notwendige Schutz dagegen fehlt, der ihm nur die völlige Bewegungsfreiheit bieten kann. Daß die Menschen von diesen dauernden Kämpfen, den Angriffen und der eigenen erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Abwehr nichts bemerken, schließt die Lebendigkeit in der feinstofflichen Welt und ihre eigene Mitwirkung dabei nicht aus.
Ein jeder, der einer wirksamen Hypnose unterworfen wird, ist also mehr oder weniger nachhaltig an dem wirklichen Fortschritt seines tiefsten Kernes gehemmt worden. Die äußeren Umstände, seien sie dadurch nur noch ungünstiger geworden, oder anscheinend vorübergehend fördernd, spielen erst in zweiter Linie eine Rolle, dürfen also auch für eine Beurteilung nicht maßgebend sein. Der Geist muß freibleiben auf jeden Fall, weil es sich letzten Endes nur allein um ihn handelt!
Angenommen, es tritt eine äußerlich erkennbare Verbesserung ein, worauf die sich mit Hypnose Arbeitenden so gern stützen, so hat der betreffende Mensch in Wirklichkeit doch keinen Nutzen davon. Sein gebundener Geist vermag nicht
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gleich feinstofflich schöpferisch zu wirken als ein vollkommen freier Geist. Die feinstofflichen Schöpfungen, die sein gebundenes oder erzwungenes Wollen erzeugt, sind kraftlos, weil erst aus zweiter Hand geformt, und welken in der feinstofflichen Welt sehr bald dahin. Es kann ihm also deshalb auch sein besser gewordenes Wollen in der Wechselwirkung nicht den Nutzen bringen, der bei den Schöpfungen des freien Geistes unbedingt zu erwarten ist. Ebenso ist es natürlich auch, wenn ein gebundener Geist im Auftrage seines Hypnotiseurs Übles will und ausführt. Durch die Kraftlosigkeit der feinstofflichen Schöpfungen werden diese trotz böser grobstofflicher Handlungen bald vergehen oder von anderen Gleicharten aufgesaugt werden, so daß eine feinstoffliche Wechselwirkung gar nicht eintreten kann, wodurch den also Gezwungenen wohl eine irdische Verantwortung, aber keine geistige Verantwortung treffen kann. Genau so ist der Vorgang bei Irrsinnigen. Darin sieht man wiederum die lückenlose Gerechtigkeit des Schöpfers, die sich durch die in ihrer Vollkommenheit unerreichbaren lebendigen Gesetze in der feinstofflichen Welt auswirkt. Einen also Gezwungenen kann trotz übler Handlungen durch fremden Willen keine Schuld treffen, ebenso aber auch kein Segen, weil dessen bessere Handlungen unter fremdem Willen ausgeführt werden, woran er als selbständiges „Ich“ keinen Teil hat.
Dafür aber geschieht etwas anderes: Die gewaltsame Bindung des Geistes durch Hypnose bindet gleichzeitig den die Hypnose ausübenden Menschen an sein Opfer, wie mit stärksten Ketten. Es läßt ihn nicht eher wieder los, als bis er demgewaltsam in seiner eigenen freien Entwicklung Zurückgehaltenen soweit vorwärts geholfen hat, wie dieser hätte kommen müssen, wenn er die Bindung nicht ausgeführt hätte. Er muß nach seinem irdischen Abscheiden dorthin, wohin der von ihm gebundene Geist geht, und sei es bis zu den tiefsten Tiefen. Was also demnach solchen Menschen blüht, die sich viel mit der Anwendung von Hypnose befassen, ist leicht zu denken. Wenn sie nach dem irdischen Abschneiden erwachend wieder zu sich kommen, so werden sie mit Entsetzen bemerken, wie viele Bin-
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dungen an ihnen zerren, von schon Vorausgegangenen, wie auch von solchen, die noch auf der Erde wandeln. Nicht eine davon kann ihnen dann erlassen werden. Glied für Glied muß er sie lösen, und wenn er auch Jahrtausende damit verliert. Wahrscheinlich ist es aber, daß er damit nicht mehr ganz zu Ende kommen kann, sondern mit hineingerissen wird in die Zersetzung, die seine Persönlichkeit des eigenen „Ichs“ vernichtet;
denn er hat schwer gesündigt wider den Geist!
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Astrologie

Die königliche Kunst wird sie genannt, und nicht mit Unrecht. Doch nicht, daß sie unter allen Künsten die Königin ist, ebensowenig nur für irdische Könige vorbehalten, sondern wer sie wirklich auszuüben vermöchte, könnte ins Geistigen einen königlichen Rang einnehmen, da er dadurch Lenker vieles Geschehens und Nichtgeschehens sein würde.
Aber es gibt nicht einen einzigen Erdenmenschen, dem diese Fähigkeiten anvertraut sind. Somit müssen alle Arbeiten darin nur klägliche Versuche bleiben, unzuverlässig, wenn von dein Ausübenden ernstgemeint, frevelhaft, wenn statt des tiefen Ernstes Selbstüberhebung und krankhafte Phantasie dabei mitwirken.
Sternenberechnung allein kann überhaupt nur wenig nützen; denn zu den Strahlungen der Sterne gehört als eigentliche Kraft der Auswirkung auch unbedingt die lebende Feinstofflichkeit in ihrer ganzen Tätigkeit, wie zum Beispiel die Welt der Gedankenformen, des Karmas, Strömungen des Dunkels und des Lichtes in der Stofflichkeit, sowie noch vieles mehr. Welcher Mensch darf sich nun rühmen, alles das bis zu den tiefsten Tiefen und den höchsten Höhen der Stofflichkeit scharf und klar zu überschauen!
Die Strahlungen der Sterne bilden nur die Wege und Kanäle, durch welche alles feinstoffliche Lebendige geschlossener zu einer Menschenseele dringen kann, um sich dort auszuwirken. Bildlich ausgedrückt kann man sagen: Die Sterne geben das Signal für die Zeiten, in denen die rückläufigen Wechselwirkungen durch ihre Strahlenführung konzentrierter, geschlossener auf den Menschen strömen können. Ungünstigen oder feindlichen Sternenstrahlungen schließen sich üble in dem Feinstofflichen für den betreffenden Menschen schwebende Rückwirkungen an, günstigen Strahlungen dagegen der Gleichart entsprechend nur gute. Daher kommt es, daß die Berech-
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nungen an sich nicht ganz wertlos sind. Doch es ist dabei unbedingte Voraussetzung, daß bei ungünstig Bestrahlung eines Menschen für diesen auch ungünstige Wechselwirkungen rückläufig sind, oder bei günstiger Bestrahlung günstige. Sonst kann irgend eine Auswirkung nicht erfolgen. Wiederum aber sind auch die Sternenstrahlungen nicht etwa schemenhaft, für sich allein ohne Verbindung mit den anderen Kräften unwirksam, sondern sie besitzen auch selbsttätige Auswirkungen in einer gewissen Absperrung. Sind für einen Menschen in der feinstofflichen Welt nur schlechte Rückwirkungen fällig und am Werke, so wird deren Tätigkeit in den Tagen oder Stunden günstiger Sternenbestrahlung je nach der Bestrahlungsart abgesperrt, zurückgedrängt, oder doch wenigstens stark eingedämmt. Ebenso natürlich auch umgekehrt, so daß bei arbeitenden guten Rückwirkungen durch ungünstige Bestrahlung das Günstige die den Strahlungen entsprechende Zeit abgestellt wird.
Wenn also auch die Kanäle der Sternenstrahlungen durch Mangel an gleichartigen Wirkungen leer laufen, so dienen sie doch immerhin noch zur zeitweisen Absperrung eventuell arbeitender andersartiger Wechselwirkungen, so daß sie also nie ganz ohne Einfluß bleiben. Es können nur nicht gerade gute Strahlen immer Gutes oder üble Strahlen immer Übles bringen, so derartiges für den Betreffenden in den Rückwirkungen nicht bereit liegt.
Die Astrologen können darauf nicht sagen: „Nun also, da haben wir doch recht.“ Denn dieses Rechthaben ist nur bedingungsweise und sehr eingeschränkt. Es berechtigt nicht zu den oft anmaßenden Behauptungen und geschäftlichen Anpreisungen. Leerlaufende Sternenstrahlungs – Kanäle können wohl Unterbrechungen bringen, aber nichts anderes, weder Gutes noch Übles. Zugegeben muß wiederum werden, daß in gewissem Sinne die zeitweise Unterbrechung übler Rückwirkungen an sich auch schon etwas Gutes ist. Schafft es doch dem vom Übel arg Bedrängten Zeit zum Aufatmen und damit Kraft zu weiterem Ertragen.
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Die Berechnungen der Astrologen könnten trotz allem begrüßt werden, wenn die vielfache Großsprecherei und Reklame so mancher nicht beachtet wird. Doch es sprechen außerdem noch andere wichtige Faktoren mit,die Berechnungen sehr unzuverlässig werden lassen, so daß Wirklichkeit in der Allgemeinheit mehr Schaden en wie Nutzen anrichten.
Es kommen nämlich nicht nur die wenige Sterne in Betracht, die den Astrologen zur Berechnung heute zur Verfügung stehen. Zahllose andere, von Astrologen nicht einmal gekannte Sterne spielen, die Wirkungen vermindernd, stärkend, kreuzend und verschiebend, eine so große Rolle, daß das Schlußbild der Berechnung oft ganz entgegenstehend sein kann dem, was dem besten Astrologen heute zu sagen möglich ist.
Zuletzt ist noch ein weiterer Punkt ausschlaggebend, der größte und der schwierigste: das ist die Seele eines jeden Menschen! Nur wer außer allen anderen Erfordernissen jede einzelne dieser Seelen mit all ihren Fähigkeiten, Eigenschaften, Karma-Verwicklungen, sowie in ihrem ganzen Streben, kurz, in ihrer wirklich jenseitigen Reife oder Unreife bis auf den letzten Grad genau abwägen kann, der könnte allenfalls Berechnungen wagen! Sternenstrahlungen können für einen Menschen noch so günstig sein, es wird ihn nichts Lichtes, also Gutes treffen können, wenn er viel Dunkles durch den Zustand seiner Seele um sich hat. Im umgekehrten Falle aber wird den Menschen, dessen Seelenzustand nur die Reinheit und das Lichte um sich duldet, die ungünstigste aller Sternenströmungen nicht so viel drücken können, daß er ernstlich Schaden davon trägt, es wird sich zuletzt immer nach dem Guten wenden müssen. So einseitig, wie es die Jünger der Astrologie sich bei ihrer Berechnung vorstellen, ist die Allmacht und die Weisheit Gottes nicht. Dieser stellt das Schicksal seiner Menschen, also deren Wohl und Wehe, nicht nur auf die Strahlungen der Sterne ein. Wohl wirken diese kraftvoll mit, nicht nur bei jedem Einzelmenschen, sondern in dem ganzen Weltgeschehen. Doch sie sind auch nur Werkzeuge darin, deren Betätigung mit vielen anderen nicht nur zusammenhängt, sondern
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damit auch abhängig in seinen Möglichkeiten aller Auswirkungen bleibt. Auch wenn so manche Astrologen wähnen, intuitiv zu arbeiten, unter Eingebung, Inspiration, so kann das nicht so viel zur Vertiefung beitragen, daß man viel größeres Vertrauen auf das Nahekommen einer Wirklichkeit der Berechnungen verwenden
Deren Eingebungen können nicht von hoher Warte kommen, es bleibt von dort ein Schleier vorgezogen, durch die unermeßliche Kluft, die zwischen dem alles überschauenden Geiste und der Menschheit ist. Die Berechnungen bleiben einseitiges Stückwerk und unzulänglich, lückenhaft. Kurz: unvollkommen, also falsch. Sie bringen Unruhe unter die Menschen. Unruhe aber ist der Seele gefährlichster Feind; denn sie erschüttert die Mauer des natürlichen Schutzes und läßt gerade dadurch oft Übles herein, das sonst keinen Eingang gefunden haben würde. Und unruhig werden viele Menschen, die sich sagen, daß sie zur Zeit üble Strahlungen haben. Zu vertrauensselig und damit unklug aber oft, wenn sie überzeugt sind, gerade guten Strahlungen unterworfen zu sein. Bei der Mangelhaftigkeit aller Berechnungen bürden sie sich damit nur unnötige Sorgen auf, anstatt immer einen freien, frohen Geist zu haben, der zur Abwehr mehr Kraft aufbringt, als die stärksten üblen Strömungen zu drücken vermögen. Die Astrologen sollten, wenn sie nicht anders können, ihre Arbeiten ruhig fortsetzen und sich darin zu vervollkommnen suchen, aber nur im Stillen und für sich selbst, wie es wirklich Ernstzunehmende unter ihnen auch tun! Andere Menschen müßten sie mit solchen Unvollkommenheiten noch verschonen, da diese nur verderbenbringend wirken und als Frucht Erschütterung des Selbstvertrauens bringen, schädigende Bindung freier Geister, die unbedingt vermieden werden muß.
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Symbolik im Menschenschicksal

Wenn die Menschen nicht in den Notwendigkeiten und den vielen Nichtigkeiten des Alltags vollständig aufgehen würden, sondern auch noch einige Aufmerksamkeit dazu verwenden wollten, die großen und die kleinen Geschehnisse in ihrer Umgebung etwas aufmerksamer zu beobachten, so müßte ihnen bald eine neue Erkenntnis kommen. Sie würden über sich selbst erstaunt sein und es kaum glaublich finden, daß sie bis dahin über so Auffallendes gedankenlos hinwegsehen konnten. Und es liegt auch aller Grund vor, mitleidsvoll über sich selbst die Köpfe zu schütteln. Bei nur einiger Beobachtung wird ihnen plötzlich eine ganze Welt streng geordneten, lebendigen Geschehens eröffnet, die eine straffe Führung von höherer Hand deutlich erkennen lassen: Die Welt der Symbolik!
Diese wurzelt tief in dem feinstofflichen Teile der Schöpfung, nur die äußersten Enden treten als Ausläufer in das irdisch Sichtbare hinein. Es ist wie bei einem anscheinend ganz in Ruhe befindlichen Meere, dessen dauernde Bewegungen nicht sichtbar sind, sondern nur in ihren letzten Ausläufern am Strande beobachtet werden können. Der Mensch ahnt nicht, daß er bei ganz geringer Mühe durch etwas Aufmerksamkeit die für ihn so einschneidende und von ihm gefürchtete Tätigkeit des Karmas klar beobachten kann. Es ist ihm möglich, vertrauter damit zu werden, wodurch, nach und nach die bei denkenden Menschen oft erwachende Furcht mit der Zeit abfällt und das Karma seine Schrecken verliert. Für viele kann es ein Weg zum Aufstiege werden, wenn sie durch irdisch sichtbare Geschehnisse die tieferen Wellen des feinstofflichen Lebens fühlen lernen und ihm nachgehen können, wodurch mit der Zeit die Überzeugung von dem Vorhandensein unbedingt folgerichtiger Wechselwirkungen ersteht. Ist ein Mensch aber
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erst einmal dazu gekommen, so fügt er sich langsam Schritt für Schritt, bis er zuletzt die streng logisch und lückenlos treibende Kraft des bewußten göttlichen Willens in der ganzen Schöpfung erkennt, also in der grobstofflichen und feinstofflichen Welt. Von dem Augenblicke an wird er mit ihr rechnen, sich ihr freiwillig beugen. Das bedeutet aber für ihn ein Schwimmen in der Kraft, deren Auswirkungen damit nur noch nutzbringend für ihn sein können. Sie dient ihm, weil er sie zu verwenden weiß, indem er sich selbst richtig einfügt, einstellt. So kann sich dann die Wechselwirkung nur als Glücksbringer für ihn auslösen. Lächelnd sieht er dann jedes biblische Wort buchstäblich erfüllt, das ob seiner kindlichen Einfachheit ihm manchmal ein Stein des Anstoßes werden wollte, das zu erfüllen ihm oft deshalb schwer zu werden drohte, weil es nach seiner bisherigen Meinung einen Sklavensinn erforderte. Das von ihm unangenehm empfundene despotische Gehorsamverlangen wird vor seinen sehend gewordenen Augen nach und nach zu der höchsten Auszeichnung, die einem Geschöpf widerfahren kann. Zu einem wahrhaft göttlichen Geschenk, das die Möglichkeit zu einer ungeheueren geistigen Kraftentfaltung in sich trägt, die ein persönlich bewußtes Mitwirken in der herrlichen Schöpfung zuläßt. Die Ausdrücke: „Nur wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“, der Mensch muß sich „demütig vor seinem Gott beugen“, um in dessen Reich eingehen zu können, er soll „gehorchen“, „dienen“, und was der biblischen Ratschläge noch mehr sind, sie stoßen den modernen Menschen in dieser einfachen, kindlichen und doch so treffenden Ausdrucksart von vornherein etwas ab, weil sie seinen Stolz verletzen, der in dem Bewußtsein des Verstandeswissens liegt. Er will nicht mehr so blind geführt sein, sondern selbst erkennend bewußt in allem mitwirken sind den zu allem Großen notwendigen inneren Aufschwung aus Überzeugung zu erhalten. Und das ist kein Unrecht!
Der Mensch soll mit seiner Fortentwicklung in der Schöpfung bewußter dastehen, als es früher war. Und wenn er mit Freude erkannt haben wird, daß die einfachen biblischen Aus-
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drücke in ihrer der heutigen Zeit so fremden Art genau alles das anraten, wozu er sich bei Kenntnis der gewaltigen Naturgesetze freiwillig und mit voller Überzeugung auch entschließt, so fällt es wie eine Binde von seinen Augen. Er steht erschüttert vor der Tatsache, daß er die alten Lehren bisher nur verwarf, weil er sie falsch gedeutet hatte, und nie ernsthaft versuchte, richtig in sie einzudringen, sie mit dem heutigen Auffassungsvermögen in Einklang zu bringen.
Ob nun gesagt wird: „In Demut sich dem Willen Gottes beugen“, oder „nach richtigem Erkennen der gewaltigen Naturgesetze sich deren Art und Wirken nutzbar machen“, ist ein und dasselbe.
Nutzbar machen kann sich der Mensch die Kräfte, die den Willen Gottes tragen, nur dann, wenn er sie genau studiert, also erkennt, und sich dann darnach richtet. Das Mit-ihnen-rechnen oder Sich-darnach-richten ist in Wirklichkeit aber weiter nichts als ein Sich-einfügen, also ein Sich-beugen! Sich nicht gegen diese Kräfte stellen, sondern mit ihnen gehen. Nur indem der Mensch seinen Willen der Eigenart der Kräfte anpaßt, also die gleiche Richtung geht, vermag er die Gewalt der Kräfte auszunützen. Das ist kein Bezwingen der Kräfte, sondern ein Sich-demutsvoll-beugen vor dem göttlichen Willen! Wenn der Mensch so manches auch eigene Klugheit nennt oder eine Errungenschaft des Wissens, so ändert dies nichts an der Tatsache, daß alles nur ein sogenanntes „Finden“ von Auswirkungen bestehender Naturgesetze bedeutet, also des göttlichen Willens, den man damit „erkannt“ hat und mit der Auswertung oder Verwendung sich diesem Willen „fügt“. Es ist dies unbedingt ein demutsvolles Beugen vor dem Willen Gottes, ein „Gehorchen“!
Doch nun zu der Symbolik! Alles Geschehen in der Schöpfung, also in der Stofflichkeit, muß in seinem Kreislauf einen richtigen Abschluß erhalten, oder, wie man auch sagen kann: es muß sich als Ring schließen. Deshalb kehrt nach den Schöpfungsgesetzen auch alles unbedingt auf seinen Ausgangspunkt zurück, wo allein es sein Ende finden kann, also gelöst, aufge-
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löst, oder als Wirkendes ausgelöscht wird. So ist es mit der ganzen Schöpfung selbst, wie auch mit jedem einzelnen Geschehen. Daraus entsteht die unbedingte Wechselwirkung, die wiederum die Symbolik nach sich zieht.
Da alle Handlungen dort enden müssen, wo sie entstanden sind, so ergibt sich daraus, daß jede Handlung auch in gleicher Stoffart enden muß, in der sie entstand. Also feinstofflicher Anfang muß feinstoffliches Ende haben, grobstofflicher Anfang aber grobstoffliches Ende. Das Feinstoffliche vermögen die Menschen nicht zu sehen, das grobstoffliche Ende eines jeden Geschehens aber nennen sie Symbolik. Es ist ihnen wohl sichtbar, aber es fehlt vielen der eigentliche Schlüssel dazu, der Anfang, der in den meisten Fällen in einem vorhergegangenen grobstofflichen Sein liegt.
Wenn auch hierbei der größte Teil alles Geschehens der Wechselwirkung nur in der feinstofflichen Welt erfolgt, so könnte doch das also arbeitende Karma niemals eine volle Ablösung finden, wenn das Ende nicht in irgend einer Art in die grobstoffliche Welt hineinspielt und dort sichtbar wird. Erst mit einem dem Sinne der Wechselwirkung entsprechenden sichtbaren Vorgang kann ein laufender Ring geschlossen werden, wodurch die vollkommene Ablösung erfolgt, gleichviel, ob dies je nach Art des einstmaligen Anfanges gut oder böse ist, Glück oder Unglück bringt, Segen oder durch die Auslösung Vergebung. Diese letzte sichtbare Auswirkung muß kommen, an gleicher Stelle, wo der Ursprung liegt, also bei dem Menschen, der durch irgendeine Handlung einst den Anfang dazu gab. In keinem einzigen Fall ist sie zu vermeiden.
Wenn nun der betreffende Mensch sich unterdessen innerlich verändert hat, derart, daß Besseres in ihm lebendig wurde, als die einstmalige Handlung war, so kann die Rückwirkung in ihrer Art nicht festen Fuß fassen. Sie findet keinen gleichartigen Boden mehr in der aufwärtsstrebenden Seele, die lichter und damit leichter geworden ist nach dem Gesetz der geistigen Schwere.*) Die natürliche Folge ist, daß eine trübere
*) Vortrag : Schicksal.
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Auswirkung bei dem Herannahen von der lichteren Umgebung des betreffenden Menschen durchsetzt und somit bedeutend abgeschwächt wird. Aber trotzdem muß das Gesetz des Kreislaufes und der Wechselwirkung voll erfüllt werden in seiner selbsttätig wirkenden Kraft. Ein Aufheben irgend eines Naturgesetzes ist unmöglich.
Deshalb wird sich eine so abgeschwächte rücklaufende Wechselwirkung den unverrückbaren Gesetzen entsprechend auch sichtbar grobstofflich auswirken müssen, um wirklich abgelöst, also ausgelöscht zu sein. Das Ende muß in den Anfang zurückfließen. Wegen der lichtgewordenen Umgebung vermag aber dunkles Karma dem betreffenden Menschen nicht Schaden zu bringen, und so geschieht es, daß diese abgeschwächte Wechselwirkung nur derart auf die nähere Umgebung wirkt, daß der Betroffene in die Lage kommt, irgend etwas Freiwilliliges zu tun, dessen Art nur noch dem Sinne der rückströmenden Wechselwirkung entspricht. Der Unterschied von der eigentlichen ungebrochenen Stärke der für ihn bestimmt gewesenen Auswirkung des rücklaufenden dunklen Stromes ist der, daß es ihm keinerlei Schmerz bereitet oder Schaden bringt, sondern vielleicht sogar Freude macht.
Das ist dann eine rein symbolische Auslösung manchen schweren Karmas, aber den Gesetzen in der Schöpfung vollkommen entsprechend, durch die Veränderung des Seelenzustandes selbsttätig derart wirkend. Deshalb bleibt es den meisten Menschen auch oft ganz unbewußt. Das Karma ist damit gelöst, der unverrückbaren Gerechtigkeit bis in die zartesten Strömungen Genüge getan. In diesen nach den Schöpfungsgesetzen selbstverständlichen Vorgängen liegen so gewaltige Gnadenakte, wie sie nur die Allweisheit des Schöpfers in seinem vollkommenen Werke herbeiführen konnte.
Solcher rein symbolischen Auslösungen bei sonst schwer treffenden Wechselwirkungen gibt es viele!
Nehmen wir ein Beispiel: Ein einst harter, herrschsüchtiger Charakter hat in Ausübung dieser Eigenschaften durch Bedrückung seiner Mitmenschen schweres Karma auf sich ge-
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laden, das lebendig in seiner Eigenart den Kreislauf geht und dann in gleicher vielfach verstärkter Art auf ihn zurückfallen muß. Beim Herannahen wird diese durch das Gesetz der Anziehungskraft feinstofflicher Gleichart oft ungeheuer verstärkte Strömung der rücksichtslosen Herrschsucht die ganze feinstoffliche Umgebung des Betreffenden so durchsetzen, daß sie einschneidend auf die mit ihr eng zusammenhängende grobstoffliche Umgebung wirkt und damit Verhältnisse schafft, die den einstigen Urheber zwingen, in weit größerem Maße unter gleicher Herrschsucht zu leiden, als die von ihm früher gepeinigten Mitmenschen.
Ist so ein Mensch aber inzwischen bereits zu besserer Erkenntnis gekommen und hat durch ehrliches Bemühen zum Aufstiege eine lichte und leichtere Umgebung gewonnen, so verändert sich selbstverständlich damit auch die Art der letzten Auswirkung. Das zurückkommende dichtere Dunkel wird je nach der Lichtstärke der neuen Umgebung des Betroffenen von diesem Lichte mehr oder weniger durchdrungen, demnach auch mehr oder weniger unschädlich gemacht. Bei großem Emporstiege des früher so Herrschsüchtigen, also bei einer außergewöhnlichen Besserung der Schuldigen, kann es nun geschehen, daß die eigentliche Auswirkung so gut wie aufgehoben ist und er nur vorübergehend etwas tut, das nach dem Äußeren einer Sühne ähnlich sieht. Nehmen wir an, es handelt sich um eine Frau. Da würde es genügen, daß sie einem Dienstmädchen einmal die Bürste aus der Hand nimmt, um ihr in aller Freundlichkeit zu zeigen, wie ein Fußboden gescheuert wird. Wenn es auch nur einige Bewegungen dieser Art sind, so ist doch der Symbolik des niedrigsten Dienens damit genügt. Diese kurze Handlung gibt eine Auslösung, die sichtbar geschehen mußte und die trotz der Leichtigkeit ein schweres Karma zu beenden fähig ist.
Ebenso kann das Umräumen eines einzigen Zimmers das Symbol werden zur Beendigung und Aufhebung einer Schuld, deren Sühne oder Rückwirkung eigentlich eine größere, schmerzhaft einschneidende Umwälzung erfordert hätte. Diese
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Dinge ergeben sich auf irgendeine Weise aus den geschwächten Einflüssen einer Rückwirkung, oder zufällige Handlungen werden auch manchmal von der geistigen Führung geschickt dazu benützt, eine Ablösung damit herbeizuführen.
Bei allem diesen ist natürlich Voraussetzung, daß ein ungewöhnlich großer Aufschwung und die damit verbundene Veränderung des Seelenzustandes schon eingetreten ist. Umstände, die ein Astrologe natürlich nicht in Betracht zu ziehen vermag und dadurch oft unnötige Sorgen durch seine Berechnungen hervorruft, manchesmal sogar derartige Angst, daß deren Stärke allein schon Unangenehmes herbeizuführen oder neu zu bilden vermag, wodurch sich dann, allerdings nur anscheinend, eine Berechnung erfüllt, die sonst ohne diese Angst sich als falsch erwiesen haben würde. In solchen Fällen aber hat der betreffende Mensch selbst eine Türe in dem ihn umgebenden Lichtkreis durch seine Angst geöffnet. Wo er freiwillig selbst die Hand hinausstreckt durch die schützende Hülle, kann ihm von keiner Seite geholfen werden. Sein eigener Wille bricht von innen heraus jeden Schutz, während von außen her ohne sein eigenes Wollen nichts durch das Licht an ihn heranzutreten vermag.
Somit kann sich nun die kleinste Gefälligkeit seinen Mitmenschen gegenüber, ein wirklich gefühltes Leid des Nächsten, ein einziges freundliches Wort, zur symbolischen Ablösung eines Karmas formen, sobald innerlich als Grund das ernste Wollen zu Gutem gelegt ist.
Dies muß natürlich vorausgehen; denn sonst kann von einer symbolischen Ablösung nicht die Rede sein, weil alles Rückströmende sich dann in jeder Beziehung voll auswirkt. Sobald aber das ernste Wollen zum Aufstiege in dem Menschen wirklich einsetzt, kann er sehr bald beobachten, wie nach und nach mehr und mehr Leben in seine Umgebung kommt, als ob ihm alle möglichen Dinge in den Weg gelegt würden, die aber immer gut ausgehen. Es fällt ihm direkt auf. Zuletzt aber kommt ebenso auffallend dann ein Abschnitt, bei dem mehr Ruhe einsetzt, oder alles Geschehen deutlich erkennbar auch zu irdi-
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schem Aufschwunge dient. Dann ist die Zeit der Ablösungen vorüber. Mit frohem Dank kann er sich dem Gedanken hingeben, daß viel Schuld von ihm abgefallen ist, die er sonst hätte schwer büßen müssen. Dann sei er auf der Wacht, daß alle Schicksalsfäden, die er durch sein Wollen und Wünschen neu anknüpft, nur gut sind, damit auch ihn nur Gutes wieder treffen kann!
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Glaube

Der Glaube ist nicht so, wie ihn die größte Zahl der sogenannten Gläubigen zeigt. Der eigentliche Glaube ersteht erst dann, wenn man sich den Inhalt der Gottesbotschaften vollkommen zu eigen und damit zur lebendigen, ungezwungenen Überzeugung gemacht hat.

Gottesbotschaften kommen durch sein Wort, sowie durch seine Schöpfung. Alles zeugt von ihm und seinem Willen. Sobald ein Mensch das ganze Werden und Sein bewußt erleben kann, wird sein Empfinden, Denken und Wirken eine einzige freudige Gottesbejahung sein. Dann aber wird er still, spricht nicht viel davon, ist aber eine Persönlichkeit geworden, die mit dieser stillen Gottesverehrung, die man auch Gottvertrauen nennen kann, fest und sicher in der ganzen Schöpfung steht. Er wird nicht in Phantastereien schweben, nicht in Verzückung geraten, ebensowenig auf Erden nur im Geistigen leben, sondern mit gesunden Sinnen und frischem Mute auch sein Erdenwerk vollbringen und dabei auch den kühlen Verstand bei notwendiger Gegenwehr im Angegriffensein geschickt als scharfe Waffe verwenden, natürlich ohne dabei ungerecht zu werden. Er soll durchaus nicht schweigsam dulden, wenn ihm Unrecht geschieht. Sonst würde er damit das Böse unterstützen und stärken.

Nun gibt es aber sehr viele Menschen, die sich nur gläubig dünken! Trotz allen inneren Zugebens des Vorhandenseins Gottes und seines Wirkens fürchten sie das Lächeln der Zweifler. Es ist ihnen peinlich, unbequem, sie gehen still mit diplomatischem Gesichtsausdrucke bei Unterhaltungen darüber hinweg, und machen aus Verlegenheit den Zweiflern durch ihr Verhalten dauernd Konzessionen. Das ist nicht Glaube; sondern nur ein inneres Zugeben! Sie verleugnen damit in Wirklichkeit
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ihren Gott, zu dem sie im Stillen beten und von ihm daraufhin alles Gute erwarten.

Die falsche Rücksichtnahme den Zweiflern gegenüber kann nicht damit entschuldigt werden, daß den „Gläubigen“ die Sache zu „heilig und zu ernst ist“, als daß sie sie eventueller Verspottung aussetzen möchten. Es ist auch keine Bescheidenheit mehr zu nennen, sondern lediglich niedere Feigheit! Heraus endlich mit der Sprache, wess‘ Geistes Kinder ihr seid! Furchtlos jedem Menschen gegenüber, mit dem Stolze, der der Gotteskindschaft gebührt! Nur dann werden auch die Zweifler ihren nur Unsicherheit verratenden Spott endlich zu zügeln gezwungen sein. Jetzt aber wird er durch das furchtsame Verhalten vieler „Gläubigen“ nur großgezogen und genährt.

Diese Menschen betrügen sich selbst, weil sie dem Wort „Glaube“ eine ganz andere Bedeutung beigelegt haben, als dieses Wort verlangt. Der Glaube muß lebendig sein, das heißt, er muß noch mehr als Überzeugung werden, zur Tat! Zur Tat ist er geworden, sobald er alles durchdrungen hat, das ganze Empfinden, Denken und Tun. Er muß von innen heraus in allem, was zu dem Menschen gehört, unaufdringlich fühlbar und sichtbar werden, also zur Selbstverständlichkeit. Man darf ihn weder als Attrappe noch als Schild nur vorhalten. Sondern alles äußerlich fühlbar Werdende muß lediglich das natürliche Ausstrahlen des inneren geistigen Kernes ergeben. Volkstümlich gesprochen muß also der rechte Glaube eine Kraft sein, die vom Geiste des Menschen ausstrahlend sein Fleisch und Blut durchdringt und so eine einzige natürliche Selbstverständlichkeit wird. Nichts Gekünsteltes, nichts Gezwungenes, nichts Erlerntes, sondern nur Leben!

Seht euch viele Gläubige an: Diese behaupten, an ein Fortleben nach dem Tode unbedingt zu glauben, richten auch anscheinend ihre Gedanken darauf ein. Wird ihnen aber irgendeinmal Gelegenheit, einen über die einfache alltägliche Beobachtung hinausgehenden Beweis dieses jenseitigen Lebens zu erhalten, so sind sie erschreckt oder tief erschüttert! Damit aber zeigen sie gerade, daß sie im Grunde doch nicht so über-
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zeugt von dem jenseitigen Leben waren; denn sonst müßte ihnen ein derartiger gelegentlicher Beweis nur ganz natürlich vorkommen. Sie dürften also weder erschrecken noch darüber besonders erschüttert sein. Neben diesem gibt es noch zahllose Vorgänge, die deutlich offenbaren, wie wenig gläubig doch die sogenannten Gläubigen sind. Der Glaube ist nicht lebendig in ihnen.
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Irdische Güter

Es taucht sehr oft die Frage auf, ob sich der Mensch von irdischen Gütern trennen oder diesen Nichtachtung entgegenbringen soll, wenn er nach geistigem Gewinne strebt. Töricht wäre es, einen derartigen Grundsatz aufzustellen! Wenn es heißt, daß der Mensch nicht an irdischen Gütern hängen darf, sobald er nach dem Himmelreiche strebt, so ist damit nicht gesagt, daß er irdische Güter verschenken oder wegwerfen soll, um in Armut zu leben. Der Mensch kann und soll froh genießen von dem, was ihm Gott durch seine Schöpfung zugänglich macht. An irdischen Gütern „nicht hängen dürfen“ bedeutet nur, daß sich ein Mensch nicht so weit hinreißen lassen soll, ein Zusammenraffen von irdischen Gütern als obersten Zweck seines Erdenlebens anzusehen, sich also dadurch vorwiegend an diesen einen Gedanken „zu hängen“. Eine derartige Einstellung müßte ihn ganz selbstverständlich von höheren Zielen ablenken. Er hätte dann dazu keine Zeit mehr und würde wirklich mit allen Fasern seines Seins nur noch an diesem einen Ziele des Erwerbes irdischen Besitzes hängen. Sei es nun um der Güter selbst willen, oder der Vergnügung halber, die der Besitz ermöglicht, oder auch wegen anderer Zwecke, gleichviel, es bliebe im Grunde immer dasselbe Ergebnis. Der Mensch hängt und bindet sich damit an das rein Irdische, wodurch er den Blick nach oben verliert und nicht aufwärts kommen kann.

Diese falsche Auffassung, daß irdische Güter nicht zu einem geistigen Höherstreben gehören, hat ja bei der Mehrheit der Menschen auch den unsinnigen Begriff nach sich gezogen, daß alle geistigen Bestrebungen nichts mit irdischen Gütern gemein haben dürfen, wenn sie für ernst genommen werden sollen. Welchen Schaden sich die Menschheit damit selbst zuzog, ist ihr sonderbarer Weise nie bewußt geworden.
Sie entwerten sich damit die geistigen, also höchsten Gaben, die ihnen zu teil werden können; denn weil durch diese sonderbare Einstellung alle geistigen Bestrebungen bisher auf Opfer
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und Schenkung angewiesen sein sollten, ähnlich wie die Bettler, so schlich sich damit auch unbemerkt die gleiche Einstellung, die den Bettlern gegenüber entsteht, auch de geistigen Diese konnten dadurch gegenüber ein. nie die Achtung erwerben, die ihnen eigentlich in Bestrebungen gegenüber ein.Diese konnten dadurch nie die Achtung erwerben, die ihnen eigentlich in allererster Linie gebührt. Die Bestrebungen selbst aber mußten aus dem gleichen Grunde stets von vornherein den Todeskeim in sich tragen, weil sie nie fest auf eigenen Füßen stehen konnten, sondern immer abhängig blieben von dem guten Willen der Menschen. Gerade um sein Heiligstes, das Geistige, der Menschheit gegenüber zu schützen und zu wahren, darf ein ernsthaft Strebender der irdische Güter nicht verachten! Sie müssen ihm in der grobstofflichen Welt vorwiegend jetzt als Schild dienen, um Gleiches mit Gleichem abwehren zu können. Ein ungesunder Zustand würde herbeigeführt, wenn in der Zeit der Materialisten geistig Aufwärtsstrebende die stärkste Waffe der skrupellosen Gegner verachten wollten! Es wäre dies ein Leichtsinn, der sich schwer rächen könnte.
Darum, ihr wahrhaft Gläubigen, verachtet nicht irdische Güter, die auch nur durch den Willen des Gottes geschaffen werden konnten, den ihr zu ehren sucht! Doch laßt euch nicht von der Behaglichkeit einschläfern, die der Besitz irdischer Güter mit sich bringen kann, sondern macht gesunden Gebrauch davon.

Ebenso ist es mit den besonderen Gaben solcher Kräfte, die zu Heilungen verschiedener Krankheiten dienen, oder mit ähnlichen segensreichen Befähigungen. In der naivsten, oder wollen wir richtiger sagen, unverfrorensten Weise setzen die Menschen voraus, daß ihnen diese Fähigkeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, weil sie ja auch aus dem Geistigen als besonderes Geschenk zur Ausübung gegeben wurden. Es geht sogar so weit, daß manche Menschen noch eine spezielle Freudenbezeugung erwarten, wenn sie sich „herabgelassen“ haben, in großer Not sich Hilfe solcher Art zu bedienen. Derartige Menschen müssen ausgeschlossen werden von aller Hilfe, auch wenn es die einzige wäre, die ihnen noch helfen könnte!
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Die also begabten Menschen aber sollten ihr Gottesgeschenk erst einmal selbst höher einschätzen lernen, damit nicht immer wieder Perlen vor die Säue geworfen werden. Sie brauchen zu einer ernsten Hilfeleistung weit mehr körperliche und feinstoffliche Kraft, sowie auch Zeit, als ein Jurist zu seiner besten Verteidigungsrede, oder ein Arzt bei vielen Krankenbesuchen, oder ein Maler bei der Schaffung eines Bildes. Keinem Menschen würde es je einfallen, dem Juristen, dem Arzte oder dem Maler eine kostenlose Tätigkeit zuzumuten, trotzdem ein gutes Auffassungsvermögen wie jede andere Begabung auch nur ein „Gottesgeschenk“ ist, nichts anderes. Werft diese Bettelkleider endlich ab und zeigt euch in dem Gewande, das euch gebührt.
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Der Tod

Etwas, an das alle Menschen ohne Ausnahme glauben, ist der Tod! Ein jeder ist von seine Eintreten überzeugt. Er ist eine der wenigen Tatsachen, über die keinerlei Streit und keinerlei Unwissenheit herrscht. Doch trotzdem alle Menschen von Kindheit an damit rechnen, einmal sterben zu müssen, sucht doch die Mehrzahl den Gedanken daran immer abzuwehren. Viele werden sogar heftig, wenn in ihrer Gegenwart einmal davon gesprochen wird. Andere wieder vermeiden es sorgfältig, Friedhöfe aufzusuchen, gehen Begräbnissen aus dem Wege und suchen jeden Eindruck möglichst schnell wieder zu verwischen, wenn sie doch einmal einem Trauerzuge auf der Straße begegnen. Dabei drückt sie immer eine geheime Angst, daß sie einmal plötzlich von dem Tode überrascht werden könnten. Unbestimmte Furcht hält sie davon ab, mit ernsten Gedanken an diese unverrückbare Tatsache heranzutreten.

Es gibt kaum ein zweites Vorkommnis, das bei seiner Unumgänglichkeit immer wieder in Gedanken so zur Seite geschoben wird, als der Tod. Kaum aber auch einen so bedeutungsvollen Vorgang im irdischen Leben, außer der Geburt. Es ist doch auffallend, daß sich der Mensch gerade mit dem Anfang und dem Ende seines Erdenseins so wenig beschäftigen will, während er allen anderen Vorgängen, sogar ganz nebensächlichen Dingen, eine tiefe Bedeutung beizulegen sucht. Er forscht und grübelt über alles Zwischengeschehen mehr als über das, was ihm über alles Aufklärung bringen würde: der Anfang und das Ende seines Erdenlaufes. Tod und Geburt sind ja so eng verbunden, weil eines die Folge des anderen ist.

Wie wenig Ernst aber wird schon der Zeugung beigelegt! Wohl in sehr seltenen Fällen ist dabei etwas Menschenwürdiges zu finden. Gerade in diesem Vorgange stellen sich die Menschen mit Vorliebe den Tieren gleich und vermögen es doch nicht, deren Harmlosigkeit darin beizubehalten. Das ergibt eine
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Stellungnahme unter das Tier. Denn dieses handelt nach seiner Stufe, die es in der Schöpfung inne hat. Der Mensch jedoch vermag es nicht, oder will es nicht, die ihm gebührende Stufe einzuhalten. Er steigt tiefer hinab und wundert sich dann, wenn es in verschiedenen Beziehungen mit der ganzen Menschheit nach und nach bergab geht. Schon die Gebräuche der Hochzeiten sind alle darauf eingestellt, den Ehebund lediglich als eine rein irdische Angelegenheit zu betrachten. Es geht dabei in vielen Fällen sogar so weit, daß ernst angelegte Naturen sich mit Ekel vor unzweideutigen, nur auf irdischen Verkehr hinweisenden Einzelheiten abwenden möchten. Die Hochzeitsfeiern in niederen, wie auch in besseren Kreisen sind in vielen Fällen nur zu regelrechten Kuppelorgien ausgeartet, denen beizuwohnen alle ihrer hohen Verantwortung bewußten Eltern den Kindern mit schärfster Strenge untersagen müßten. Jünglinge und Jungfrauen aber, welche bei diesen Sitten und Anspielungen während eines solchen Festes nicht selbst Abscheu in sich erstehen fühlen, und aus diesem Grunde in ihrer eigenen Verantwortlichkeit für ihr Tun und Lassen nicht fernbleiben, sind sowieso schon auf gleich niedere Stufe zu rechnen, können also bei einer Beurteilung nicht mehr in Betracht gezogen werden. Es ist, als ob die Menschen sich auch hierin durch einen vergifteten Rausch über etwas hinwegzutäuschen versuchen, an das sie nicht.

Wenn dann das irdische Leben auf solch leichtfertigen Grundlagen aufgebaut wird, wie es schon Sitte und Gebrauch geworden ist, kann man verstehen, daß sich die Menschen auch über den Tod hinwegzutäuschen versuchen, indem sie sich krampfhaft bemühen, nicht daran zu denken. Dieses Hinwegschieben aller ernsten Gedanken steht in engem Zusammenhange mit der eigenen Tiefstellung bei der Zeugung. Die unbestimmte Furcht, die wie ein Schatten durch das ganze Erdenleben neben dem Menschen herläuft, entspringt zum großen Teile dein vollen Bewußtsein alles Unrechtes der leichtsinnigen, die Menschen entwürdigenden Handlungen. Und wenn sie gar nicht anders Ruhe bekommen können, so klam-
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mern sie sich zuletzt krampfhaft und gekünstelt an den Selbstbetrug, daß es entweder mit dem Tode ganz aus ist, womit sie das Bewußtsein ihrer Minderwertigkeit bekunden, oder Feigheit vor einer eventuellen Verantwortung voll bekunden, oder an die Hoffnung , daß sie auch nicht viel schlechter sind als andere Menschen.

Aber alle die Einbildungen ändern nicht ein Stäubchen an der Tatsache, daß der irdische Tod an sie herantritt. Mit jedem Tag, jeder Stunde kommt er näher! Jämmerlich sieht es oft aus, wenn in den letzten Stunden bei der Mehrzahl aller derer, die mit Starrheit eine Verantwortung in einem Fortleben wegzuleugnen versuchten, das große, angstvolle Fragen einsetzt, welches beweist, wie sie an ihrer Überzeugung plötzlich irre werden. Es vermag ihnen dann aber nicht viel zu nützen; denn es ist wiederum nur Feigheit, die sie kurz vor dem großen Schritt aus dem Erdenleben plötzlich die Möglichkeit eines Fortlebens und mit diesem einer Verantwortung vor sich sehen läßt. Angst aber, Furcht und Feigheit läßt ebensowenig die Verminderung oder Ablösung der unbedingten Wechselwirkung aller Handlungen zu wie Trotz. Ein Einsehen, also zur Erkenntnis kommen, geht auch nicht in dieser Weise vor sich. Sterbenden Menschen spielt dann aus Furcht heraus noch in den letzten Stunden ihre so oft im Erdenleben erprobte Verstandesklugheit einen üblen Streich, indem sie den Menschen plötzlich in gewohnter Vorsicht noch schnell verstandesfromm werden lassen möchte, sobald die Loslösung des weiterlebenden feinstofflichen Menschen von dem grobstofflichen Körper schon einen so hohen Grad erreicht hat, daß das Empfindungsleben in dieser Loslösung der Stärke des Verstandes gleichkommt, dem es bisher gewaltsam untergeordnet war.

Sie haben dadurch keinen Gewinn! Sie werden ernten, Was sie an Gedanken und Handlungen in ihrem Erdenleben gesät haben. Nicht das Geringste ist damit gebessert oder auch nur geändert! Unwiderstehlich werden sie in die Räder der streng arbeitenden Gesetze der Wechselwirkung gezogen, um in diesen in der feinstofflichen Welt alles das durchzuleben, was Sie fehl-
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ten, also aus falscher Überzeugung heraus dachten und handelten. Sie haben alle Ursache, die Stunde des Loslösens von dem irdischen grobstofflichen Körper zu fürchten, der ihnen eine Zeitlang für viele feinstoffliche Vorgänge ein Schutzwall war. Dieser Schutzwall wurde ihnen als Schild und Deckung eine Zeitlang überlassen, damit sie hinter ihm in ungestörter Ruhe vieles zum Besseren ändern und sogar ganz ablösen konnten, was sie ohne diesen Schutz schwer hätte treffen müssen.

Doppelt traurig, ja zehnfach ist es für den, der diese Gnadenzeit eines Erdendaseins in leichtsinnigem Selbstbetruge wie in einem Rausche durchtaumelt. Die Furcht und Angst ist also bei vielen begründet.

Ganz anders mit denen, die ihr Erdendasein nicht vergeudeten, die noch zu rechter Zeit, wenn auch in später Stunde, aber nicht aus Furcht und Angst heraus den Weg geistigen Aufstieges betraten. Ihr ernstes Suchen nehmen sie als Stab und Stütze mit hinüber in die feinstoffliche Welt. Sie können ohne Furcht und Bangen den Schritt aus dem Grobstofflichen in das Feinstoffliche unternehmen, der für jeden unausbleiblich ist, da alles, was vergänglich ist, wie der grobstoffliche Körper, auch einmal wieder vergehen muß. Die Stunde dieser Ablösung können sie begrüßen, weil es für sie ein unbedingter Fortschritt ist, gleichviel, was sie im feinstofflichen Leben durchzuleben haben. Das Gute wird sie dann beglücken, dos Schwere wird ihnen überraschend leicht gemacht; denn dabei hilft das gute Wollen kraftvoller, als sie es je geahnt haben.

Der Vorgang des Todes selbst ist weiter nichts, als die Geburt in die feinstoffliche Welt. Ähnlich dem Vorgange der Geburt in die grobstoffliche Welt. Der feinstoffliche Körper ist mit dem grobstofflichen Körper nach der Lösung eine Zeitlang wie durch eine Nabelschnur verbunden, die um so weniger fest ist, je höher der also in die feinstoffliche Welt Geborene seine Seele schon in dem Erdensein nach der feinstofflichen Welt hin entwickelt hat, als Übergang in das Reich seines Gottes. Je mehr er sich selbst durch sein Wollen an die Erde kettete, also an das Grobstoffliche, und so von dem Fortleben
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in der feinstofflichen Welt nichts wissen wollte, desto fester gefügt wird durch dieses sein eigenes Wollen auch diese Schnur sein, die ihn an den grobstofflichen Körper bindet, und damit auch sein feinstofflicher Körper, den er als Gewand des Geistes in der feinstofflichen Welt bedarf. Je dichter aber sein fein- stofflicher Körper ist, desto schwerer ist er nach den üblichen Gesetzen, und desto dunkler muß er auch erscheinen. Er wird sich durch diese große Ähnlichkeit und nahe Verwandtschaft alles Grobstofflichen auch sehr schwer von dem grobstofflichen Körper lösen, so daß es vorkommt, daß ein solcher auch die letzten grobstofflich-körperlichen Schmerzen noch mit fühlen muß, sowie den ganzen Zerfall in der Verwesung. Bei Verbrennung bleibt er ebenfalls nicht unempfindlich. Nach endlicher Trennung dieser Verbindungsschnur aber sinkt er in der feinstofflichen Welt bis dahin hinab, wo seine Umgebung die gleiche Dichtheit und Schwere hat. Dort findet er dann in der gleichen Schwere auch lauter Gleichgesinnte vor. Daß es aber übler zugeht als auf Erden in dem grobstofflichen Körper, ist erklärlich, weil sich in der feinstofflichen Welt alle Empfindungen voll und ungehemmt ausleben.
Anders mit den Menschen, die den Aufstieg zu allem Edleren schon in dem Erdensein begannen. Weil diese die Überzeugung des Schrittes in die feinstoffliche Welt lebendig in sich tragen, ist die Loslösung auch viel leichter. Der feinstoffliche Körper und mit ihm die Verbindungsschnur ist nicht dicht, und dieser Unterschied in ihrer gegenseitigen Fremdheit mit dein grobstofflichen Körper läßt die Loslösung auch sehr schnell erfolgen, so daß der feinstoffliche Körper während des ganzen sogenannten Todeskampfes oder den letzten Muskelzuckungen des grobstofflichen Körpers schon lange neben diesem steht, wenn überhaupt von einem Todeskampfe bei normalem Sterben eines solchen Menschen gesprochen werden kann. Der lose, undichte Zustand des Verbindungsstranges läßt den danebenstehenden feinstofflichen Menschen keinerlei Schmerzen mitempfinden, da dieser leichte Verbindungsstrang
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in seinem undichten Zustande keinen Schmerzleiter vom Grobstofflichen zum Feinstofflichen abgeben kann. Dieser Strang sprengt auch infolge seiner größeren Feinheit die Verbindung schneller, so daß der feinstoffliche Körper in viel kürzerer Frist vollkommen frei wird, und dann nach der Region in die Höhe schwebt, die aus der gleichen feineren und leichteren Art besteht. Dort wird auch dieser nur Gleichgesinnte treffen können und in dem erhöhten guten Empfindungsleben Frieden und Glück empfangen. Ein solcher leichter und weniger dichter feinstofflicher Körper erscheint naturgemäß auch heller und lichter, bis er zuletzt in so große Verfeinerung kommt, daß das in ihm ruhende Reingeistige strahlend durchzubrechen beginnt, bevor er als ganz lichtstrahlend in das Rein-Geistig-Wesenhafte eingeht.

Die bei einem Sterbenden weilenden Menschen aber seien gewarnt, daß sie nicht in lautes Klagen ausbrechen. Durch den zu stark gezeigten Trennungsschmerz kann der in Loslösung begriffene oder vielleicht schon danebengehende feinstoffliche Mensch ergriffen werden, es also hören oder fühlen. Erwacht dadurch in ihm das Mitleid oder der Wunsch, noch Trostesworte zu sagen, so bindet ihn dieses Verlangen wieder fester mit dem Bedürfnis, sich den schmerzerfüllt Klagenden verständlich bemerkbar zu machen. Irdisch verständlich machen kann er sich nur unter Zuhilfenahme des Gehirnes. Das Bestreben aber zieht die enge Verbindung mit dem grobstofflichen Körper nach sich, bedingt sie, und deshalb kommt als Folge, daß nicht nur ein noch in Loslösung begriffener feinstofflicher Körper sich wieder enger mit dem grobstofflichen Körper vereinigt, sondern auch ein bereits danebenstehender losgelöster feinstofflicher Mensch nochmals zurückgezogen wird in den grobstofflichen Körper. Endergebnis ist die Wiederempfindung aller Schmerzen, denen er schon enthoben war. Die erneute Loslösung erfolgt dann weit schwerer, sie kann sogar einige Tage anhalten. Dann entsteht der sogenannte verlängerte Todeskampf, der für den sieh Lösenwollenden wirklich schmerzhaft und schwer wird. Schuld da-
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ran sind die, die ihn aus der natürlichen Entwicklung durch ihren egoistischen Schmerz zurückriefen. Durch diese Unterbrechung des normalen Laufes erfolgte eine neue, gewaltsame Bindung, sei es auch nur durch den schwachen Versuch einer Konzentration zur Verständlichmachung. Und diese widernatürliche Bindung wieder zu lösen, ist dem damit noch vollkommen Unbewanderten nicht so leicht. Geholfen kann ihm dabei nicht werden, da er selbst die neue Bindung wollte. Diese Bindung kann leicht eintreten, solange der grobstoffliche Körper noch nicht ganz erkaltet ist und der Verbindungsstrang besteht, der oft erst nach vielen Wochen zerreißt. Also eine unnötige Qual für den Hinübergehenden, eine Rücksichtslosigkeit und Rohheit der Umstehenden. Deshalb soll in einem Sterbezimmer unbedingte Ruhe herrschen! Ein der bedeutungsvollen Stunde entsprechender würdiger Ernst. Personen, die sich nicht beherrschen können, sollten gewaltsam entfernt werden, auch wenn es die nächsten Angehörigen sind.
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Wunder

Die Erklärung dafür liegt in dem Worte selbst. Wunder ist ein Vorgang, über den der Mensch in Verwunderung gerät. Es ist etwas, das er nicht für möglich hält. Aber auch nur hält, denn daß es möglich ist, hat ja das Eintreten des Wunders schon bewiesen.

Wunder nach den Vorstellungen vieler an Gott glaubender Menschen gibt es nicht! Diese halten ein Wunder für etwas außerhalb der Naturgesetze Geschehendes, sogar für etwas, das allen Naturgesetzen entgegensteht. Darin erblicken sie gerade das Göttliche! Ein Wunder ist für sie etwas, das nur ihrem Gotte möglich ist, der darin seine besondere Gnade zeigt und seine Allmacht dazu anwendet.

Die armen Menschen denken sich unter Allmacht irrtümlich die Möglichkeit von Willkürsakten und die Wunder als solche Willkürsakte. Sie überlegen sich nicht, wie sehr sie Gott damit verkleinern; denn diese Art Wunder würden nichts weniger als göttlich sein.

Im göttlichen Wirken liegt in erster Linie eine unbedingte Vollkommenheit, ohne Fehler, ohne Lücke. Und Vollkommenheit bedingt strengste Logik, unbedingte Folgerichtigkeit in jeder Beziehung. Ein Wunder muß sich demnach nur in lückenloser Folgerichtigkeit im Geschehen auswirken. Der Unterschied ist nur der, daß bei einem Wunder der für irdische Begriffe längere Zeit in Anspruch nehmende Entwicklungsgang sich zwar in üblicher Weise abspielt, doch in so ungeheuerer Geschwindigkeit, sei es nun durch die einem Menschen besonders verliehene Kraft, oder durch andere Wege, daß es von den Menschen durch das außergewöhnlich schnelle Geschehen als wunderbar bezeichnet werden kann, kurz, als Wunder.

Es kann auch einmal etwas über die jetzige Entwicklung Hinausreichendes sein, das durch konzentrierte Kraft erfüllt
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wird. Aber es wird sich nie und nimmer außerhalb der bestehenden Naturgesetze stellen oder diesen sogar entgegen. In dem Augenblicke, der an sich sowieso unmöglich ist, würde es alles Göttliche verlieren und ein Akt der Willkür werden. Also gerade das Gegenteil von dem, was viele Gottesgläubige wähnen. Alles, was einer strengen Folgerichtigkeit entbehrt, ist ungöttlich. Jedes Wunder ist ein unbedingt natürlicher Vorgang, nur
in außergewöhnlicher Schnelligkeit und konzentrierter Kraft; niemals kann etwas Unnatürliches geschehen. Das ist vollkommen ausgeschlossen.
Erfolgen Heilungen bisher als unheilbar geltender Krankheiten, so ruht darin keine Veränderung der Naturgesetze, sondern es zeigt nur die großen Lücken des menschlichen Wissens. Umso mehr muß es als eine Gnade des Schöpfers erkannt werden, der einzelne Menschen hier und da mit besonderer Kraft begabt, die sie zum Heile leidender Menschheit verwenden können. Immer aber werden es nur solche sein, die sich allem Dünkel einer Wissenschaft fernhielten, da das erdgebundene Wissen die Fähigkeit, höhere Gaben entgegenzunehmen, ganz naturgemäß erstickt.
Erdgebundenes Wissen will erringen, vermag niemals rein, also kindlich zu empfangen. Aus dem Raum- und Zeitlosen kommende Kräfte aber können nur einfach empfangen, nie errungen werden! Dieser Umstand allein zeigt, was das Wertvollere, das Stärkere, also auch das Richtigere ist!
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Die Taufe

Wird die Taufe eines Kindes durch einen Geistlichen ausgeführt, der sie lediglich als Amtspflicht betrachtet, so ist sie absolut bedeutungslos, bringt weder Nutzen noch Schaden. Bei der Taufe eines Erwachsenen dagegen trägt dessen innere Empfangsbereitschaft dazu bei, je nach deren Stärke und Reinheit wirklich etwas Geistiges zu erhalten oder nicht.

Bei einem Kinde kann nur der Glaube eines Taufenden als Mittel zum Zweck in Betracht kommen. Je nach dessen Stärke und Reinheit erhält das Kind durch die Handlung eine gewisse geistige Kräftigung, sowie eine Schutzwand gegen üble Strömungen.

Die Taufe ist eine Handlung, die nicht jeder von irdischen Kirchenleitungen eingesetzte Mensch wirkungsvoll vornehmen kann. Dazu gehört ein Mensch, der mit dem Lichte in Verbindung steht. Nur ein solcher vermag Licht zu vermitteln. Diese Fähigkeit aber wird nicht durch irdisches Studium, nicht durch kirchliche Weihe oder Amtseinsetzung erreicht. Sie hängt überhaupt nicht mit irdischen Gebräuchen zusammen, sondern ist lediglich ein Geschenk des Höchsten selbst.

Ein so Beschenkter wird dadurch zum Berufenen! Diese sind nicht zahlreich vorhaden; denn das Geschenk bedingt als Voraussetzung einen entsprechenden Boden in dem Menschen selbst. Ist die Vorbedingung in ihm nicht gegeben, so kann die Verbindung von dem Lichte aus nicht herbeigeführt werden. In unlockerem, oder von dem Lichte abstrebendem Boden vermag sich das Licht nicht zu senken, da auch dieser Vorgang wie alles andere streng den alles durchströmenden Urgesetzen unterworfen ist.

Ein solch Berufener vermag aber durch die Handlung der Taufe wirklich Geist und Kraft zu übertragen, so daß die Taufe den Wert erhält, den sie symbolisch ausdrückt. Trotzdem ist es
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immer noch vorzuziehen, die Taufe nur solchen zuteil werden zu lassen die sich selbst der Wirkung dieser Handlung voll bewußt sind und den sehnsüchtigen Wunsch darnach empfinden. Die Taufe bedingt also ein gewisses Reifealter und den freiwilligen Wunsch des Täuflings, sowie einen Berufenen als Täufer, um sie wirklich vollwertig werden zu lassen.

Johannes der Täufer, der noch heute von allen christlichen Kirchen als wirklich Berufener angesehen und anerkannt wird, hatte seine größten Widersacher gerade in den Schriftgelehrten und Pharisäern, die sich damals als die zu einem Urteile darüber Berufensten wähnten. Das damalige Volk Israel selbst war berufen. Daran ist kein Zweifel. In seiner Mitte sollte der Gottessohn sein Erdenwerk vollbringen. In dieser Erfüllung war aber die Berufung des ganzen Volkes erloschen. Ein neues Israel wird erstehen zu neuer Erfüllung. Aber zu Johannes Zeiten war das damalige Israel noch das berufene Volk. Demnach hätten auch die Priester dieses Volkes zu dieser Zeit die Berufensten zu einer Taufe sein sollen. Trotzdem aber mußte Johannes der Täufer kommen, um als einzig Berufener den Gottessohn in seiner Erdenhülle bei Beginn seiner eigentlichen irdischen Wirksamkeit zu taufen. Dieses Ereignis beweist ebenfalls, daß irdische Einsetzungen in ein Amt nichts mit göttlichen Berufungen zu tun haben. Ausübungen in dem Namen Gottes aber, also in seinem Auftrage, wie es bei der Taufe sein soll, können wiederum nur göttlich Berufene wirksam erfüllen. Der von dem damaligen Hohepriester des berufenen Volkes nicht anerkannte göttlich berufene Johannes der Täufer nannte diese seine Gegner „Otterngezücht“. Er sprach ihnen das Recht ab, zu ihm zu kommen.

Dieselben Priester des damals berufenen Volkes erkannten ja auch den Gottessohn selbst nicht an, verfolgten ihn dauernd und arbeiteten an seiner irdischen Vernichtung, da er ihnen überlegen und somit lästig war. Wenn Christus heute in neuer Gestalt unter die Menschen träte, so würde ihm ganz ohne Zweifel dieselbe Ableugnung und Feindschaft begegnen, wie es damals war. Ebenso würde es einem von ihm Gesandten ergehen.
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Um so mehr, da die Menschheit heute „fortgeschrittener“ zu sein wähnt.

Nicht nur aus diesem einen Falle des Johannes des Täufers, sondern aus zahlreichen gleichartigen Fällen geht ganz entschieden der Beweis hervor, daß irdisch-kirchliche Weihen und Amtseinsetzungen, die ja immer nur zu den „Organisationen der Kirchen“ als solche gehören, niemals eine größere Befähigung zu geistigen Handlungen bringen können, wenn nicht der Mensch selbst schon dazu berufen ist.

Richtig betrachtet ist also auch die Taufe der kirchlichen Vertreter nichts weiter als ein Interims-Aufnahme-Akt der Organisation einer religiösen Verbindung. Nicht eine Aufnahme-Akt der Organisation einer religiösen Verbindung. Nicht eine Aufnahme bei Gott, sondern eine Aufnahme in die entsprechende kirchlich-irdische Gemeinschaft. Die später folgende Konfirmation und Firmung kann nur als eine nochmalige Bestätigung und erweiterte Zulassung zu den Gebräuchen dieser Gemeinschaften angesehen werden. Der Pfarrer handelt als „verordneter Diener der Kirche“, also rein irdisch, da Kirche und Gott nicht eins ist.
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Der heilige Gral!

Vielfach sind die Auslegungen der Dichtungen, die über den Heiligen Gral vorliegen. Die ernstesten Gelehrten und Forscher befaßten sich mit diesem Mysterium. So manches davon hat hohen, sittlichen Wert, doch alles trägt in sich den großen Fehler, daß es nur einen Aufbau vom Irdischen aufwärts zeigt, während die Hauptsache, der Lichtstrahl von oben herab, fehlt, der erst die Lebendigmachung und Erleuchtung bringen könnte. Alles, was von unten nach oben strebt, muß Halt machen an der Grenze des Stofflichen, auch wenn ihm das Höchsterreichbare gewährt ist. In den meisten Fällen kann jedoch bei günstigsten Vorbedingungen kaum die Hälfte dieses Weges zurückgelegt werden. Wie weit aber ist dann noch der Weg zur wahren Erkenntnis des Heiligen Grales!

Diese Empfindung der Unerreichbarkeit macht sich bei Forschern zuletzt fühlbar. Das Ergebnis davon ist, daß sie den Gral nunmehr als eine rein symbolische Bezeichnung eines Begriffes zu nehmen versuchen, um ihm so die Höhe zu geben, deren Notwendigkeit sie für diese Bezeichnung ganz richtig empfinden. Damit gehen sie aber in Wirklichkeit rückwärts, nicht vorwärts. Abwärts anstatt aufwärts Sie weichen von dem richtigen Wege ab, den die Dichtungen zum Teile schon in sich tragen. Nur diese lassen die Wahrheit ahnen. Aber auch nur ahnen, weil die hohen Inspirationen und visionären Bilder der Dichter durch den bei der Weitergabe mitarbeitenden Verstand zu stark verirdischt wurden. Sie verliehen der Wiedergabe des geistig Empfangenen das Bild ihrer derzeitigen irdischen Umgebung, um damit den Menschen den Sinn ihrer Dichtung verständlicher zu machen, was ihnen trotzdem nicht gelang, weil sie selbst dem eigentlichen Kerne der Wahrheit nicht nahe kommen konnten.

So war dem späteren Forschen und Suchen von vornherein ein unsicherer Grund gegeben; jedem Erfolge damit eine enge
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Grenze gesetzt. Daß man zuletzt nur noch an eine reine Symbolik denken konnte und die Erlösung durch den Gral in jedes Menschen innerstes Selbst verlegte, ist deshalb nicht erstaunlich.

Die bestehenden Deutungen sind nicht ohne großen ethischen Wert, aber sie können keinen Anspruch darauf machen, eine Erklärung der Dichtungen zu sein, noch viel weniger der Wahrheit des Heiligen Grales nahe zu kommen.

Auch ist unter dem Heiligen Gral nicht das Gefäß gemeint, daß der Gottessohn am Ende seiner irdischen Mission bei dem letzten Mahle mit seinen Jüngern benützte, worin dann sein Blut am Kreuze aufgefangen wurde. Dieses Gefäß ist eine heilige Erinnerung an das hohe Erlöserwerk des Gottessohnes, aber es ist nicht der Heilige Gral, den zu besingen die Dichter, der Legenden begnadet wurden. Diese Dichtungen sind von der Menschheit falsch aufgefaßt worden.

Es sollten Verheißungen sein aus höchsten Höhen, deren Erfüllungen die Menschen zu erwarten haben! Hätte man sie als solche aufgefaßt, so wäre sicherlich schon lange auch ein an-derer Weg gefunden worden, der die Forschungen noch etwas weiter führen konnte als bisher. So aber mußte in all den Deutungen zuletzt ein toter Punkt eintreten, weil niemals eine volle, lückenlose Lösung zu erreichen war, da der Ausgangspunkt einer jeden Forschung durch die bisherige falsche Auffassung von vornherein auf falschem Boden stand.

Nie wird ein Menschengeist, sei er auch zuletzt in seiner größten Vollendung und Unsterblichkeit, dem Heiligen Gral selbst gegenüberstehen können! Deshalb kann auch nie eine ausgiebige Kunde darüber von dort in das Stoffliche erdenwärts gelangen, es sei denn durch einen Boten, der von dort ausgeschickt wurde. Dem Menschengeiste also wird der Heilige Gral immer und ewig ein Mysterium bleiben müssen.

Der Mensch bleibe bei dem, was er geistig zu erfassen vermag, und suche vor allen Dingen das zu erfüllen und bis zu den edelsten Blüten zu bringen, was in seinen Kräften liegt Leider aber greift er nur zu gern in seinem Verlangen immer weit darüber hinaus, ohne sein eigentliches Können zu ent-
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wickeln, wodurch er eine Nachlässigkeit begeht, die ihn nicht einmal das erreichen läßt, was er vermöchte, während er das Gewünschte sowieso niemals erreichen kann. Er bringt sich damit um das Schönste und das Höchste seines eigentlichen Seins, er erreicht nur ein vollkommenes Versagen der Erfüllung seines Daseinszweckes.

Der Parsifal ist eine große Verheißung. Die Mängel und Irrtümer, die die Dichter der Legenden durch ihr allzu irdisches Denken hinzugefügt haben, entstellen das eigentliche Wesen dieser Figur. Parsifal soll eins sein mit dem Menschensohne, dessen Kommen der Gottessohn selbst verkündete.*) Ein Gottesgesandter, wird er mit einer Binde vor den geistigen Augen durch die schwersten irdischen Mühsale gehen müssen, als Mensch unter Menschen. Nach einer bestimmten Zeit von dieser Binde befreit, muß er seinen Ausgangspunkt und damit sich selbst wieder erkennen, sowie auch seine Mission klar vor sich sehen. Diese Mission wird ebenfalls eine Erlösung der ernsthaft suchenden Menschheit bringen, verbunden mit scharfem Gericht. Dafür kann aber nicht irgend ein Mensch angenommen werden, noch viel weniger will darin das mögliche Erleben zahlreicher oder gar aller Menschen erkannt sein; sondern es wird nur ein ganz Bestimmter, Auserlesener, besonders Gesandter diese Möglichkeiten in sich tragen.

In der unverrückbaren Gesetzlichkeit alles göttlichen Willens ist es nicht anders möglich, als daß ein jedes nach dem Entwicklungslaufe in seiner höchsten Vollendung wieder zu dem Ausgangspunkt seines ursprünglichen Wesens zurückkehren kann, niemals aber darüber hinaus. So auch der Menschengeist. Er hat seinen Ursprung als Geistsamenkorn aus dem Geistig-Wesenhaften, wohin er nach seinem Laufe durch die Stofflichkeit bei höchster Vollendung und gewonnener lebendigen Reinheit als bewußter Geist in wesenhafter Form zurückkehren kann. Sein Weg vermag ihn dort im günstigsten Falle bis in den Vorhof der Gralsburg zu führen, die als Höchstes in dem Geistig-Wesenhaften steht und in diesem die Pforte bildet zu
*) Vortrag: „Gottessohn und Menschensohn“.
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den Stufen des Thrones, auf dem der Ursprung alles Seins, Gottvater, in seinem Göttlich-Wesenlosen zeitweise den Mantel des Göttlich-Wesenhaften um sich schlägt, also Form annimmt. Kein Geistig-Wesenhafter, sei er auch noch so hoch und rein und strahlend, vermag die Grenze zu dem Göttlichen zu überschreiten. Die Grenze und die Möglichkeit des überschreitens liegt auch hier, wie in den Sphären oder Ebenen der stofflichen Schöpfung, einfach in der Natur der Sache, in der Verschiedenheit der Art.

Als Oberstes und Höchstes ist Gott selbst in seiner Göttlich-Wesenlosigkeit. Dann kommt als Nächstes etwas tiefer das Geistig-Wesenhafte. Beides ist ewig. Diesem schließt sich dann erst tiefer und tiefer gehend das stoffliche Schöpfungswerk an, mit der gasigen Feinstofflichkeit beginnend, in abwärtssteigenden Ebenen oder Sphären dichter und dichter werdend, bis zur endlichen den Menschen sichtbar werdenden Grobstofflichkeit. Das Feinstoffliche in der stofflichen Schöpfung ist das von den Menschen genannte Jenseits. Also das Jenseits ihres irdischen, grobstofflichen Sehvermögens. Beides aber gehört zum Schöpfungswerke, ist in seiner Form nicht ewig, sondern der Veränderung zum Zwecke der Erneuerung und Erfrischung unterworfen.

Am höchsten Ausgangspunkte des ewigen Geistig-Wesen-haften nun steht die Gralsburg, geistig sichtbar, greifbar, weil noch von der gleichen geistig-wesenhaften Art. Diese Gralsburg birgt einen Raum, der wiederum an der äußersten Grenze nachdem Göttlichen zu liegt, also noch ätherisierter ist als alles andere Geistig-Wesenhafte. In diesem Raume befindet sich als Unterpfand der ewigen Güte Gottvaters und als Symbol seiner reinsten göttlichen Liebe, sowie als direkter Ausgangspunkt göttlicher Kraft: der Heilige Gral!

Er ist eine Schale, in der es ununterbrochen wallt und wogt wie rotes Blut, ohne je überzufließen. Vom lichtesten Lichte umstrahlt, ist es nur den Reinsten aller Geistig-Wesenhaften vergönnt, in dieses Licht schauen zu können. Das sind die Hüter des Heiligen Grales! Wenn es in den Dichtungen heißt,
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der Menschen Reinste sind dazu bestimmt, Hüter des Grals zu werden, so ist dies ein Punkt, den der begnadeter Dichter allzusehr verirdischt hat, weil er sich nicht anders auszudrücken vermochte. Kein Menschengeist kann diesen geheiligten Raum betreten. Auch in seiner vollendetsten geistigen Wesenhaftigkeit nach seiner Rückkehr von dem Laufe durch die Stofflichkeit ist er doch nicht ätherisiert genug, um die Schwelle, also die Grenze zu diesem Raume zu überschreiten. Er ist auch in seiner höchsten Vollendung in der Wesenhaftigkeit noch zu dicht dazu. Eine weitere Ätherisierung für ihn aber müßte gleichbedeutend mit völliger Zersetzung oder Verbrennung sein, da seine Art vom Ursprung aus sich nicht dazu eignet, noch strahlender und lichter, also noch ätherisierter zu werden. Sie erträgt es nicht.

Die Hüter des Grales sind Ewige, Reingeistige, die niemals Menschen waren, die Spitzen alles Geistig-Wesenhaften. Sie bedürfen aber der göttlich-wesenlosen Kraft, sind abhängig von ihr, wie alles abhängig ist von dem Göttlich-Wesenlosen, dem Ursprung aller Kraft, Gottvater.

Von Zeit zu Zeit erscheint nun an dem Tag der Heiligen Taube die Taube über dem Gefäß als erneutes Zeichen der unwandelbaren göttlichen Liebe des Vaters. Es ist die Stunde der Verbindung, die Krafterneuerung bringt. Die Hütter des Grales empfangen sie in demutvoller Andacht und vermögen dann diese erhaltene Wunderkraft weiterzugeben.

Daran hängt das Bestehen der ganzen Schöpfung!

Es ist der Augenblick, in dem im Tempel des Heiligen Grales des Schöpfers Liebe strahlend sich ergießt zu neuem Sein, zu neuem Schaffensdrange, der pulsschlagartig abwärts durch das ganze Weltall sich verteilt. Ein Beben geht dabei durch alle Sphären, ein heiliges Erschauern ahnungsvoller Freude, großen Glückes. Nur der Geist der Erdenmenschen steht noch abseits, ohne zu empfinden, was gerade ihm dabei geschieht, welch unermeßliches Geschenk er stumpfsinnig entgegennimmt, weil seine Selbsteinengung im Verstande das Erfassen einer derartigen Große nicht mehr zuläßt.
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Es ist der Augenblick der Lebenszufuhr für die ganze

Schöpfung!

Die stete, notwendige Wiederkehr einer Bestätigung des Bundes, den der Schöpfer seinem Werke gegenüber hält. Würde diese Zufuhr einmal abgeschnitten, bliebe sie aus, so müßtte alles Seiende langsam vertrocknen, altern und zerfallen. Es käme dann das Ende aller Tage, und nur Gott selbst verblieb, wie es im Anfang war! Weil er allein das Leben ist.

Dieser Vorgang ist in der Legende wiedergegeben. Es ist sogar angedeutet, wie alles altern und vergehen muß, wenn der Tag der Heiligen Taube, die „Enthüllung“ des Grales, nicht wiederkehrt, in dem Altwerden der Gralsritter, während der Zeit, in der Amfortas den Gral nicht mehr enthüllt, bis zu der Stunde, in der Parsifal als Gralskönig auftritt.

Der Mensch sollte davon abkommen, den Heiligen Gral nur als etwas Unfaßbares zu betrachten; denn er besteht wirklich! Es ist aber dem Menschengeiste durch dessen Beschaffenheit versagt, ihn jemals erschauen zu können. Den Segen jedoch, der von ihm ausströmt, und der von den Hütern des Grales weitergegeben werden kann und auch weitergegeben wird, können die Menschengeister empfangen und genießen. In diesem Sinne sind einige Auslegungen nicht gerade falsch zu nennen, sobald sie in ihren Deutungen den Heiligen Gral selbst nicht mit hineinzuziehen versuchen. Sie sind richtig und doch auch wieder nicht.

Das Erscheinen der Taube an dem bestimmten Tage der Heiligen Taube zeigt die jedesmalige Sendung des Heiligen Geistes an; denn diese Taube steht in engem Zusammenhange mit ihm. Doch das ist etwas, das der Menschengeist nur bildlich zu erfassen fähig ist, weil er aus der Natur der Sache heraus bei höchster Entwicklung in Wirklichkeit nur bis dahin zu denken, zu wissen und zu empfinden vermag, woher er selbst kam, also bis zu der Art, die eins mit seiner reinsten Beschafhenheit des Ursprungs ist. Das ist das ewige Reingeistig-Wesen-hafte. Diese Grenze wird er auch im Denken niemals überschreiten können. Anders vermag er auch nie zu erfassen.
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Das ist so selbstverständlich, logisch und einfäch, daß dem Gedankengange jeder Mensch zu folgen vermag.

Was aber darüber ist, wird und muß der Menschheit aus diesem Grunde immer ein Mysterium sein und bleiben!

Jeder Mensch lebt deshalb in einem irrenden Wahne, so er sich einbildet, Gott in sich zu tragen, oder selbst göttlich zu sein, oder dies werden zu können. Er trägt Rein-Geistiges in sich, aber nicht Göttliches. Und darin ruht ein unüberbrückbarer Unterschied. Er ist ein Geschöpf, nicht ein Teil des Schöpfers, wie sich so mancher einzureden versucht. Der Mensch ist und bleibt ein Werk, wird niemals Meister werden können.

Es ist deshalb auch unrichtig, wenn erklärt wird, daß der Menschengeist von Gottvater selbst ausgeht und zu ihm zurück-kehrt. Der Ursprung des Menschen ist das Geistig-Wesenhafte, nicht das Göttlich-Wesenlose. Er kann deshalb auch bei erreichter Vollkommenheit nur bis zum Geistig-Wesenhaften zurückkehren. Richtig gesagt ist, daß der Menschengeist aus dem Reiche Gottes stammt und deshalb auch, wenn er vollkommen wird, wieder in das Reich Gottes zurückzukehren vermag, nicht aber zu ihm selbst. Das Reich Gottes ist das Reiggeistig-Wesen-hafte.

Der Mittler zwischen dem Göttlich-Wesenlosen und dem Reingeistig-Wesenhaften ist der Gottessohn geworden. Er tritt aus dem Göttlich-Wesenlosen hinüber in das Geistig-Wesenhafte, wie er einst auch in das Stoffliche gekommen ist. Das Kommen des Menschensohnes bringt die Vollendung der hohen göttlichen Mission des Gottessohnes. Nach der Erfüllung wird der Gottessohn wieder ganz zurückkehren in das Göttlich-Wesenlose, während der Menschensohn das Amt des Mittlers an seiner Stelle übernimmt, und so zum Führer der Hüter des Heiligen Grals wird, zum Gralskönig, der das Heilige Gefäß betreut.

Der Menschensohn wird für den Menschengeist dann das A und das O sein, weil er den Anfang und das Ende gibt für das Fassungsvermögen des menschlichen Geistes; denn er vermag über die Grenze zum Göttlich-Wesenlosen zu gehen, und somit alles zu überschauen.
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Das Geheimnis Lucifer

Ein grauer Schleier ruht über allem, das im Zusammenhange mit Lucifer steht. Es ist, als ob alles zurückschreckt, den Zipfel dieses Schleiers zu lüften. Das Zurückschrecken ist in Wirklichkeit nur das Unvermögen, einzudringen in das Reich des Dunkels. Das Nichtkönnen aber liegt wiederum ganz einfach in der Natur der Sache, weil auch hier der Menschengeist nicht so weit einzudringen vermag, sondern ihm in seiner Beschaffenheit eine Grenze gesetzt ist. Ebensowenig wie er bis zur höchsten Höhe gehen kann, so vermag er auch nicht bis zur tiefsten Tiefe zu dringen, wird es auch nie vermögen.
So schuf die Phantasie Ersatz für das Fehlende, Wesen in mancherlei Gestalt. Man spricht vom Teufel in den abenteuerlichsten Formen, von dem gefallenen und ausgestoßenen Erzengel, von der Verkörperung des bösen Prinzips, und was sonst noch mehr ist. Von dem eigentlichen Wesen Lucifers versteht man nichts, trotzdem der Menschengeist von ihm getroffen und dadurch oft mitten hineingewirbelt wird in einen gewaltigen Zwiespalt, den man mit Kampf bezeichnen kann.
Diejenigen, die von einem gefallenen Erzengel sprechen, und auch die, die von der Verkörperung des bösen Prinzips reden,kommen der Tatsache am nächsten. Nur ist auch hierbei eine falsche Einstellung, die allem ein unrichtiges Bild verleiht. Eine Verkörperung des bösen Prinzips läßt den höchsten Gipfel, das Endziel, das Lebendiger-Körper-Gewordene alles Bösen denken, also die Krönung, den vollkommenen Schluß.
Lucifer aber ist umgekehrt der Ursprung des falschen Prinzips, der Ausgangspunkt und die treibende Kraft. Man sollte es auch nicht das böse Prinzip nennen, das er bewirkt, sondern das falsche Prinzip. Falsch als den Begriff unrichtig genommen, nicht unrecht. Das Wirkungsgebiet dieses unrichtigen Prinzips ist die stoffliche Schöpfung. In der Stofflichkeit allein treffen die Wirkungen des Lichten und die Wirkungen des Dunkeln,
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also die beiden entgegengesetzten Prinzipien zusammen, und wirken darin dauernd auf die Menschenseele ein, während diese die Stofflichkeit zu ihrer Entwicklung durchläuft. Welchem sich nun die Menschenseele nach eigenem Wunsche mehr hingibt, ist ausschlaggebend für ihr Emporsteigen zum Licht oder Abwärtsstreben zum Dunkel.
Die Kluft ist gewaltig, die zwischen dem Licht und dem Dunkel liegt. Sie wird ausgefüllt von dem Schöpfungswerke der Stofflichkeit, die der Vergänglichkeit der Formen, also der Zersetzung der jeweiligen bestehenden Formen und Wiederneubildung unterworfen ist.
Da ein Kreislauf nach den Gesetzen, die der Wille Gottvaters in die Schöpfung legt, nur dann als vollendet und erfüllt gelten kann, wenn er an seinem Ende zu dem Ursprung zurückkehrt, so kann auch der Lauf eines Menschengeistes nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn er in das Geistig-Wesenhafte zurückkehrt, das dem Urlichte am nächsten steht, weil sein Samenkorn von diesem Geistig-Wesenhaften ausgegangen ist. Läßt er sich abtreiben, dem Dunkel zu, so läuft er Gefahr, über den äußersten Kreis seines normalen Laufes nach der Tiefe zu hinausgezogen zu werden und sich dann nicht mehr zurück-zufinden zum Aufstiege. Er vermag aber auch nicht, aus dem dichtesten und tiefsten feinstofflichen Dunkel mich tiefer über dessen äußerste Grenze hinauszutreten aus der Stofflichkeit, wie er es nach oben zu in das Reich des Geistig-Wesenhaften tun könnte, weil dies sein Ausgangspunkt ist, und wird deshalb in dem gewaltigen Kreislaufe der stofflichen Schöpfung dauernd mit fortgezogen, bis zuletzt mit in die Zersetzung hinein, weil ihn sein feinstofflich-dunkles, deshalb dichtes und schweres Gewand, oder auch jenseitiger Körper genannt, niederhält. Die Zersetzung löst dann seine in dem Laufe durch die Schöpfung gewonnene geistige Persönlichkeit als solche mit auf, so daß er den geistigen Tod erleidet und in geistigen Ursamen zerstäubt wird.
Lucifer selbst steht außerhalb der stofflichen Schöpfung, wird also nicht mit in die Zersetzung hineingerissen, wie es
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den Opfern seines Prinzips ergeht; denn Lucifer ist ewig. Er stammt aus einem Teile des Göttlich-Wesenhaften. Der Zwiespalt setzte nach dem Beginn der Entstehung alles Stofflichen ein. Ausgesandt, das Geistig-Wesenhafte in dem Stofflichen zu stützen und in der Entwicklung zu fördern, erfüllte er diesen seinen Auftrag nicht im Sinne des schöpferischen Willens Gottvaters, sondern er wählte andere als die ihm durch diesen Schöpfungswillen vorgezeichneten Wege, aus einem Besserwissenwollen heraus, das ihm bei seinem Wirken in der Stofflichkeit kam.
Die ihm gegebene Kraft mißbrauchend, führte er das Prinzip der Versuchungen ein, an Stelle des Prinzips stützender Hilfe, die gleichbedeutend mit dienender Liebe ist. Dienende Liebe im göttlichen Sinne gemeint, die nichts gemein hat mit sklavischem Dienen, sondern lediglich den geistigen Aufstieg und somit des Nächsten ewiges Glück ins Auge faßt und dementsprechend handelt.
Das Prinzip der Versuchung aber ist gleichbedeutend mit dem Legen von Fallstricken, durch die nicht genügend in sich gefestigte Kreaturen schnell straucheln, stürzen und verloren gehen, während andere wieder allerdings dabei erstarken in Wachsamkeit und Kraft, um dann machtvoll emporzublühen zu geistigen Höhen. Alles Schwächliche ist aber von vornherein der Vernichtung rettungslos preisgegeben. Das Prinzip kennt keine Güte, kein Erbarmen; es ermangelt der Liebe Gottvaters, damit aber auch der gewaltigsten Auftriebkraft und der stärksten Stütze, die es gibt.
Die in der Bibel geschilderte Versuchung im Paradiese zeigt die Wirkung von dem Einsetzen des Lucifer-Prinzips, indem sie bildlich darstellt, wie es durch Versuchung die Stärke oder Standhaftigkeit des Menschenpaares zu prüfen sucht, um dieses bei dem geringsten Schwanken sofort erbarmungslos in den Weg der Vernichtung zu stoßen.
Standhaftigkeit würde gleichbedeutend gewesen sein mit freudiger Einstellung in den göttlichen Willen, der in den ein-fachen Natur oder Schöpfungsgesetzen liegt. Und dieser Wille,
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das göttliche Gebot, war dein Menschenpaare gut bekannt. Nichtwankendwerden wäre gleichzeitig eine Anerkennung und Befolgung dieser Gesetze gewesen, wodurch der Mensch sich diese erst richtig und unbeschränkt nutzbar machen kann und so zum eigentlichen „Herrn der Schöpfung“ wird, weil er „mit ihnen geht“. Alle Kräfte werden ihm dann dienstbar, wenn er sich nicht entgegenstellt, und arbeiten selbsttätig zu seinen Gunsten. Darin liegt dann die Erfüllung der Gebote des Schöpfers, die weiter nichts wollen, als die ungetrübte und ungehemmte Aufrechterhaltung und Pflege aller Entwicklungsmöglichkeiten, die in seinem herrlichen Werke liegen. Diese einfache Beachtung ist weitergreifend wieder ein bewußtes Mitwirken an der gesunden Fortentwicklung der Schöpfung oder der stofflichen Welt.
Wer das nicht tut, ist ein Hemmnis, das sich entweder in rechte Form schleifen lassen muß oder zwischen dem Räderwerk des Weltgetriebes, also den Schöpfungsgesetzen, der Zermalmung anheim fällt. Wer sich nicht biegen will, muß brechen, da kein Stocken entstehen kann.
Lucifer will nicht in Güte das allmähliche Reifen und Erstarken abwarten, will nicht, wie er sollte, ein liebender Gärtner sein, der die ihm anvertrauten Pflanzen hütet, stützt und pflegt, sondern mit ihm wurde buchstäblich „der Bock zum Gärtner“. Er geht auf die Vernichtung alles Schwachen aus und arbeitet in dieser Weise schonungslos.
Dabei verachtet er die Opfer, die seinen Versuchungen und Fallstricken erliegen, und will, daß sie in ihrer Schwäche zugrunde gehen sollen.
Er hat auch Ekel vor der Niedrigkeit und der Gemeinheit, die diese gefallenen Opfer in die Auswirkungen seines Prinzips legen; denn nur die Menschen machen diese zu der ekelhaften Verworfenheit, in der sie sich präsentieren, und damit fachen sie Lucifer nur um so mehr dazu an, in ihnen Geschöpfe zu sehen, welche lediglich Vernichtung verdienen, nicht Liebe und Pflege.
Und zur Durchführung dieser Vernichtung trägt nicht wenig
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das sich dem Prinzip der Versuchung als natürliche Folge anschließende Prinzip des Sichauslebens bei. Das Sichausleben vollzieht sich in den niederen Regionen des Dunkels, wird aber bei sogenannter Psycho-Analyse von verschiedenen Ausüben-den bereits irdisch aufgenommen in der Annahme, daß auch auf Erden das Sichausleben reift und befreit.
Doch welches entsetzliche Elend muß die Ausübung dieses Prinzips auf Erden herbeiführen! Welches Unheil muß sie anrichten, weil auf der Erde nicht wie in den Regionen des Dunkels nur Gleichartiges beisammen ist, sondern noch Dunkleres wie Helleres neben- und miteinander lebt. Man denke dabei nur an das Sexualleben und ähnliches. Wenn ein solches Prinzip in der Praxis auf die Menschheit losgelassen wird, muß es am Ende nur ein Sodom und Gomorra geben, aus dem es kein; Hinausgleiten gibt, sondern wo nur Schrecken größter Art ein Ende bringen kann.
Ganz abgesehen aber davon sieht man heute schon zahlreiche Opfer ähnlicher Therapie haltlos umherirren, deren geringes Selbstbewußtsein, überhaupt alles persönliche Denken, noch ganz zerpflückt und vernichtet wurde dort, wo sie vertrauensvoll Hilfe erwartet hatten. Sie stehen da wie Menschen, denen systematisch alle Kleider vom Körper gerissen wurden, damit sie dann gezwungen sind, die ihnen gereichten neuen Kleider anzulegen. Die also Entblößten vermögen jedoch in den meisten Fällen leider nicht mehr einzusehen, warum sie noch neue Kleider anlegen sollen. Durch das planmäßige Eindringen in ihre persönlichsten Dinge und Rechte verloren sie mit der Zeit auch die das persönliche Selbstbewußtsein erhaltende Schamempfindung, ohne die es nichts Persönliches geben kann, die einen Teil des Persönlichen selbst ausmacht.
Auf so zerwühltem Boden läßt sich dann kein neuer, fester Bau errichten. Unselbständig bleiben diese Menschen mit wenigen Ausnahmen, was sich bis zu zeitweiser Hilflosigkeit steigert, da ihnen auch, der wenige Halt genommen wurde, den sie vorher noch hatten.
Die beiden Prinzipien des Sichauslebens und der Versuchung
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sind so eng zusammen verbunden, daß dem Sichausleben unbedingt die Versuchung vorausgesetzt werden muß. Es ist also die regelrechte Befolgung und Verbreitung des Lucifer-Prinzips.
Für den wahren Seelenarzt ist kein Niederreißen nötig. Dieser heilt zuerst und baut dann weiter auf. Das wahre Prinzip gibt Umstellung falschen Verlangens durch geistige Erkenntnis!
Die Anwendung dieses liebelosen Prinzips aber mußte Lucifer selbstverständlich aus der Natur der Sache heraus immer mehr von dem liebenden Willen des allmächtigen Schöpfers
trennen, was die eigene Abschneidung oder Ausstoßung aus dem Lichte brachte und damit den immer tieferen Sturz Lucifers. Ein Sich-selbst-vom-Licht-getrennt-habender ist Lucifer,
was gleichbedeutend ist mit einem Ausgestoßenen.
Die Abstoßung mußte ebenfalls nach den bestehenden Urgesetzen, dem unumstößlichen, heiligen Willen Gottvaters erfolgen, weil ein anderes Geschehen nicht möglich ist.
Da nun allein der Wille Gottvaters, des Schöpfers aller Dinge, allmächtig ist, der auch in der stofflichen Schöpfung und deren Entwicklung festwurzelt, vermag Lucifer wohl sein Prinzip in die Stofflichkeit hineinzusenden, die Auswirkungen aber wer-den sich immer nur in den von Gottvater festgelegten Urge-setzen bewegen können, und müssen sich in deren Richtung formen.
So kann Lucifer durch die Verfolgung seines unrichtigen Prinzips wohl einen Anstoß geben zu für die Menschheit gefährlichen Wegen, er vermag aber nicht, die Menschen zu irgend etwas gewaltsam zu zwingen, sobald sich diese nicht selbst freiwillig dazu entschließen.
Lucifer kann tatsächlich nur locken. Der Mensch als solcher steht aber fester als er in der stofflichen Schöpfung, demnach auch viel sicherer und kraftvoller, als ihn der Einfluß Lucifers je treffen kann. Ein jeder Mensch ist dadurch so geschützt, daß es eine zehnfache Schmach für ihn ist, wenn er sich von dieser im Vergleich zu ihm schwächeren Kraft locken läßt. Er soll bedenken, daß Lucifer selbst außerhalb der Stofflichkeit steht,

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während er mit festen Füßen in ihm voll vertrautem Grund und Boden wurzelt. Lucifer ist gezwungen, zu seinen Prinzips-Anwendungen nur seine Hilfstruppen zu benutzen, die sich aus in den Versuchungen gefallenen Menschengeistern zusammenstellen.
Diesen aber ist wiederum jeder nach oben strebende Menschengeist nicht nur vollkommen gewachsen, sondern an Stärkeweit überlegen. Ein einziger ernster Willensakt genügt, um ein Heer davon spurlos verschwinden zu lassen. Vorausgesetzt, daß diese mit ihren Lockungen keinerlei Widerhall oder Anklang finden, an den sie sich klammern können.
Lucifer würde überhaupt machtlos sein, wenn die Menschheit sich bemühte, die von dem Schöpfer eingelegten Urgesetze zu erkennen und zu befolgen. Die Menschen stützen aber leider sein Prinzip durch ihre jetzige Art immer mehr und werden deshalb auch zum größten Teile untergehen müssen.
Es ist unmöglich, daß irgendein Menschengeist mit Lucifer selbst einen Kampf ausfechten kann, aus dem einfachen Grunde, weil er nicht bis zu diesem vorzudringen vermag, infolge der verschiedenen Wesensart Der Menschengeist kann immer nur mit den durch das falsche Prinzip Gefallenen in Berührung kommen, die im Grunde seine Wesensart haben.
Der Ursprung Lucifers bedingt, daß ihm nur der persönlich nahen und entgegentreten kann, der aus dem gleichen Ursprung ist; denn nur. ein solcher vermag bis zu ihm vorzudringen. Es muß ein Gottgesandter sein, kommend und erfüllt vorn Göttlich-Wesenlosen, gewappnet mit dem heiligen Ernste seiner Mission, und vertrauend auf den Ursprung aller Kraft, auf Gottvater selbst.
Diese Aufgabe ist dem angekündigten Menschensohne zugeteilt.
Persönlich ist der Kampf, von Angesicht zu Angesicht, nicht nur symbolisch in der Allgemeinheit, wie es viele Forscher aus Verheißungen entnehmen wollen. Es ist die Erfüllung der Verheißung im Parsifal. Den „Heiligen Speer“, die Macht hatte Lucifer falsch angewendet, und dem Geistig-Wesenhaften da-
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mit in der Menschheit als dessen Funken und Ausläufer durch sein Prinzip eine schmerzende Wunde geschlagen. Er wird ihm in dem Kampfe genommen. Dann in der „richtigen Hand“ also bei Durchführung des echten Gralsprinzips der reinen strengen Liebe, heilt er die vorher durch ihn in unrechter Hand, also falscher Anwendung, geschlagene Wunde.
Durch das Lucifer-Prinzip, also durch die falsche Anwendung göttlicher Macht, gleichbedeutend mit dem „Heiligen Speer“ in unrechter Hand, wird dem Geistig-Wesenhaften eine Wunde geschlagen, die sich nicht schließen kann! Das ist mit diesem Gedanken in der Legende in treffender Form bildhaft wiedergegeben; denn der Vorgang gleicht wirklich einer offenen, sich nicht schließenden Wunde.
Man überlege, daß die Menschengeister als unbewußte Geistsamenkörner oder Funken aus dem niedersten Rande des Geistig-Wesenhaften in die Schöpfung der Stofflichkeit abfließen oder überspringen, in der Erwartung, daß diese ausfließenden Teile nach ihrem Laufe durch die Stofflichkeit zum persönlichen Bewußtsein erwacht und entwickelt wieder in Vollendung des Kreislaufes in das Geistig-Wesenhafte zurückkehren. Ähnlich dem Kreislaufe des Blutes in dem grobstofflichen Körper! Das Lucifer-Prinzip jedoch lenkt nun einen großen Teil dieses geistigen Kreislaufstromes ab, wodurch viel des Geistig-Wesenhaften verloren geht. Dadurch kann der notwendige Kreislauf nicht geschlossen werden, und es wirkt sich aus wie das dauernde schwächende Abfließen einer offenen Wunde.
Kommt aber nun der „Heilige Speer“, also die göttliche Macht, in die richtige Hand, die in dem Willen des Schöpfers steht und dem durch die Stofflichkeit als belebenden Faktor wandernden Geistig-Wesenhaften den rechten Weg weist, der es aufwärts führt zu seinem Ausgangspunkte, in das lichte Reich Gottvaters, so geht es nicht mehr verloren, sondern fließt damit zurück in seinen Ursprung wie das Blut zum Herzen, wodurch die im Geistig-Wesenhaften bisher schwächend abfließende Wunde geschlossen wird. Somit kann die Heilung nur durch den gleichen Speer erfolgen, der diese Wunde schlug.
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Dazu muß aber vorher der Speer Lucifer entwunden und in die richtige Hand kommen, was sich in dem persönlichen Kampfe des Menschensohnes mit Lucifer vollzieht!
Die sich dann noch anschließenden, in das Stoffliche und Grobstoffliche hineinziehenden Kämpfe sind nur Nachwirkungen dieses einen großen Kampfes, der die verheißene Fesselung Lucifers bringen muß, die den Beginn des tausendjährigen Reiches kündet. Sie bedeuten die Ausrottung der Folgen des Lucifer-Prinzips.
Dieses richtet sich gegen das Walten göttlicher Liebe, deren Segnungen den Menschen in ihrem Laufe durch die Stofflichkeit zu teil werden. Würde nun die Menschheit einfach dieser göttlichen Liebe nachstreben, so wäre sie sofort vollkommen gefeit vor jeglichen Versuchungen Lucifers, und er würde aller seiner Schrecken entkleidet sein, die der Menschengeist um ihn webt.
Der bunten Phantasie der Menschenhirne sind auch die ungeheuerlichen, häßlichen Gestalten entsprungen, die man irrtümlich Lucifer zu geben sich bemüht In Wirklichkeit vermochte ihn auch aus dem einfachen Grunde der verschiedenen Wesensart heraus noch keines Menschen Auge zu erschauen, auch nicht das geistige Auge, das die Feinstofflichkeit des Jenseits oft schon während des Erdenlebens zu erkennen fähig ist.
Lucifer ist im Gegenteil zu allen Anschauungen stolz und schön zu nennen, überirdisch schön, von düsterer Majestät mit klaren, großen, blauen Augen, die aber von dem eisigen Ausdrucke fehlender Liebe zeugen. Er ist nicht nur ein Begriff, wie man ihn gewöhnlich nach vergeblichen anderen Deutungen hinzustellen versucht, sondern er ist persönlich.
Die Menschheit soll begreifen lernen, daß auch ihr durch ihre eigene Wesenheit eine Grenze gesetzt ist, die sie niemals überschreiten kann, natürlich auch im Denken nicht, und daß von jenseits dieser Grenze Botschaften nur auf dem Gnadenwege kommen können. Doch nicht durch Medien , die ihre Wesenheit auch nicht durch unirdische Zustände verändern können, ebensowenig durch die Wissenschaft. Gerade diese hat ja
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durch Chemie Gelegenheit zu finden, daß Verschiedenheit der Art unüberwindliche Grenzen bilden kann. Diese Gesetze aber gehen von dem Ursprunge aus, sind nicht nur in dem Werk der Schöpfung erst zu finden.
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Die Regionen des Dunkels und die Verdammnis

Wenn man Bilder sieht, die das Leben in der sogenannten Hölle wiedergeben sollen, so geht man achselzuckend darüber hinweg mit halb ironischem, halb mitleidsvollem Lächeln, und dem Gedanken, daß nur eine angekränkelte Phantasie oder eine fanatische Blindgläubigkeit Szenen solcher Art erdenken können. Selten wird es jemand geben, der auch nur das kleinste Wahrheitskörnchen darin sucht. Und doch kann wohl die grauenvollste Phantasie kaum annähernd ein Bild zusammenstellen, das den Qualen des Lebens in den dunklen Regionen dem Ausdrucke nach nahekommt. Arme Verblendete, die wähnen, mit einem spöttischen Achselzucken leichtsinnig darüber hinweggehen zu können! Der Augenblick kommt, wo Leichtsinn sich bitter rächt mit dem erschütternden Eintreten der Wahrheit. Da hilft kein Sträuben, kein Sichabwenden, sie werden hineingezogen in den Strudel, der ihrer wartet, wenn sie nicht rechtzeitig diese Überzeugung eines Nichtwissens abwerfen, die immer nur die Hohlheit und die Beschränktheit eines solchen Menschen kennzeichnet.

Kaum ist die Loslösung des feinstofflichen Körpers von dem grobstofflichen Körper erfolgt*), so finden sie schon die erste große Überraschung in dem Erlebnis, daß das bewußte Sein und Leben damit noch nicht beendet ist. Die erste Folge ist Verwirrung, dem sich ungeahnte Bangigkeit anschließt, die oft in dumpfe Ergebung oder angstvollste Verzweiflung übergeht! Vergebens ist dann das Sichsträuben, vergebens alles Klagen, vergebens aber auch das Bitten; denn sie müssen ernten, was sie in dem Erdenleben säeten.

Verlachten sie das Wort, das ihnen von Gott gebracht wurde, welches auf das Leben nach dem irdischen Tode und die damit verbundene Verantwortung eines jeden intensiven Denkens
*) Vortrag: „Der Tod“
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und Handelns hinweist, so ist das mindeste, was sie erwartet, das, was sie wollten: tiefe Dunkelheit! Ihre feinstofflichen Augen, Ohren und Münder sind verschlossen durch das eigene Wollen. Sie sind taub, blind und stumm in ihrer neuen Umgebung. Das ist das Günstigste, was ihnen geschehen kann. Ein jenseitiger Führer und Helfer kann sich ihnen nicht verständlich machen, weil sie sich selbst davor verschlossen halten. Ein trauriger Zustand, dem nur das langsame innere Reifen des Betreffenden selbst, das durch die sich steigernde Verzweiflung führt, eine allmähliche Änderung bringen kann. Mit der wachsenden Sehnsucht nach Licht, die wie ein ununterbrochener Hilferuf aus solchen gedrückten und gequälten Seelen steigt, wird es dann endlich nach und nach heller um ihn, bis er auch andere sehen lernt, die gleich ihm der Hilfe bedürfen. Hat er nun das Bestreben, diese noch in tieferer Finsternis Harrenden zu unterstützen, damit es auch bei denen heller werden kann, so erstarkt er in dieser Tätigkeit des Versuches zum Helfen durch die dazu erforderliche Anstrengung immer mehr, bis ein anderer zu ihm treten kann, der schon weiter vorgeschritten ist, um auch ihm weiter zu helfen, den lichteren Regionen entgegen.

So hocken sie trübselig herum, da ihre feinstofflichen Körper durch das Nichtwollen auch zu kraftlos sind, zu gehen Ein mühseliges, unsicheres Am-Boden-kriechen bleibt es daher, wenn es einmal zu einer Bewegung kommt. Andere wieder tappen wohl in diesem Dunkel herum, straucheln, stürzen, raffen sich immer wieder auf, um bald hier, bald da anzuecken, wobei schmerzende Wunden nicht ausbleiben; denn da eine Menschenseele immer nur durch die Art ihrer eigenen Dunkelheit, die Hand in Hand geht mit der mehr oder weniger starken Dichtheit, die wiederum ein entsprechendes Schwergewicht nach sich zieht, in die Region sinkt, die ihrer feinstofflichen Schwerkraft genau entspricht, also von gleicher Art der Feinstofflichkeit ist, so wird ihre neue Umgebung für sie ebenso greifbar, fühlbar und undurchdringlich , wie es einem grobstofflichen Körper in grobstofflicher Umgebung ergeht. Jeden Stoß, jeden
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Sturz, oder jede Verletzung fühlt sie deshalb dort schmerzlich, als es ihr grobstofflicher Körper während der Erdenlaufbahn auf der grobstofflichen Erde empfand.

So ist es in jeder Region, gleichviel welcher Tiefe oder Höhe sie angehört. Gleiche Stofflichkeit, gleiche Fühlbarkeit, gleiche gegenseitige Undurchdringlichkeit. Jede höhere Region jedoch der jede andere Stoffart kann durch die niedere, dichtere Stoffart ungehindert hindurch, wie jedes Feinstoffliche durch das anders geartete Grobstoffliche.

Anders nun mit solchen Seelen, die außerdem irgendein begangenes Unrecht abzulösen haben. Die Tatsache selbst ist eine Sache für sich. Sie kann gelöst werden in dem Augenblicke wo der Täter von dem betroffenen Teile volle, ehrlich gemeinte Verzeihung erlangt. Was eine Menschenseele aber schwerer bindet, das ist der Drang, oder der Hang, der die Triebfeder zu einer Tat oder mehreren Taten bildet. Dieser Hang lebt in der Menschenseele fort, auch nach dem Hinübergehen, nach der Loslösung vom grobstofflichen Körper. Er wird sogar im feinstofflichen Körper sofort noch stärker zur Geltung kommen, sobald die Einengung alles Grobstofflichen wegfällt, da dann die Empfindungen viel lebendiger und rückhaltloser wirken. Ein derartiger Hang ist es auch wiederum, der maßgebend für die Dichtheit und also Schwere des feinstofflichen Körpers wird. Das hat zur Folge, daß der feinstoffliche Körper nach Freiwerdung vom grobstofflichen Körper sofort in die Region sinkt, die genau seiner Schwere und demnach gleichen Dichtheit entspricht. Dort wird er demnach auch alle finden, die dem gleichen Hange huldigen. Durch deren Ausstrahlungen wird der seine noch genährt, gesteigert, und er wird dann in Ausübung dieses Hanges förmlich rasen. Ebenso natürlich auch die anderen mit ihm dort Befindlichen. Daß derartige, hemmungslose Auslobungen für die Umgebung eine Qual sein müssen, ist nicht schwer verständlich. Da dies aber in solchen Regionen immer nur auf Gegenseitigkeit beruht, so wird jeder einzelne unter den anderen bitter zu leiden haben, alles das, was er wiederum den anderen selbst dauernd zuzufügen sucht. So wird
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das Leben dort zur Hölle, bis eine derartige Menschenseele nach und nach ermattet und Ekel davor empfindet. Dann wird nach langer Dauer endlich allmählich der Wunsch erwachen, herauszukommen aus solcher Art. Der Wunsch und Ekel ist Beginn der Besserung. Er wird sich bis zum Hilfeschrei und zuletzt zum Gebet verstärken. Erst dann kann ihm die Hand zum Aufstiege geboten werden, was oft Jahrzehnte und Jahrhunderte, manchmal auch noch länger auf sich warten läßt. Der Hang in einer Menschenseele ist also das schwerer Bindende.

Daraus geht hervor, daß eine unbedachte Tat viel leichter und viel schneller abzulösen ist, als ein in einem Menschen ruhender Hang, gleichviel, ob dieser zu einer Tat geworden ist oder nicht!

Ein Mensch, der einen unsauberen Hang in sich trägt, ohne diesen je zu einer Tat werden zu lassen, weil ihm die irdischen Verhältnisse günstig sind, wird deshalb schwerer büßen müssen als ein Mensch, der unbedachter Weise durch irgendeine oder mehrere Taten gefehlt hat, ohne böse Absicht dabei gehabt zu haben. Die unbedachte Tat kann letzterem sofort verziehen sein, ohne übles Karma zu entwickeln, der Hang aber erst dann, wenn er vollkommen in dem Menschen ausgelöscht wurde. Und deren gibt es viele Arten. Sei es nun Habsucht und der ihr verwandte Geiz, sei es schmutzige Sinnlichkeit, Drang zu Diebstahl oder Mord, Brandstiftung oder auch nur zu Übervorteilung und zu leichtsinnigen Nachlässigkeiten, gleichviel, ein derartiger Hang wird den Betreffenden immer dorthin sinken lassen oder ziehen, wo seinesgleichen ist. Lebensbilder davon wiederzugeben, hat keinen Zweck. Sie sind oft so fürchterlicher Art, daß ein Menschengeist auf Erden kaum an derartige Wirklichkeiten glauben kann, ohne sie zu sehen Und auch dann würde er noch denken, es müßten nur Gebilde grenzenlos erhitzter Fieberphantasien sein. So mag er sich begnügen, sittliche Scheu vor allem derartigen zu empfinden, die ihn frei macht von den Banden alles Niederen, damit dem Aufstiege zum Lichte keine Hemmung mehr im Wege steht.

So sind die dunklen Regionen als Auswirkungen des Prin-
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zips, das Lucifer einzuführen sucht. Der ewige Kreislauf der Schöpfung rollt und kommt an den Punkt, an dem die Zersetzung beginnt, in der alles Stoffliche die Form verliert, um in. Ursamen zu verfallen, und damit im Weiterrollen neue Mischung, neue Formen bringt mit frischer Kraft und jungfräulichem Boden. Was sich bis dahin aus dem Grob- und Feinstofflichen noch nicht lösen konnte, um über die höchste, feinste und leichteste Grenze, alles Stoffliche zurücklassend, in das Geistig-Wesenhafte einzutreten, das wird unweigerlich in die Zersetzung mit hineingezogen, wodurch auch seine Form und das Persönliche an ihm vernichtet wird. Das ist dann erst die ewige Verdammnis, das Auslöschen alles bewußt Persönlichen!
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Die Regionen des Lichtes und das Paradies

Strahlendes Licht! Blendende Reinheit! Beseligende Leichtigkeit! Das alles spricht von selbst schon so viel, daß kaum noch Einzelheiten zu erwähnen nötig sind. Je weniger der feinstoffliche Körper, also der Mantel des menschlichen Geistes im Jenseits, mit irgendeinem Hange nach Niederem, mit irgendeinem Begehren nach grobstofflichen Dingen und Genüssen belastet ist, desto weniger zieht es ihn darnach, desto weniger dicht und dadurch auch desto weniger schwer wird sein feinstofflicher Körper sein, der sich seinem Wollen entsprechend bildet, und desto schneller wird er durch seine Leichtigkeit emporgehoben werden in die lichteren, der geringeren Dichtheit seines feinstofflichen Körpers entsprechenden Regionen.

Je undichter, also lockerer und feiner dieser feinstoffliche Körper durch seine Abgeklärtheit von niederen Begierden wird, desto heller und lichter muß er auch erscheinen, da dann der Kern des Geistig-Wesenhaften in der Menschenseele, der an sich durch seine Beschaffenheit strahlend ist, immer mehr von innen heraus den undichter werdenden feinstofflichen Körper durchscheint, während in den unteren Regionen dieser an sich strahlende Kern durch die größere Dichtheit und Schwere des feinstofflichen Körpers verhüllt und verdunkelt bleibt.

Auch in den Regionen des Lichtes wird eine jede Menschenseele je nach Beschaffenheit ihres feinstofflichen Körpers die Gleichart finden, also Gleichgesinnte. Da nur das wirklich Edle, das Gutwollende, nach oben zu streben fähig ist, frei von niederen Begierden, so wird er als seine Gleichart auch nur Edles antreffen. Daß der Bewohner einer solchen Region keine Qualen zu erleiden hat, sondern nur den Segen des von ihm gleichartig ausströmenden Edlen genießt, sich darin beseligt fühlt und wiederum selbst auch Freude in den anderen seinem eigenen Tun gegenüber erweckt und mitempfindet, ist ebenfalls leicht verständlich. Er kann sagen, daß er in den Gefilden
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der Seligen, sich also Beseligtfühlenden, wandelt. Angespornt davon, wird seine Freude an dein Reinen und Hohen immer stärker werden und ihn weiter und weiter emporheben. Sein feinstofflicher Körper wird durchdrungen von diesem Empfinden, feiner und immer weniger dicht werden, so daß das Leuchten des geistig-wesenhaften Kernes immer strahlender durchbricht, und zuletzt auch die letzten Stäubchen dieses feinstofflichen Körpers wie in Flammen aufgehend abfallen, wodurch dann der somit vollendete und bewußte, persönlich gewordene Menschengeist in vollkommen reingeistig-wesenhafter Art die Grenze in das Geistig-Wesenhafte überschreiten kann. Erst damit tritt er in das ewige Reich Gottvaters, in das unvergängliche Paradies.

So wenig ein Maler in einem Bilde die Qualen des wirklichen Lebens der dunklen Regionen wiedergeben könnte, ebenso-wenig vermag er das Entzücken zu schildern, das in dem Leben der Regionen des Lichtes liegt, auch wenn die Regionen noch zu dem vergänglichen Feinstofflichen gehören, und die Grenze zu dem ewigen Reiche Gottvaters noch nicht überschritten ist.

Jede Schilderung und jeder Versuch, das Leben bildhaft wiederzugeben, würde unbedingt eine Verkleinerung bedeuten, die der Menschenseele deshalb statt Nutzen nur Schaden bringen müßte.
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Weltgeschehen

Es gibt keine größere Gefahr für eine Sache, als eine Lücke zu lassen, deren Füllungsnotwendigkeit vielfach empfunden wird. Es hilft dann nichts, darüber hinweggehen zu wollen; denn eine derartige Lücke hindert jeden Fortschritt, und wird, sobald darüber ein Bau errichtet ist, diesen eines Tages zusammenbrechen lassen, auch wenn er mit größter Kunstfertigkeit und mit wirklich gutem Material ausgeführt ist.
So zeigen sich heute die verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften. Sie verschließen mit zäher Energie Auge und Ohr an manchen Stellen ihrer Lehren, die eine Unlogik fühlen lassen. Mit leeren Worten suchen sie darüber hinwegzuschreiten, anstatt wirklich einmal ernsthaft in sich zu gehen. Wohl empfinden sie die Gefahr, daß die durch eine Lehre blinden Glaubens provisorisch gelegten Brücken über derartige Klüfte eines Tages nicht mehr zureichend sein können, und sie fürchten den Augenblick, der diesen leichten Bau durch Erleuchtung erkennen lassen muß. Auch wissen sie, daß dann niemand mehr zu bewegen sein wird, einen so trügerischen Weg zu betreten, wodurch natürlich der dann wieder folgende solide Weiterbau und Weg ebenfalls leer bleiben muß. Ebenso ist ihnen bekannt, daß ein einziger Luftstrom frischer Wahrheit solche künstlichen Gebilde hinwegfegen muß. Doch in Ermangelung eines Besseren suchen sie trotz aller Gefahren die schwankende Planke festzuhalten. Sie sind sogar viel eher bereit, sie mit allen Mitteln zu verteidigen und den zu vernichten, der es wagen würde, in der Wahrheit selbst einen festeren Übergang zu bringen. Ohne Zögern würden sie denselben Vorgang zu wiederholen versuchen, der vor nahezu zweitausend Jahren sich auf dieser Erde abspielte, der seinen Schatten noch bis auf den heutigen Tag wirft, und den sie doch selbst als große Anklage gegen die Verblendung und verderbliche Starr-
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köpfigkeit der Menschheit zum Brennpunkte ihrer Lehren und ihres Glauben machten. Es waren die Träger der Religionen und die damaligen Gelehrten, die in ihrer dogmatischen Einengung und ihrem Schwäche verratenden Dünkel die Wahrheit und den Gottessohn nicht zu erkennen vermochten, sich auch davor verschlossen und ihn und seine Anhänger aus Furcht und Neid heraus haßten und verfolgten, während die anderen Menschen sich leichter der Erkenntnis öffneten und die Wahrheit des Wortes schneller empfanden. Trotzdem nun die heutigen Träger der christlichen Religionsgemeinschaften den Leidensweg des Gottessohnes besonders betonen, so haben sie doch an dieser Tatsache selbst nichts gelernt und keinen Nutzen daraus gezogen. Gerade die heutigen Führer dieser auf Christi Lehren gegründeten Gemeinschaften, wie auch diejenigen der neueren Bewegungen würden auch heute wieder jeden unschädlich zu machen versuchen, der die schwankenden Übergänge über bedenkliche Lücken oder Klüfte in ihren Belehrungen und Auslegungen durch die Wahrheit selbst gefährden könnte. Sie würden ihn mit ihrem Haß verfolgen, der aus Angst geboren ist, und noch vielmehr aus Eitelkeit heraus, genau wie es schon einmal war.
Die Größe würde ihnen fehlen zu ertragen, daß ihr Wissen nicht ausreichte, die Wahrheit selbst zu erkennen und die Lücken auszufüllen, um damit den Menschen zum leichteren Verstehen und vollem Erfassen den Weg zu ebnen.
Und doch ist der Menschheit nur durch volles Erfassen ein Aufstieg möglich, niemals durch blinden, unwissenden Glauben!
Eine solche Lücke durch falsche Überlieferung ist der Begriff der „Menschensohnes“. Krankhaft wird daran festgehalten, ähnlich den Pharisäern, die sich der ihren herkömmlichen starren Lehren gegenüberstellenden Wahrheit durch den Gottessohn nicht erschließen wollten. Christus hat von sich nur als Gottessohn gesprochen. Die Unlogik, sich gleichzeitig Menschensohn zu nennen, lag ihm fern. Mag man den eigenen Zweifeln heraus mit größter Kunstfertigkeit und Ge-
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wandtheit nach allen Richtungen hin versucht haben, diesen offensichtlichen und von jedem ruhig denkenden Menschen empfundenen Widerspruch zwischen Gottessohn und Menschensohn zu erklären, so kann doch trotz aller Mühen nicht behauptet werden, daß eine Vereinigung gefunden wurde. Die günstigste aller Deutungen mußte immer und immer wieder eine Doppelnatur zeigen, die nebeneinander stehen blieb, niemals aber als eins erscheinen konnte.
Das liegt auch ganz in der Natur der Sache. Der Gottessohn kann nicht zum Menschensohne werden, nur, weil er durch eines Menschen Leib geboren werden mußte, um auf Erden wandeln zu können.
Es ist jedem Christen bekannt, daß der Gottessohn lediglich in geistiger Mission kam, und dass alle seine Worte das geistige Reich betrafen, also geistig gemeint waren. Demnach darf von vornherein auch sein mehrmaliger Hinweis auf den Menschensohn nicht anders aufgefaßt werden! Warum soll nun hier eine Ausnahme sein. Geistig aber war und blieb Christus lediglich der Gottessohn! Wenn er nun von dem Menschensohne sprach, so konnte er sich nicht selbst damit meinen. Es liegt in dem allen viel Gewaltigeres, als die heutigen Auslegungen der christlichen Religionen wiedergeben. Der offene Widerspruch müßte schon lange ernster zum Nachdenken angeregt haben, wenn nicht die dogmatische Einklammerung alles verdunkelte. Statt dessen griff man ohne die für so einschneidende Dinge unbedingt ernsteste Prüfung zum krampfhaften Festhalten an dem überlieferten Worte und legte sich so Scheuklappen an, die den freien Ausblick hinderten. Natürliche Folge ist, daß solche Ausleger und Lehrer, obwohl in der Schöpfung ihres Gottes stehend, nicht einmal diese richtig zu erkennen vermögen, wodurch allein die Aussicht besteht, auch dem Schöpfer selbst, dem Ausgangspunkte des Werkes, näher zu kommen.
Christus lehrte in erster Linie volle Natürlichkeit, das heißt, sich in die Gesetze der Natur, also der Schöpfung einzufügen. Einfügen aber kann sich nur der, der die Naturgesetze kennt. Die Naturgesetze wiederum tragen den Willen des Schöpfers
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in sich, und können somit auch den Weg zur Erkenntnis des Schöpfers selbst geben. Wer nun die Naturgesetze kennt, erfährt aber auch, wie unverrückbar diese wirkend ineinandergreifen; weiß deshalb, daß dieses Wirken in seiner steten, vorwärtstreibenden Folgerichtigkeit unabänderlich ist, wie damit auch der Wille des Schöpfers, Gottvaters.
Jede Abweichung müßte eine Änderung des göttlichen Willens bedeuten. Eine Änderung aber würde auf Unvollkommenheit hinweisen. Da aber der Urquell alles Seins, Gottvater nur einheitlich und vollkommen ist, so muß auch die kleinste Abweichung innerhalb der Naturgesetze, also der Entwicklungsgesetze, einfach unmöglich und von vornherein ausgeschlossen sein. Diese Tatsache bedingt, daß auch Religionswissenschaft und Naturwissenschaft in jeder Beziehung eins sein müssen in lückenloser Klarheit und Folgerichtigkeit, wenn sie die Wahrheit wiedergeben sollen.
Daß die Naturwissenschaft heute noch eine im Verhältnis zur ganzen Schöpfung sehr niedere Grenze des Wissens hat, wird nicht geleugnet, da sie sich lediglich an das Grobstoffliche gehalten hat, weil der Verstand in heutigem Sinne nur an das an Raum und Zeit Gebundene heranzugehen vermag. Der einzige, allerdings auch unverzeihliche Fehler dabei ist nur, daß die Jünger dieser Wissenschaft alles Darüberhinausgehende spöttisch als nichtbestehend zu leugnen versuchen, mit Ausnahme weniger Gelehrten, die das Mittelmaß überschritten haben und weitschauender wurden, und die es verschmähten, Nichtwissen mit Dünkel zu überdecken.
Religionswissenschaft aber greift viel weiter, bleibt aber trotzdem ebenfalls auf die über das an Raum und Zeit Gebundene hinausgreifenden Naturgesetze angewiesen, die vorn Urquell kommend in das Irdisch-Sichtbare ohne Unterbrechung und ohne Abänderung ihrer Art hineinlaufen. Aus diesem Grunde dürfen auch Religionslehren weder Lücken noch Widersprüche bergen, wenn sie der Wahrheit, also den Naturgesetzen oder dem göttlichen Willen wirklich entspreche sollen, wenn sie also die Wahrheit bergen sollen. Freiheiten
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blinden Glaubens dürfen sich zur Führung dienende und verantwortungsreiche Lehren nicht erlauben!
Schwer lastet deshalb der Irrtum des Begriffes vom Menschensohne auf den Anhängern der wahren Christuslehren, weil sie irrtümliche Überlieferungen ruhig hinnehmen und weiterschleppen, trotzdem in vielen Menschen zeitweise gegenteiliges Empfinden leise mahnt.
Gerade die Unabänderlichkeit göttlichen Willens in seiner Vollkommenheit ist es, die ein willkürliches Eingreifen Gottes in der Schöpfung ausschließt. Sie ist es aber auch, die nach der Abspaltung Lucifers durch dessen falsches Handeln*) diesen nicht einfach auszuschalten vermag, ebenso auch einen Mißbrauch der Naturgesetze, des göttlichen Willens, durch die Menschen zulassen muß, weil dem Menschengeiste durch seine Herkunft aus dem ewigen Geistig-Wesenhaften ein freier Entschluß vorbehalten ist.**) In den Geschehnissen der fein- und grobstofflichen Schöpfung muß sich gerade die unverrückbare Vollkommenheit des Schöpferwillens als eine Art Gebundensein zeigen! Aber nur minderwertige und kleine Menschengeister können bei dieser Erkenntnis eine Beschränkung der Macht und Größe sehen. Eine derartige Auffassung würde lediglich das Produkt ihrer eigenen Beschränktheit sein.
Die Unermeßlichkeit des Ganzen verwirrt sie, weil es ihnen tatsächlich nur möglich ist, sich ein Bild davon vorzustellen, wenn es — ihrem Verstehen entsprechend — eine engere Grenze hat.
Wer sich jedoch wirklich bemüht, seinen Schöpfer in dessen Wirken zu erkennen, der wird auf dem sicheren Wege der Naturgesetze ein überzeugendes Ahnen empfangen haben von den weitausgreifenden Vorgängen, deren Anfänge in dem Urquell, also dem Ausgangspunkte alles Geschehens liegen, um sich von dort aus wie unverrückbare Schienenstränge durch die Schöpfung zu ziehen, auf denen dann alles weitere Leben je nach Stellung der Weiche sich abrollen muß. Das Weichen-
*) Vortrag: „Das Geheimnis Lucifer“.
**) Vortrag : „Verantwortung“.
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stellen aber besorgt der Menschengeist in seinem durch das Stoffliche selbsttätig. (Vortrag „Der Mensch und sein freier Wille!) Durch Lucifers Prinzip läßt sich nun leider die Mehrzahl zur falschen Weichenstellung veranlassen, und so rollt dann deren Leben nach den unabänderlichen Fortentwicklungsgesetzen, die gleich Schienensträngen das Stoffliche durchziehen, mehr und mehr abwärts, einem je nach der Einstellung ganz bestimmten Endziele zu.
Die Weichenstellung des freien Entschlusses kann nun vom Ursprung aus genau beobachtet oder empfunden werden, woraufhin der weitere Verlauf klar zu erkennen ist, weil er nach einem erfolgten Entschlusse in der Fortentwicklung nur den entsprechenden in der Schöpfung verankerten Gesetzes-Schienensträngen entlang laufen muß. Dieser Umstand ermöglicht das Vorausschauen so mancher Geschehnisse, weil die Naturoder Schöpfungsgesetze in ihrem Entwicklungsdrange niemals abweichen. Jahrtausende spielen dabei keine Rolle. In diesen vorausgeschauten, unbedingten Endzielen entstehen dann die großen Offenbarungen, die Begnadeten in Bildern geistig gezeigt werden und durch Weitergabe zur Kenntnis der Menschheit kommen. Eins ist aber dabei nicht mit Bestimmtheit vorauszusagen: die irdische Zeit, zu der sich solche Offenbarungen und Verheißungen erfüllen!
Das geschieht zu der Stunde, in welcher ein solcher Lebensverlauf seinen gewählten Schienen entlangrollend an einer vorauserklärten Zwischenstation oder dem Endziele einfährt. Das Schicksal des Menschen wie des Volkes und zuletzt der ganzen Menschheit ist mit einem Zuge zu vergleichen, der auf einer eingleisigen Bahn vor nach allen Richtungen führenden Schienensträngen wartend steht. Der Mensch stellt eine Weiche nach seinem Belieben ein, springt auf und gibt Dampf, das heißt, er belebt ihn. Bei seinem Einbiegen in das von ihm gewählte Geleise vermag man nur die einzelnen Stationen und die Endstationen zu nennen, nicht aber die genaue Stunde der jeweiligen Ankunft, da dies von der Fahrtgeschwindigkeit abhängt, die je nach der Art des Menschen wechseln kann; denn
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der Mensch belebt die Maschine und wird sie je nach seiner eigenen Art in ruhigem Gleichmaße oder in stürmender Leidenschaft oder abwechselnd verschiedenartig vorwärtstreiben. Je mehr ein solcher Einzelmenschen- oder Völker- oder Menschheitszug sich aber einer Station seiner Schienen- oder Schicksalsrichtung nähert, desto sicherer kann dann das nahende Eintreffen erschaut und angedeutet werden. Das Schienennetz hat aber auch einige Verbindungslinien, die durch jeweilige Weichenumstellungen während der Fahrt benützt werden können, um eine andere Richtung zu erhalten, und somit auch eine andere Endstation als der zuerst zugesteuerten zu erreichen. Es erfordert dann natürlich ein Langsamerfahren beim Nahen einer derartigen Weiche, ein Anhalten und Wehichenumstellen. Das langsamere Fahren ist das Nachdenken, das Anhalten der Entschluß des Menschen, der ihm bis zu einem letzten Entscheidungspunkte immer möglich ist, und das Umstellen die diesem Entschlusse folgende Tat.
Den göttlichen Willen, der sich in den feststehenden Naturgesetzen wie Schienenstränge durch das Stoffliche zieht, kann man auch die Nerven in dem Schöpfungswerke nennen, die den Ausgangspunkt den schöpferischen Urquell, jede Unebenheit in dem gewaltigen Körper des Werkes fühlen lassen oder ihm melden.
Dieser auf Grund der unverrückbaren Gesetze bis an jedes Ende ausschauende sichere Überblick veranlaßt den Schöpfer, seinen Offenbarungen auch Verheißungen anzuknüpfen, die für die Zeit der herannahenden gefährlichsten Kurven, Zwischenstationen oder Endstationen rechtzeitig von ihm kommende Helfer verkünden! Diese Helfer sind von ihm ausgerüstet, kurz vor Eintreffen unausbleiblicher Katastrophen und gefährlicher Wendungen den auf diesen falschen Geleisen rollenden Menschengeistern durch Verkündung der Wahrheit die Augen zu öffnen, damit es ihnen möglich wird, noch rechtzeitig eine andere Weiche einzustellen, um die immer gefährlicher werdenden Stellen zu vermeiden und durch eine neue Richtung auch dem verderbenbringenden Endziele zu entgehen. Wehe dem
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Menschen im Dies- und Jenseits, der die letzte aller Umstellungsweichen und damit die Möglichkeit einer besseren Richtung übersieht und versäumt! Er ist rettungslos verloren.
Da der Schöpfer an der Vollkommenheit seines Willens nicht rütteln kann, so wird auch er bei diesem Helfen genau wieder die bestehenden Gesetze einhalten. Mit anderen Worten: Sein Wille ist von Urbeginn an vollkommen. Jede seiner neuen Willensakte werden selbstverständlich ebenfalls vollkommen sein. Das bedingt, daß jeder neue Willensakt von ihm auch genau die gleichen Gesetze in sich tragen muß als die bereits vorausgegangenen. Folge davon ,ist wieder die genaue Einfügung in das Entwicklungsgeschehen der fein- und grobstofflichen Welt. Eine andere Möglichkeit ist gerade durch die Vollkommenheit Gottes ein für allemal ausgeschlossen. In dem schon erklärten Vorausschauen entstand die Verheißung der Menschwerdung des Gottessohnes, um mit der Wahrheitsverkündung die Menschheit zur Umstellung der Weiche zu veranlassen. Die Tat der Umstellung bleibt den Gesetzen entsprechend den Menschengeistern selbst vorbehalten. Dadurch aber ist es einem Vorausschauen entzogen, die Art des Entschlusses zu erkennen; denn nur die von den Menschengeistern schon gewählten Bahnen, in die sie die Weiche nach ihrem freien Entschluß gestellt haben, können genau in ihren sämtlichen Stationen und Kurven bis zum Endziele überschaut werden. Davon ausgeschlossen sind nach folgerichtiger Natürlichkeit die Wendepunkte, bei denen ein freier Entschluß der Menschheit ausschlaggebend ist; denn auch dieses Recht ist aus der natürlichen Entstehung- und Entwicklungsgesetzmäßigkeit heraus durch Gottes Vollkommenheit ebenso unverrückbar wie alles andere, und da der Schöpfer den Menschengeistern dieses Recht durch deren Ursprung aus dem Geistig-Wesenhaften gegeben hat, verlangt er auch nicht im voraus zu wissen, wie die Entscheidung von diesen fallen wird. Nur die Folge einer solchen Entscheidung kann er genau bis an das Ende erkennen, weil diese sich dann innerhalb dieses Willens auswirken muß, der in den Gesetzen der fein- und grobstofflichen Schöpfung ruht. Würde es anders
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sein, so könnte die Ursache dazu aus diesem Grunde nur einen Mangel an Vollkommenheit bedeuten, was unbedingt ausgeschlossen ist.
Der Mensch soll sich also dieser seiner ungeheueren Verantwortung stets voll bewußt sein, daß er in seinen Grundentschlüssen wirklich unabhängig ist. Leider aber wähnt er sich entweder als vollkommen abhängigen Knecht, oder dann sich überschätzend als einen Teil des Göttlichen. Wahrscheinlich liegt der Grund dafür darin, daß er sich in beiden Fällen der Verantwortung enthoben glaubt. In dem einen Fall als zu tiefe und abhängige Kreatur, in dem anderen Falle als weit darüber stehend. Beides aber ist falsch! Er mag sich als Verweser ansehen, dem in gewissen Dingen freier Entschluß, aber auch die volle Verantwortung zusteht, der also ein großes Vertrauen besitzt und dieses nicht durch schlechtes Haushalten täuschen soll.
Gerade diese Vollkommenheit macht es notwendig, daß der Schöpfer bei Ausübung direkter Hilfen für die falschsteuernde Menschheit auch mit einem Versagen der Menschheit bei deren Entschlußfassung rechnen muß. Für solche Fälle hält er aus seiner Weisheit und Liebe heraus, die als ihm zu eigen ebenfalls wieder gesetzmäßig und natürlich sind, weitere Wege zur Hilfe bereit, die sich dann dem ersten, durch Versagen der Menschheit eventuell abgeschnittenen Wege als Fortsetzung anschließen.
So wurde schon vor der Zeit der Menschenwerdung des Gottessohnes in dem ewigen Reiche des Vaters ein anderer Sendling für eine Mission vorbereitet, für den Fall, daß die Menschheit trotz des großen Liebesopfers des Vaters versagen könnte. Wenn der Gottessohn mit seiner rein-göttlichen Einstellung nicht so gehört werden würde, daß die Menschheit auf seine Warnung hin die. Weiche ihrer Bahnen nach der, Richtung hin einstellte, die er ihnen wies, sondern auf ihren bisherigen zum Verderben führenden Bahnen in Verblendung verblieb, so sollte dann noch ein Sendling ausgehen, der der Menschheit in deren innerstem Wesen näher stehen konnte als
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Der Unterschied im Ursprung zwischen Mensch und Tier

Um den Unterschied des Ursprunges zwischen Mensch und Tier klar zu machen, bedarf es einer eingehenderen Zergliederung der Schöpfung als bisher. Mit den üblichen Schlagwörtern wie „Gruppenseele“ des Tieres gegenüber dem persönlichen „Ich“ des Menschen ist dabei nicht genug getan, trotzdem es an sich schon ganz richtig gedacht ist. Aber es wird dabei nur das Allgemeine und dem irdischen Zunächstliegende weitumrissen gezeichnet, doch nicht der eigentliche Unterschied genannt.
Es muß hierbei die Entwicklung der Schöpfung bekannt sein, die in dem Vortrage „Schöpfungsentwicklung“ erklärt ist.
Der leichteren Übersicht halber seien die Haupt-Stufen von oben herab noch einmal wiedergegeben:

1.Göttlich:

Göttlich-Wesenlos

Göttlich-Wesenhaft

2.Geistig-Wesenhaft:

Bewußt-Geistig-Wesenhaft

Unbewußt-Geistig-Wesenhaft

3.Wesenhaft:

Bewußt-Wesenhaft

Unbewußt-Wesenhaft

4.Stofflich:

Feinstofflich

Grobstofflich
Der Mensch hat seinen geistigen Ursprung in dem Unbewußt-Geistig-Wesenhaften. Das Tier dagegen seinen wesenhaften Ursprung in dem Unbewußt-Wesenhaften. Zwischen diesen beiden Stufen ist ein gewaltiger Unterschied. Der belebende Kern des Menschen ist Geist. Der belebende Kern des Tieres aber ist nur Wesen.
Ein Geist steht weit über dem Wesen; der innere Ursprung des Menschen demnach auch viel höher als der des Tieres, während beide gemeinsam nur den Ursprung des grobstoff-
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lichen Körpers haben. Der Geist des Menschen hat jedoch seinen ursprünglich reintierischen Körper mit der Zeit weiter ausgebildet, als es dem Wesen des Tieres möglich wurde.
Die Lehre der natürlichen Entwicklung des grobstofflichen Körpers von dem niedrigsten Tierkörper angefangen bis zum Menschenkörper ist deshalb richtig. Sie zeigt das in jeder Beziehung lückenlose Aufwärtsarbeiten des schöpferischen Willens in der Natur. Ein Zeichen der Vollkommenheit.
Es ist bei dieser Lehre nur der eine, allerdings auch große Fehler gemacht worden, daß man über das Grobstoffliche nicht hinausging. Wenn man sagt, der menschliche Körper, also der grobstoffliche Mantel des Menschen, stammt vom Tierkörper ab, der vor dem Menschenkörper da war, so ist das richtig. Diese Körper machen aber weder den Menschen noch das Tier aus, sondern gehören nur als in der Grobstofflichkeit notwendig dazu. Will man aber daraus folgern, daß auch die innere Lebendigkeit des Menschen von der des Tieres abstamme, so ist dies ein unverzeihlicher, irreführender Fehler, der einen Zwiespalt erwecken muß. Aus diesem Zwiespalt heraus entsteht auch in so vielen Menschen die gesunde Empfindung gegen eine derartige unrichtige Annahme. Einesteils werden sie von der Richtigkeit der Annahme angezogen, die die Körper betrifft, anderenteils wieder abgestoßen von der groben Nachlässigkeit, die ohne weiteres den inneren Ursprung mit hineinverweben will.
Die Wissenschaft konnte allerdings bisher kaum anders, als zu sagen, daß in der natürlichen Entwicklung der Mensch schließlich vom Tier, und zunächst von einem affenähnlichen Tier abstammen muß, das in seiner Form dem menschlichen Körper am nächsten kam, weil sie sich bisher lediglich nur mit dem Stofflichen zu beschäftigen vermochte. Vorwiegend sogar nur mit dem Grobstofflichen, das einen ganz kleinen Teil der Schöpfung ausmacht. Und von dieser kennt sie auch nur die gröbsten Äußerlichkeiten. In Wirklichkeit also verschwindend wenig, so gut wie nichts. Verschiedenes Wertvollere vermag sie wohl heute endlich zu verwenden, kennt es aber in seinem Eigentlichen noch nicht, sondern muß sich notgedrungen dabei
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mit einigen Fremdwörtern abfinden, die sie an Stelle des Wissens setzt. Diese Worte bezeichnen lediglich die provisorische Klassifizierung eines bestehenden und schon verwendbaren gewissen Etwas, dessen eigentliche Art man nicht kennt, noch viel weniger den Ursprung.
Das Wesenhafte aber und noch viel mehr das Geistige stehen über allem Stofflichen, sind von der Erde aus nach oben zu die Fortsetzung zum Ursprung alles Bestehenden, oder, was natürlicher ist, von oben herab das dem Stofflichen in der Entwicklung Vorausgegangene.
Es muß bedacht werden, daß alles Geistige, wie auch alles Wesenhafte, selbstverständlich und aus der Entwicklung heraus naturgemäß bedingt den Mantel eines grobstofflichen Körpers braucht, sobald es den Entwicklungsgesetzen gehorchend als bildender Faktor und lebendiger Kern bis in das Grobstoffliche vordringt. Jeder Zwist wird sofort behoben sein, wenn man endlich entweder weiter aufwärts dringt in allem Forschen, also über das Stoffliche hinaus, oder dem natürlichen Entwicklungsgange von oben herab zu folgen vermag. Die Zeit ist da, wo der Fuß dazu erhoben werden muß. Doch die größte Vorsicht ist dabei geboten, damit geistiges Wissen, das die Logik unverkennbar in sich trägt, nicht unbemerkt in unwissende Phantasie herabgezogen wird. Man muß beachten, daß dem Wesenhaften und dem Geistigen auch nur mit klarem, freiem Geiste gegenübergetreten werden kann, nicht wie im Stofflichen mit Wagen, Seziermessern und Gläsern.
Ebensowenig aber auch mit beengtem Geiste oder Voreingenommenheit, wie es so oft versucht wird. Das verbietet sich nach den bestehenden Schöpfungsgesetzen von selbst in unüberbrückbarer Art. Darin wird eine kleine menschliche Kreatur auch mit der größten Anmaßung nicht an dem in seiner Vollkommenheit ehernen Willen seines Schöpfers abbiegen können.
Der eigentliche Unterschied zwischen dem Menschen und dem Tiere liegt also lediglich in seinem Inneren. Ein Tier kann auch nur in das Wesenhafte zurückkehren, nachdem es den
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grobstofflichen Körper abgelegt hat, während ein Mensch in das Geistige zurückkehrt, das viel höher liegt.
Der Mensch vermag wohl in gewisser Beziehung oft herabzusteigen zum Tier, muß aber trotzdem immer Mensch bleiben da er sich der Verantwortung nicht zu entziehen vermag, die ihren Keim in seinem geistigen Ursprung hat; das Tier mit seinem nur wesenhaften Ursprunge jedoch kann sich niemals zum Menschen emporschwingen. Der Unterschied zwischen den Körpern aber liegt nur in der Form, und in der edleren Entwicklung bei dem Menschen, die durch den Geist hervorgerufen wurde, nachdem er in den grobstofflichen Körper eingegangen war.
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*) Vortrag: „Die Erschaffung des Menschen“.
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In dem Verlage der Gralsblätter erscheinen die weiteren Vorträge Abdrushins fortlaufend in einzelnen Heften. Als nächstes kommt zum Versand:

Gralsblätter, Serie II, Heft 1.

Aus dem Inhalte: Ich bin der Herr, Dein Gott. Die Geburt des Gottessohnes. Der Kreuztod des Gottessohnes und das Abendmahl. Die Grablegung Christi und die Auferstehtung. Irdisches Gericht im Lichte göttlicher Gerechtigkeit, u. a. m.
Abdruschin berührt darin mit großer Sicherheit einschneidende dogmatische Irrtümer, deren Klärung das innere Erleben der ernsten Wahrheitssucher befreiend löst und jeden bisherigen Zwispalt beseitigt.
Auch alle aus verschiedenen Ländern eingetroffenen Anfragen über die in Indien erfolgte öffentliche Ausrufung Krischnamurtis als „neuen Christus“ können darin ihre Antwort finden, da Abdruschin sich nicht mit derartigen intimen Angelegenheiten einer irdischen Vereinigung befaßt. Er weist aber in Heft 1 Serie II rein sachlich in unerbittlicher Logik lückenlos auf die absolute Unmöglichkeit solcher irdischen Wahlen oder Ausrufungen durch Menschen hin, in Dingen, deren Be-stimmung allein bei Gott liegen kann.
Ein also ausgerufener Christus ist nicht identisch mit dem so oft erwähnten Menschensohne dieser Gralsbotschaft, den einst die Menschheit in ihren schwersten Stunden suchen und an seinen Werken, also seinen Taten, wird erkennen müssen.
Die sich an das Buch „Im Lichte der Wahrheit, Neue Gralsbotschaft von Abdruschin“ direkt anschließenden Hefte der Serie II mit Abdruschins Vorträgen nehmen erst die Binde von den Augen der Suchenden, indem sie mit der Nutzanwendung der Gralsbotschaft beginnen. Sorgfältig wird dem tastenden
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Leser und Hörer die Hand gereicht und der Ausblick erweitert, so daß er weitschauend die Wirklichkeit erkennt.
Beglückt steht er dann und lauscht dem Heimatrufe, der ihn damit trifft. Alles, was er bisher nur verborgen ahnte, das die unbewußte Sehnsucht seiner Wünsche war, kommt in jubelnder Bejahung über ihn. Vom Licht umflossen, steht er freudig aufatmend wie ein nach langem Siechtum plötzlich Ge-sundeter, und fühlt erwartungsvoll die frische Kraft, die ihn in nie gekannter Art durchströmt, bereit, siegreich emporzu-steigen aus dem Wust drückender Irrtümer, der ihn umfangen hielt.
Bestellen Sie: Gralsblätter, Heft 1, Serie II, 50 Seiten stark, kartonniert, 60 Pfennig. Versandspesen 10 Pfennig.

Tutzing (Oberbayern)

Der Verlag.

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